Welche Länder haben späteres Renteneintrittsalter als D ?

Hallo,
die Behauptung des Welt-Redakteurs hat mich etwas überrascht:


Immer mehr Länder heben ihr Renteneintrittsalter auf 70 Jahre

Welche Länder sollen das sein ?

Gruß
rakete

Hallo,

Hier ist schon mal eine Aufstellung über einen Vergleich zwischen gesetzlichem und tatsächlichen Eintrittsalter - allerdings aus dem Jahr 2010.

In diesem Bericht der Welt von 2015 gibt es kein Land, in dem man bis 70 arbeiten müsste.

Und auch Wikipedia (leider mit Zahlen aus 2009) kennt kein Land mit gesetzlichem Renteneintritt bei 70 Jahren.

Selbst in dem verlinkten aktuellen Artikel der Welt gibt die Tabelle der OECD kein einziges Land her, dass inzwischen bei der „70“ angekommen ist.

Allein wenn ich den Imperativ des ersten Satzes lese

Immer mehr Länder heben ihr Renteneintrittsalter auf 70 Jahre: Doch Deutschland sträubt sich.

sieht das für mich nach dem typischen Kampagnenjournalismus gegen eine umlagenfinanzierte Rente aus - man könnte es auch Propaganda nennen. Und die Daten, vielleicht sogar der Entwurf des Artikels, stammt vom Institut der deutschen Wirtschaft - einem glasklaren Lobbyistenverband für die Privatisierung des Staates (und der Vergesellschaftung von Schulden).

Berichte wie diesen muss man aus meiner Sicht nicht ernst nehmen - es steht nur zu befürchten, dass es die tun, an die sich der Bericht eigentlich wendet: die geistig mittelmäßigen Entscheider in Wirtschaft und Politik.

Grüße

siehe auch https://img.nzz.ch/S=W540/O=75/http://nzz-img.s3.amazonaws.com/2016/9/6/17105aa5-bb1a-436c-892c-e15859a0b867.jpeg
Darunter zeigt Oesterreich, dass hohe Renten nicht mit hohem Renteneintrittsalter korrelieren muessen, was den Artikel in der Welt nahe Fakenews rueckt.

Auch bei online-Medien werden Texte unmittelbar vor Veröffentlichung gerne mal gekürzt, ohne daß der Autor davon erfährt bzw. Gelegenheit erhält, den Artikel daraufhin noch einmal durchzusehen, um so Logikbrüche und auf einmal fehlende Bezüge zu verhindern. Ich tippe darauf, daß das hier auch geschehen ist. Tatsächlich gibt es nämlich Länder, bei denen ein Renteneintrittsalter 70+ absehbar ist bzw. die heutige Gesetzeslage ein solches Renteneintrittsalter für die nähere oder fernere Zukunft vorsieht. Eine Übersicht für die EU:
http://www.etk.fi/en/the-pension-system-2/the-pension-system/international-comparison/retirement-ages/

Auch in dieser Tabelle Renteneintrittsalter ueber 70 kein einziges Land

Vielleicht schaust Du mal auf die riesige Grafik und die darunter liegende Erläuterung zu den Farben.

Hi

Im Text heißt es, immer mehr Länder setzen auf die Rente mit 70. Das ist was anderes als angeben.
So wie du formuliert hast, anheben, würde man tatsächlich vermuten müssen, es gäbe schon allermindestens ein Land mit Rente ab 70. Aber das „setzen auf“ im Text bedeutet „nur“, dass es als interessant empfunden wird.
Und im Link von Christi an sieht man, dass die Praxis in vielen Ländern schon bei über 65 angekommen ist, teilweise deutlich.

Die Franzi

Der reale Unsinn bei allen Überlegungen zu längerer Arbeitszeit besteht doch schon im Ansatz darin, dass man von ausreichend und geeigneten Arbeitsplätzen für die Alten und ausreichend hoch bezahlten Jobs für die Beitragszahler (zwecks Finanzierung) müsste. Dafür bestehen jedoch keine Hinweise. Im Gegenteil.

Wer Verlängerung der Lebensarbeitszeit einfordert, fordert Armut heraus und ein. Das ist ein schlichter Idiot.

