Hallo,
die Begriffe haben über die Jahrhunderte und vor allem in den letzten Jahrzehnten an Trennschärfe verloren. Sie stammen ja aus der Zeit der Französischen Revolution und orientierten sich an der Sitzordnung in der Französischen Nationalversammlung. Auf der rechten (bezogen auf den Parlamentspräsidenten) und damit - im biblischen Sinne - auf der richtigen Seite saßen die Adligen, die Kleriker, Nationalisten und Anhänger des alten Regimes. Links saßen die Revolutionäre.
Daraus leiten sich einige Gemeinsamkeiten der rechten und linken Bewegungen bis heute ab bzw. aus dem, wie sich eine Gruppe oder Partei hinsichtlich der diversen Politikaspekte ergibt sich oftmals die Bezeichnung (wurde ja auch schon erläutert).
Aber - wie gesagt - trennscharf ist alles nicht mehr. Es gibt linke Nationalisten, rechte Atheisten und an beiden Rändern findet man ganz viele Arschlöcher. Hinzu kommt, dass die Außendarstellung auch von dem abweichen kann, was bspw. eine Partei wirklich vertritt.
Die afd vermarktet sich als eine Partei der kleinen Leute (also eher links), während sie (ausweislich ihres Abstimmungsverhaltens und Wahlprogramms) Politik für Unternehmen und Reiche bzw. Gutverdiener macht bzw. machen will (also eher rechts; passt auch besser zum restlichen Außenauftritt). Das BSW tritt links auf, biedert sich aber an Autokraten an und ist im Grunde auch gegen Migration (also eher rechts).
An diesen beiden und nur kurz angerissenen Beispielen kann man schon erkennen, dass sich halt nicht mehr alle Gruppierungen sauber in rechts, mitte, links einsortieren lassen. Bei afd und BSW fährt man wahrscheinlich am besten, wenn man für sie eine weitere Kategorie verwendet: Populisten. Irgendwas erzählen, von dem man glaubt, dass es bei den Wählern ankommt. Mal rechts, mal links - völlig egal.
Was auch ein bisschen daran lag, dass sich die Welt verändert hat. Je weiter die Spezialisierung in der Wirtschaft voranschritt, desto weniger war die reine Muskelkraft oder Präsenz verlangt, d.h. die Menschen waren nicht mehr ein Heer von austauschbaren Arbeitskräften. Wer erst einmal ein bisschen Eigentum besaß und gesellschaftlich aufgestiegen war, wollte eigentlich keine klassenlose Gesellschaft mehr und es stellt sich auch heraus, dass Arbeitgeber, die nett zu ihren Arbeitnehmern waren und ihnen bspw. Häuser baute, sie besser bezahlte, mit ärztlichen Leistungen versorgte usw., gar keine so fiesen Leute waren und andererseits wirtschaftlich erfolgreicher waren. Deren Arbeitnehmer wollten dann nicht mehr ganz so dringend eine Revolution und die Kollektivierung der Produktionsanlagen, sondern einfach in Ruhe arbeiten und in ihrem eigenen Häuschen alt werden.
Im Grunde kam Marx vielleicht so um die 100 Jahre zu spät - zumindest in Mitteleuropa. In Russland, wo seine Lehren ja auf fruchtbareren Boden fielen, waren die Verhältnisse Ende des 19./Anfang des 20. Jahrhunderts noch andere.
Interessanterweise war Lenins Kommunismus russischer Prägung von Anfang an ein Etikettenschwindel, denn die vermeintliche Revolution der Arbeiter und Bauern wurde gerade für die ja zum Fiasko, das viele Zigmillionen von ihnen mit dem Leben bezahlten, während die Rädelsführer in Saus und Braus lebten (Lenins Familie gehörte ja schon zur vermögenden Elite) und mit der Gleichheit der Menschen nicht viel am Hut hatten.
Die MLPD wäre da wohl ein Kandidat. Aber das Problem mit dem Kommunismus ist halt, dass er mit Menschen, denen ihr freier Wille gelassen wird, nicht funktioniert. Der Mensch strebt nach mehr. Er will mehr als gestern und er will mehr als der Nachbar oder Kollege. Aus diesem Streben nach dem Mehr resultiert das Unternehmertum, dass zwar das Scheitern als feste Größe beinhaltet, aber dennoch die Triebfeder von Wachstum und Wohlstand ist.
Das ist übrigens nichts, was man gut finden muss. Man kann das Verhalten der Menschen aber halt nur in Grenzen ändern bzw. beeinflussen. Wenn der Mensch weise und gut wäre, gäbe es keine Kriege, wir hätten keine Schlösser an den Haustüren und bräuchten keine Gesetze, in denen steht, dass man andere Menschen nicht beklauen und auch nicht töten darf.
Besser für den Planeten und für uns Menschen wäre auch, wir wären mal mit dem zufrieden, was wir haben, aber so isser halt nicht, der Mensch. Deswegen geht der Planet den Bach runter, deswegen sterben jährlich hunderttausende in Kriegen, deswegen hungern Millionen und deswegen wählen einige Leute Parteien an irgendeinem abgelegenen und praktisch beliebigen Rand des politischen Spektrums, weil sie sich und vor allem für sich davon etwas versprechen.
Gruß
C.