Hallo,
Ich beziehe mich hier also nochmal und ausschließlich auf die jungen Wehrpflichtigen, für die es meiner Meinung nach nicht offensichtlich war, dass sie hier gegen ein Gesetz bzw. Recht verstießen.
Aber es geht doch nicht um Recht und Gesetz, sondern um das Wissen und das sichere Gefühl, dass man nicht auf wehrlose Flüchtende schießt.
Das wissen wir hier hinterher. Dort irgendwo im Dunkeln im Wald ist das erstmal nicht so klar. Das waren junge Leute. Leute, die seit dem Kindergarten oder spätestens der Schule ideologisch bearbeitet worden sind, dass das „Verletzen der Grenze“ ein ganz dolle schlimme Straftat ist, quais sowas wie der Abfall vom Glauben an die schönste und beste DDR aller Zeiten.
Und dazu wurden dann noch Schauermärchen erzählt und die Soldaten hervorgehoben, die ihrerseits an der Grenze von Flüchtenden/Grenzverletzern/Provokateuren/ bösen Bonner Ultras hingemeuchelt worden sind. Dies steigerte sich dann zweifellos noch mit der Einberufung zum Wehrdienst. Bitte aus diesem Blickwinkel betrachten und nicht aus dem, was wir heute wissen und denken. Die hatten auch nicht alle die Möglichkeit sich unabhängig zu informieren. Denen wurde eingebläut, dass das alles Verbrecher sind und dass ihnen ihrerseits schwerwiegende Konsequenzen drohen, wenn sie versagen.
Insofern werden die meisten durchaus moralische Zweifel gehabt haben.
Das meine ich aber auch. Mindestens Zweifel, wenn nicht sogar das deutliche Gefühl, dass es falsch ist, auf unbewaffnete Menschen zu schießen. Ich gehe mal davon aus, dass es sich um weitgehend normale Menschen und nicht Leute mit schweren, früh erworbenen antisozialen Persönlichkeitsstörungen handelte.
Ja, normale Menschen, die von unnormalen in solche Situationen gebracht und dazu vorher ordentlich ideologisch bearbeitet worden sind. Und dann stehen die plötzlich mitten in der Nacht in der Situation und wissen erstmal nicht, ob das nur Flüchtende sind, ob die alleine sind und wie der zweite Mann nachher aussagen wird. Und dann vielelicht noch im Hinterkopf, dass in der schönsten und größten DDR aller Zeiten auch noch die Todesstrafe existiert und das nicht nur auf den Papier. Dazu die ständige Überbelastung im Dienst, der nicht von einer 5 Tage Woche zu je 8 h gekennzeichnet war. Und für all diese Gedanken hat man dann nicht soviel Zeit, wie wir hier gerade beim Schreiben und Lesen, sondern nur ein paar Sekunden.
Ich möchte nicht über diese Menschen urteilen. Wohl aber über diejenigen, die das zu verantworten hatten.
Für keinen der Todesschützen war hinter alles normal. Selbst bei denen die sich brüsten, wird das nur eine andere Form der Bewältigung eines solch einschneidenden Erlebnisses sein.
Grüße