Hallo Viktor,
…
Du schreibst:
es ist überhaupt nicht relevant, was „neuester Stand“ der
theologischen Diskussion ist und auch nicht, was Du Dir da
angelesen hast. Da müßte man direkt auf die angesprochenen
Fragen eingehen.
Das ist im Hinblick auf die Fragestellung des Ausgangspostings sehr wohl relevant - nicht weil es um „den neusten Stand der theologischen Forschung“ an sich geht, sondern weil in dem Buch von Frank Crüsemann " das Neue Testament als Wahrheitsraum des Alten deutlich wird, daß es kein „Neues Testament“ gibt, das allein für sich steht und verständlich ist, sondern dass Jesus selbst auf dem Boden dessen steht, was bei Christen „Altes Testament“ genannt wird. Diese Sicht ist in der christlichen Tradition - so Crüsemann - weitgehend verloren gegangen. Und die Sicht auf das Neue Testament ist - so führt er weiter aus - oft durch dogmatische Vorgaben, die nicht unbedingt bewußt sein müssen - verstellt.
Die Botschaft Jesu steht für sich.Wenn jeder erst das AT lesen
müßte und die (wechselnden) theologischen Exkurse dazu um die
Botschaft zu begreifen, wäre sie für die Katz.
Aber ganz und gar nicht, sondern sie erschließt sich dadurch - so Crüsemann - noch mehr und umfassender.
Es ist alles gesagt.
Aus jüdischer Sicht und da ich auch vom christlich-jüdischen
Dialog her viele Diskussionsbeiträge aus christlicher Sicht
kenne, sage ich Dir - und nicht nur ich: Es ist längst noch
nicht alles gesagt.
Du willst die Botschaften (egal ob jüdische oder christliche)
verbessern ?
Habe ich das gesagt? Ich wüßte nicht wo.
Die Botschaft der Schriften bedarf immer wieder der neuen Auslegung / Aktualisierung
Jedoch ist der Textbestand der biblischen
Texte festgelegt.
Na also, es geht doch.
Jedoch nicht in dem Sinn, in dem Du das propagierst.
Die Texte sind uns gegeben, um sie immer wieder neu auszulegen. Sie sind nicht in sich abgeschlossen. Das wäre ein fundamentalistisches (Miß-)Verständnis.
Etwas anderes ist es Forderungen aus der Botschaft (für Juden
die
aus der Tora) in jeder Situation des Lebens (oder auch der
sich
entwickelnden Gesellschaft) zu erkennen und umzusetzen.
Hier ist prinzipiell Übereinstimmung von praktischem Judentum
und
Christentum gegeben.
Obwohl im Judentum viele Handlungen durch „Gebote“ geregelt
sind,
wird versucht, die Tora (bzw.Tanach) zu „hinterfragen“ in dem
Sinne,
daß aus ihr Antworten gefunden werden welche den täglichen
Anforderungen entsprechen und dafür hilfreich sind.
Es ist ein immer wieder neues Befragen der Torah, was sie in
unserer heutigen Situation zu unseren aktuellen Fragen zu
sagen hat.
Na also, es geht doch.Mußt nicht immer erst wild gegen halten.
Mein Zugang und mein Grundverständnis unterscheidet sich von Deinem grundlegend - auch wenn Du Gemeinsamkeiten zu sehen glaubst, die so nicht vorhanden sind.
Meine obige Aussage relativiert genau was ich meinte.
Christen haben es hier (scheinbar) einfacher. Sie müssen
prüfen, ob
ihre Handlungen den Anforderungen von
Gerechtigkeit=Erbarmen=Liebe
(das ist zusammengefaßt sie Forderung der Botschaft)
entsprechen.
In diesem Punkt würde ich Christentum und Judentum nicht
auseinander dividieren, denn in der jüdischen Tradition ist
der Grundwert „Barmherzigkeit“, und daran ist das alltägliche
Handeln, das Umsetzen der Gebote auszurichten.
Na siehste, es geht doch.Da wird prinzipiell nichts
auseinander
dividiert. Hab ich mich nicht so geäußert ?(von Dir nicht
zitiert)
Wir brauchen halt nicht so viele Gebote, weil „das EINE“ alles
leistet.