Franz

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Und jährlich grüßt sein Murmeltier:

http://www.huffingtonpost.de/2016/05/27/rente-73-prognose-oekonomen_n_10159904.html

Franz

Als bekennender Idiot bin ich der Ansicht, man sollte sich mal den heute handelsüblichen Rentner mit 65, 67, 70 oder 75 anschauen und nicht an die kaputtgearbeiteten Großväter denken, die nach 45 Jahren im Bergwerk oder in der Zinkfabrik wenige Jahre nach dem Renteneintritt in die Grube fuhren - oder ggfs. auch schon früher. Die Rente ist und war auch nie dafür gedacht, den Leuten 20 oder 25 Jahre lang nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsleben Abenteuerreisen nach Australien oder die ein oder andere Free Climbing-Tour durch die 6000er Südamerikas zu finanzieren. Oder anders (und neutraler) formuliert: das Verhältnis zwischen Lebensarbeitszeit und Rentenzeit hat sich in den letzten 50 Jahren dramatisch zugunsten der Rentenzeit verschoben. So schön das auch für den einzelnen ist, so wenig entspricht das dem Grundgedanken der Rente und so wenig hilfreich ist das für die Finanzierbarkeit des Systems.

Punkt 1.

Punkt 2: Nicht jeder Arbeitnehmer ist Dachdecker oder bandscheibengeschädigter Schreibtischarbeitnehmer. Menschen, die auch schon vor Erreichen des gesetzlichen Rentenalters nicht mehr arbeiten können, wird es immer geben, aber sie sind nicht die Regel. Vielmehr scheiden die meisten Menschen gutgelaunt und altersadäquat gesund aus dem Arbeitsleben aus und stellen dann zu einem nicht unwesentlichen Teil eine hochinteressante Kundengruppe für Touristikunternehmen, Luxusgüterhersteller und Gartenbaucenter dar.

Punkt 3: Die Behauptung, ein höheres Rentenalter bedeute mehr Armut, ist nur eine Behauptung.

Punkt 4: Die älteren Mitarbeiter benötigen keine neuen Arbeitsplätze, sondern bleiben auf ihren bisherigen wie gehabt sitzen oder stehen. Und wer ernsthaft behauptet, ein Arbeitnehmer mit 40 oder mehr Jahren Berufserfahrung nimmt jungen Mitarbeitern kurz nach Ende der Ausbildung oder des Studiums einen Arbeitsplatz weg, hat wenig Ahnung von der Realität. Nicht umsonst ist es in vielen Betrieben Usus, erfahrene und gut qualifizierte Mitarbeiter auch nach Renteneintritt über Berater- oder Teilzeitmodelle an das Unternehmen zu binden bzw. junge Mitarbeiter auszubilden.

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Hey, die Farben der Grafik, ja, in 2050 wollen da wirklich welche ueber 70 sein. Hab ich uebersehen. Die Text-Liste gab nur bis 70 her, in Island.
Wer 2050 mit 72 in Rente geht, der ist uebrigens heute unter 40 Jahre alt.
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Wir als Deutschland sollten dennoch nicht Daenemark nacheifern oder gar ueberholen, auch wenn wir immer die besten sein muessen. Manchmal warte ich schon auf den Ausspruch „Rente mit 80“ ist besser als „Rente mit 70“. Alles Gehirnwaesche, irgendwelche Gehirne zu heiss gewaschen.
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Wir sollten Oesterreich nacheifern. Dort sind die Renten hoeher, jetzt schon, und sie haben 65 Jahre Altersgrenze. Irgendwas machen sie besser als wir. Von Oesterreich lernen heisst … Rente lernen.
Gruss Helmut

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Genauso könnte man in den Raum stellen, daß Aruba die schöneren Strände hat als Deutschland und wir dementsprechend Aruba nacheifern müssen. Blöderweise sind die Voraussetzungen ganz andere - und das gilt eben auch für die Rentenversicherung in Österreich:
http://www.daserste.de/information/wirtschaft-boerse/plusminus/sendung/rente-oesterreich-vorbild-deutschland-100.html

Neben dem, was dort dargestellt wird, sollte man - bevor man das österreichische System bejubelt - auch mal klären, ob die Rentenversicherung in Österreich nur Rentner absichert oder - wie in Deutschland - auch in Bereichen leisten muß, die mit den Rentnern nur sehr eingeschränkt zu tun haben.

Woher aber kommt dann das Geld für die immer längere Rentenbezugsdauer her? Das System ist nunmal so angelegt, dass die Einzahler die Rentenbezieher finanzieren. Je eher sich die Einzahler auf die Seite der Bezieher schlagen, umso mehr müssten entweder die Einzahler von ihrem Lohn abführen oder die Bezieher müssten entsprechende Rentenkürzungen hinnehmen.
Dritter Weg wäre wohl eine echte Reform der Rente. Dvon wäre wiederum dann auch die Mehrheit der Bundestagsabgeordneten betroffen. Also passiert das wohl frühestens nach dem Zusammenbruch dieses Systems.

