Mein lieber Canding: Es ist ja schön, dass Du Dir so viele
Gedanken um unser Bildungssystem machst, aber Deine
Behauptungen entbehren leider jeder Grundlage.
Wenn das mal keine Behauptung ist - auch noch eine falsche.
Lesen bildet auch Lehrer wie Dich, man sollte es kaum glauben.
Du hast keine Erfahrung.
Ab hier wird die Behauptung dann eben falsch.
Bevor ich Lehrer wurde, dachte ich so ähnlich wie Du.
Als so intelligent stufe ich Dich nicht ein …
Ich glaubte, dass sich Schüler wie Zahlen verhalten. Ich glaubte,
dass eine Klasse mit 30 Schülern doppelt so groß ist wie eine
Klasse mit 15 Schülern. Wenn man die Klassengröße um 1 anheben
würde, so würde man den Unterschied bei einer 15er-Klasse
deutlicher bemerken als bei einer 30er-Klasse. Ich denke, dass
mir die mitlesenden Lehrer bestätigen werden, dass es genau
umgekehrt ist: Die „gefühlte“ Klassengröße verändert sich von
15 auf 16 praktisch gar nicht, während der Unterschied
zwischen 30 und 31 sehr deutlich spürbar ist.
Jetzt komm mir doch nicht mit solchen Märchengeschichten und mit der Weisheit des alten Mannes, die eigentlich keine ist.
Dafür gibt es mehrere Gründe: Die Zahl der Beziehungen
innerhalb einer Klasse ist natürlich nicht proportional zur
Schülerzahl, sondern zum Quadrat der Schülerzahl
(näherungsweise). Die räumliche Enge in einem Klassenzimmer
wird umso spürbarer, je mehr Schüler drin sind. 31 ist
erheblich näher an der Schmerzgrenze des Lehrers als 16. usw.
Das sind alles Fakten zum Thema Klassengröße, über die Du
aufgrund fehlender Erfahrung nicht verfügen kannst.
Das Geplärre langweilt zusehends.
Also: Wenn hier Lehrer sagen, dass sich die allermeisten Probleme
an der Schule von selbst lösen würden, wenn die Klassen kleiner
wären, dann nimm das bitte als Expertenmeinung hin
Es ist aber keine Expertenmeinung, weil sich mehrheitlich nur eine Hoffnung dahinter verbirgt. Und meine Erfahrungen als Schüler & Student halten da voll dagegen. Geringe Klassenstärke gut und schön. Natürlich wird vieles leichter, angenehmer, schneller. Das habe ich übrigens zu keiner Zeit bestritten - ich habe nur darauf hingewiesen, daß es für sich genommen, nicht der Wahrheit letzter Schluß ist.
Und ein Lehrer, der glaubt, die „…allermeisten Probleme an der Schule [würden] sich von selbst lösen…“, indem einfach die Klassenstärke verringert werde, unterschätzt oder ignoriert das Verhalten des einzelnen völlig. Das ist einfach so - weil individuelle Verhaltensprobleme eben in keiner Korrelation zur Klassenstärke stehen.
Ich habe mehr als genug Erfahrung damit, beurteilen zu können, daß es sich auch in vergleichsweise kleinen Kursen nicht besser lernt.
Grund: Es steht und fällt mit dem Lehrer auf der einen Seite und es steht und fällt mit dem Lernklima auf Schülerseite.
So wie es an unseren Schulen zugeht, ist die Verringerung der Klassenstärke einfach nur eine nötige Maßnahme unter vielen - sie verspricht Linderung - Heilung kann sie gar nicht bewirken.
Und dazu muß ich kein langjähriger Lehrer mit Abermillionen Erfahrungen sein, sondern mit ausreichend vielen Erfahrungen brauch ich nur den IQ anzustrengen. Logische Analyse ist nämlich schon von ihrem Wesen her weitestgehend abgekoppelt von Erfahrungen. Gott sei Dank.
Umgekehrt steht den meisten Lehrern, die, ohne links und rechts zu schauen, ganz bestimmte Maßnahmen fordern, in dem Aberglauben, daß brächte nun paradiesische Zustände im Klassenzimmer, die Betriebsblindheit schon auf die Stirn geschlagen.
Wie gesagt, kleiner Klassenstärken wären sicherlich ein richtiger und notwendiger Schritt. Doch damit wäre es hinten und vorne einfach nicht getan.
MfG