Und dieses EINE, auf das Du Dich beziehst, steht in Levitikus 19,18 (3. Buch Moses 19,18). Und da braucht es durchaus Konkretionen - nicht nur in der Torah - auch in den Briefen des Neuen Testaments wirst Du dazu einiges finden.
Wenn der Fragesteller „Weiterentwicklung“ vorstellt, dann kann
weder
das Judentum (nach meiner Ansicht) und schon garnicht das
Christentum durch Fortschreibung der Schriften eine
„Verbesserung“
der Botschaften bewirken.
Nun von „Fortschreiben“ oder Ändern oder Ergänzen der Texte
hat das Ursprungsposting gesprochen.
Na siehste, es geht doch. Ich auch
Ich habe von einer Aktualisierung der Texte auf die jeweils
aktuelle Situation durch Auslegung gesprochen.
Nun das war nicht gefragt -
dennoch gehört der Vollständigkeit halber es zum Thema - nämlich dem Umgang mit biblischen Texten
Und auch
christlichen Predigten liegt ja diese Idee zugrunde, wenn im
Sonntagsg-ttesdienst zu einem biblischen Text etwas gesagt
wird.
Es dies eben nicht „Weiterentwicklung“ sondern inhaltliche
Verwirklichung der Botschaft.
Das ist meiner Ansicht nach eine Wortklauberei, die für unsere Diskussion nicht viel austrägt. Wenn ein Pfarrer heute in seiner Sonntagspredigt einen Text auslegt und entfaltet, dann nimmt er den Text als Grundlage, aus der er entwickelt, was er für seine Gemeindemitglied heute im 21. Jahrhundert für wichtig hält.
Ob und was dann die Leute davon verwirklichen wie Du schreibst, ist gar nicht gesagt. Sie können auch die Predigt hören und es dabei belassen.
…
Das muß jede/r für sich beantworten, und sicher wird Auslegung
/ Theologie in unterschiedlicher Qualität betrieben.
Ja, und die Verwirrung wird vermehrt.
Warum gehst Du hier gleich von „Verwirrung“ aus? Hast Du so ein schlechtes Bild von zeitgenössischer Theologie etc.?
Dein „Rat“ an mich belegt dies.
„lies mal da, lies mal dort und da ist noch die neueste
Erkenntnis
von irgendwelchen anderen“ wobei Du einfach unterstellst, daß
da wirklich „Erkenntnis“ ist.
Ob für Dich Erkenntnis drin ist, weiß ich nicht. Ich sehe es als potentiell möglich an, merke aber durch unsere Diskurse (z.B. was Substitutionstheologie , Ersetzungstheologie) anbetrifft, daß Du Dinge vertrittst, die vor 50 Jahren so vertreten wurden, und von denen die Kirchen (egal ob katholisch oder evangelisch) sich distanziert haben. Also gibt es doch offensichtlich die Möglichkeit des Erkenntnisfortschritts.
…
Ich denke wir sind uns im Sinne der Fragestellung einig, die
Bibel
ist fertig,nur wir noch nicht - nie.
Ja - und nein.
Ja: Insofern der Textbestand zu einer bestimmten Zeit
veränderlich ist. Wir sprechen in der jüdischen Tradition her
vom schwarzen Feuer.
Nein: Insofern es die Zwischenräume zwischen den Buchstaben
gibt - egal ob in der Torahrolle oder in der gedruckten Bibel.
Und diese Zwischenräume sollen ausreichen um den Kern der
Botschaften manipulieren zu können ?
Ich bin mir sehr wohl der vielen „Zwischenräume“ bewußt.
Kann ich sie nicht einfach lassen ?
Das ist schlicht und einfach nicht möglich. Das wäre aber wieder eine ganz andere Diskussion (theologisch, psychologisch, literaturwissenschaftlich), die in den letzten 30 Jahren in der christlichen Theologie unter dem Stichwort „Rezeptionsästhetik“ geführt wird. Würde jetzt in diesem Zusammenhang zu weit führen, und ehrlich gesagt vermute ich, es würde Dich nicht besonders interessieren.
Und ich vermute weiter, von dem, was ich von Dir lese, dass Du die Bibel als in sich abgeschlossenes System siehst, was ich als einen sehr reduzierten Blick und eine Verarmung sehe. Deshalb werden wir da letztlich zu keiner Übereinstimmung kommen können. Ich halte es auch - für mich - nicht für wünschenswert.
Viele Grüße
Iris