Hallo!

Wozu soll ein festgelegtes Renteneintrittsalter gut sein? Warum für alle das gleiche Renteneintrittsalter, egal ob Möbelträger oder Informatiker? Warum soll nicht jede/r arbeiten, so langer er/sie arbeiten kann und will? Wozu brauchen wir dafür gesetzliche Vorgaben?

Manche Leute sind mit kaum 50 physisch und/oder psychisch am Ende, wollen und können nicht mehr berufstätig sein. Andere sind mit 70 oder 80 topfit, hängen an ihrem Beruf und sehen zum Aufhören keinen Anlass,

Gruß
Wolfgang

Naja, was der Grundgedanke der Rente ist, darüber kann man prächtig streiten. Für mich ist es die Sicherung des Lebensunterhaltes nach einer gewissen Lebensarbeitszeit. Und das System ist finanzierbar, würde finanzierbar bleiben - wenn man sich denn einen Kopf um die Finanzierbarkeit machen würde. Allerdings scheint das nicht gewollt. Lieber möchte man der Finanzbranche ein wenig mehr Spielgeld in die Hand drücken, damit diese dann am Ende der Erwerbszeit per Umlage einen Bruchteil auf die Empfänger umlegt. Und auch das nur in engen Grenzen und unter bestimmten Bedingungen.

Ich kenne genügend Menschen, die ohne schwere körperliche Arbeit auch mit 65 bei weitem nicht mehr so belastbar sind, wie vielleicht mit 40. In meinem Verwandtenkreis geht eine Frau gerade nach 51 Jahren Berufsleben mit 67 in Rente. Mehr als drei Tage halbtags konnte sie zum Schluss nicht mehr arbeiten - trotzdem sie „nur“ am Bürotisch saß.

So lange wohl die Zeit der Beitragszahlung steigt, aber nicht gleichzeitig die Rente, ist das de facto eine Absenkung der Rente. Und nur all zu oft reicht dann die Rente dann nicht zum erträglichen Leben, statt dessen muss die Grundsicherung beantragt werden. Mit dem Geld fällt man häufig unter die Grenze der relativen Armut.

Dass die Realität in vielen Firmen eine andere Sprache spricht, ist Dir aber schon bewusst?!

Und in vielen anderen Unternehmen ist es Usus, 50 bis 60jährige mit goldenem Handschlag zu entlassen, um statt dessen Leiharbeiter für einen Bruchteil des Geldes einzustellen.

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Die Forderung, die versicherungsfremden Leistungen, die man der gesetzlichen Rente und damit den Beitragszahlern in den letzten Jahrzehnten übergeholfen hat, steht ja schon seit Jahren im Raum.

Genau so ist es. Grundproblem: Es wird als „sozial“ wahrgenommen, möglichst früh in Rente gehen zu können. Diese Einstellung vertritt ja offensichtlich auch @Franz_00eeff, dem ich bei diesem Thema widersprechen möchte. Früh in Rente gehen ist nicht sozial. Früh in Rente gehen heißt, trotz teils vorhandener gesundheitlicher und geistiger Fitness aufs alte Eisen geschoben zu werden, nicht mehr gebraucht zu werden.

Ja. Wer säuft oder raucht denn zum Beispiel heute noch? Die Zahlen gehen zurück. Die Arbeitssicherheit wird auch immer besser. Man hat also eine steigende Lebenserwartung.

Wenn Arbeit vorhanden ist, ist das tatsächlich falsch.

Auch richtig. Lustig aber, dass solche Behauptungen aufgestellt werden, während man gleichzeitig den Mindestlohn bejubelt. Der in bestimmten Konstellationen (siehe F, E) die Jugendarbeitslosigkeit fördert.


Kurzum: Ein höheres Renteneintrittsalter ist wünschenswert und sozial. Da sich das mit den Migranten für den Arbeitsmarkt ja mehr oder weniger erledigt hat, ist ein höheres Renteneintrittsalter anzustreben. Außerdem schlage ich vor: Ein soziales Pflichtjahr nicht nur bei 18-jährigen, sondern auch bei Renteneintritt.

Hmmm, stimmt.
Kann es sein, dass der Text editiert wurde? M.E. hab ich den Satz rauskopiert.
Offenbar war dem Redakteur der Widersinn aufgefallen.
Gruß
rakete

Deinen bekannten Zynismus ignorierend…

Das Rentensystem war auch nicht gedacht, die Grundsicherung zusätzlich durch Sozialamt nach einem langjährigen Arbeitsleben überhaupt erst zu ermöglichen.

