Sorry. Hab diese Nach-Frage übersehen
Mir scheint es näherliegender zu fragen: Was wollen die drei Synoptiker damit sagen (wobei ja Mk und Lk fast identischen Wortlaut haben, im Unterschied zu Mt). Aber: Es geht in dieser Episode ja gar nicht um die Frage ob Jesus von sich selbst sage, er sei Gott. Nirgendwo sagt er soetwas, an keiner anderen Stelle der vier Evangelien.
Hier allerdings zeigt sich zumindest nebenbei und im Subtext (und danach fragst du ja), daß er das Attribut ἀγαθός (= moralisch vollkommen) allein dem Gott zuschreibt. Wobei man sagen muß, daß in der Matthäusversion (Mt 19.17) jedenfalls nicht zu lesen ist, daß er es sich selbst nicht auch zuschreibe.
Wir wissen es nicht, was die Autoren der Evangelien dem Jesus hier in den Mund legten, denn die Formulierungen in den unzähligen ältesten Textfunden sind alle, ausnahmslos, Abschriften von Abschriften. Auch von der Mt-Version gibt es in einigen Papyri Formulierungen, die mit Mk und LK identisch sind.
Nur nebenbei erwähnt bei dieser Gelegenheit: Es ist übrigens im Markus eine von lediglich zwei Stellen, wo von der ζωη αιωνιος (was üblicherweise mit „ewiges Leben“ übersetzt wird) die Rede ist. Im Johannes-Ev. ist das dagegen einer der Zentralbegriffe.
Aber ganz davon abgesehen piekst du mit deiner Frage (und das weißt du mutmaßlich) genau in diejenigen Zweifel und Streitigkeiten, die sich durch die ersten Jahrhunderte durch den westlichen, südlichen und östlichen Mittelmeerraum hinzogen: Fragen um natura (physis), persona (hypostasis), substantia (ousia) Jesu, um Bedeutung und Konsequenz des Ausdrucks „Sohn Gottes“ (vor allem, was Jesus selbst damit gemeint haben könnte, wenn er, wie so oft, so in der dritten Person von sich selbst redend zitiert wurde). Auch die großen Synoden (Nikaia 325, Konstantinopel 381, Ephesos 431, Chalkedon 351) hatten zwar dogmatische Entscheidungen der damals wortgewaltigsten (und mit der je größeren Lobby versehenen) Amtsträger zur Folge - und damit die Auskanzelung anderer mächtiger Wortführer: Origenes, Arianus, Pelagius, Nestorius. Aber erreicht wurde damit dennoch nichts anderes als die Erkenntnis: eindeutig verstehbar - und formulierbar - ist gar nichts davon. Zumal sich nach der ursprünglich griechischen Sprache allmählich das Lateinische durchsetzte, die entscheidenden theologischen Fachbegriffe in beiden Sprachen aber nicht kompatibel waren, was deshalb zu Missverständnissen und unnötigen zusätzlichen Streiterein führte.
Die rigorose endgültige Festlegung „Jesus ist Gottes Sohn“, und zwar mit der Bedeutung, „Sohn Gottes“ ist wesensgleich mit „Gott-Vater“ (und damit auch „Jesus ist Gott“), war Nikaia 325 vom Kaiser oktroyiert, der die Synode ja überhaupt auch deshalb gefordert hatte. Bis dato waren es nur einige wenige Strömungen, die ihn, Jesus, definitiv und eindeutig so verstanden hatten.
Und mit dieser Festlegung „Jesus ist Gott“, zusammen mit dem Theologem „Jesus ist (zugleich) Mensch“ (Konsequenz aus dem christlich interpretierten jüdischen Messiasbegriff) steckte man in dem Folgeproblem, das sich zunächst über mehr als 100 Jahre heftigst strittig zeigte: „Zweinaturenlehre“ oder „Mono-/Miaphysitismus“. Auch nach dessen (wort-)gewaltsamer Lösung Chalkedon 451 hatte es nicht weniger als die erste große und noch heute bestehende Kirchenspaltung zur Folge - und (nach Ansicht einiger Historiker) indirekt und nebenbei später auch die Entstehung des Islam im arabischen Raum.
Gruß
Metapher