Selbstverständlich gibt es mittlerweile diverse Studien, die zunehmende Altersarmut belegen


Im unteren Teil des Links übrigens auch Berichte zu Kinderarmut oder Langzeitarbeitslosigkeit.

Darüberhinaus genügt es nicht alleine, Arbeitsplätze zu schaffen, sondern solche, die im Alter eine Grundsicherung garantieren. Nach aktuellem Stand muss ein Mindestlöhner ca. 65 Jahre Vollzeit arbeiten, um dieses Niveau überhaupt zu erreichen. Legt man den deutlich höheren Niedriglohnsatz von 10 EUR zugrunde, dann wird dies nach etwa 55 Jahren Vollzeit-Arbeitszeit der Fall sein. Man beginne mit der Maloche im zarten Alter von etwa 12-15 Jahren…
Der Niedriglohnsektor ist wachsend, mittlerweile betrifft es über 20% der Erwerbstätigen.

Arbeiten und Leben im Niedriglohnsektor bedeutet einerseits, dass Vermögensaufbau so gut wie unmöglich ist. Andererseits wird ein Heer von Niedriglöhnern erforderlich sein, um die in den fetten Jahren erarbeiteten Renten in den nächsten Jahren bezahlen zu können. Wer wird in 20-30 Jahren dann die anstehenden Renten (und Sozialleistungen) dieses Heers bezahlen? Auf welchem Niveau?

Was nun die Arbeitsfähigkeit mit zunehmenden Alter betrifft, lässt die Leistungsfähigkeit (Qualität und Quantität) selbstverständlich nach. Die Arbeit wird für das wirtschaftlich denkende Unternehmen schlicht zu teuer. Das mag in deiner Branche nicht so sehr ins Gewicht fallen, aber es betrifft sicher alle körperlich Tätigen (frag mal im Pflegebereich nach, oder Landwirtschaft, oder Bau, Gastronomie, …). In anderen Bereichen steigen die psychischen Belastungen an: Verfügbarkeit 24/7, unbezahlte Wochenendarbeit, Termindruck, usw.). Der Schnelllebigkeit sind ältere Mitarbeiter spürbar weniger gewachsen, bei jüngeren fehlt oft noch die Routine und Belastbarkeit.
Die Reaktion der Arbeitgeber ist einfach: Leiharbeit, Zeitarbeit, befristete Verträge, Vergabe an Nachunternehmer (häufig Einzelunternehmer in sehr vielen Branchen, mit sehr niedrigem Durchschnittseinkommen und katastrophaler Alterssicherung). Möglichst keine dauerhaften vertraglichen Bindungen eingehen. Man tauscht einfach aus.

http://www.zukunftsentwicklungen.de/wirtschaft.html

Die hier eingangs beschriebene Euphorie zur zukünftigen Arbeitswelt relativiert sich nach und nach im Bericht (zu Ende gedacht?). Im Resümee bleibt eine zunehmend unsichere und sozial klein gehaltene Welt für einen wachsenden Anteil der Erwerbstätigen.

Auf eine Aussage muss ich noch eingehen:

Ich halte es für sicher, dass durch längere Lebensarbeitszeit aufgrund von früherem (krankheits- und sonstigen bedingten) Ausscheiden und ansteigender Langzeitarbeitslosigkeit bei älteren Arbeitnehmern die letzten, und für die Höhe des Renten entscheidenden Jahre, zu vermehrt hohen Abschlägen führen wird. Der Anteil der Armut wird, wenn das Rentensystem nicht grundlegend geändert wird, steigen. In absoluten Zahlen sowieso, prozentual vermutlich auch.

Franz

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Da liegst Du ein wenig daneben.

Ich fordere Solidarität ein. Von denjenigen, denen bestimmte Möglichkeiten gegeben sind, gegenüber denjenigen, deren Möglichkeiten begrenzter sind. Deren Möglichkeiten vielleicht auch durch die Art der Tätigkeit, welche gesellschaftlich ebenso notwendig wie wertvoll ist, eine kürzere Lebensarbeitszeit bedingen.

Solidarität von denjenigen, die sich beispielsweise durch Beitragsbemessungsgrenzen von dem möglichen, im Grunde genommen gerechten Beitrag entziehen.

Solidarität von denjenigen, die 900 Mio Dividende mit minimalem Steuersatz quasi zusätzlich lvergoldet bekommen.

Solidarität von allen dahingehend, dass eine lebenswerte Grundsicherung unabhängig von Alter, Geschlecht, Lebensarbeitszeit, individuellen Möglichkeiten gegeben sein muss, ebenso eine Deckelung jedweder Art von Bezügen.

Franz