Welche Probleme haben Ostdeutsche?

Ist das nicht bei den Schwaben genauso?

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Hallo,
ich finde Deine Fragestellung höchst polemisch. Aber das scheinst Du ja durchaus zu beabsichtigen.

Ich bin zwar Wessi, habe aber „berufsbedingt“ ausgesprochen viel mit „Ostdeutschen“ zu tun. Was man da so aufschnappt, ist keineswegs immer Gejammer. Deshalb finde ich auch den leichtfertigen Umgang mit Pegida und Co. höchst dumm und grob fahrlässig. Aber ich möchte antworten…

„Welche Probleme sind das denn, die die Politiker übersehen?“

-Die Durchschnittsgehälter im Osten sind 25 % niedriger. Vermittel das mal bitte z.B.einem Brandenburger, der im „Speckggürtel“ Berlins gelandet ist.

  • Vermittel oben genanntes mal einem in einem der „neuen hippen gentrifizierten Stadtteile“ Dresdens und Leipzig Wohnungssuchenden
  • Die Arbeitslosenquote ist in den NBL noch immer rund zwei Prozent höher als in Westdeutschland.Was sich so „toll“ anhört, hat einen gewaltigen Haken…:
  • Der Anteil der sog. „Aufstocker“, also H-IV-Bezieher trotz SV-plflichtigem Einkommen (also kein Arbeitsloser i.S. der Statistik) ist im Osten doppelt so hoch wie im Westen.
  • Bei den geringfügig Beschäftigten ist dieser Anteil fast dreimal so hoch wie im Westen! Auch diese tauchen in keiner Arbeitslosenstatistik auf!
  • Die Rentenhöhe gleicht sich zwar mehr und mehr an, blöderweise schafft aber kaum noch einer den „Standardrentner“ und landet in der Grusi, das trifft den Osten deutlich härter wegen vorgenanntem
  • Die „sintflutartigen Überschwemmungen mit Asylsuchenden“ nehmen Ostdeutsche vorallem im Westen wahr! Unterhalte Dich mal mit Monteuren, Arbeitnehmern im Aussendienst u.ä. Menschen, die in den Innenstädten des Ruhrgebiets, Kölns oder Hamburgs tätig sind und wie sie das wahrnehmen. Die kennen diese Verhältnisse aus Weimar, Gotha, Wismar o.ä. nicht und wollen sie auch nicht haben.

„Warum werden Übersiedler aus dem Osten hier im Westen innerhalb von wenigen Wochen zu zufriedenen Menschen?“

Belege das bitte. Die Rückzugsquote steigt seit Jahren an (https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2012-07/ostdeutschland-heimkehr-studie)

Gruß vom
Schnabel

Wenigstens hier im Forum gibt es ein bisschen Frieden!

gaanz einfach…weil sie merken, dass die arroganten Besserwessies in Punkto Allgemeinbildung und Arbeitsmoral weit hinter den Ossies liegen(!)

Moin,

und denkst du, dass viele Menschen im Osten das nicht in Relation setzen können zu den positiven Veränderungen welche die Wende brachte? Denn was du oben beschreibst kam es ja nicht umsonst. Bezahlt wurde mit Freiheit, Zwang und Repressalien.
Und im (gemauerten) Gefängnis gibt es deine o.g. Dinge ja auch nicht.

VG
J~

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Was meinstn Du mit Übersiedler"???
Solche gibt es ja von einem Land in ein anderes Land. Innerhalb eines Landes ist das ja wohl eine falsche Bezeichnung (sieh Duden unter „Ue…“) Ansonsten empfehle ich Dir, erst einmal etwas tiefer zu schürfen, ehe Du Dich über
„Ostdeutsche“ auslässt.

Das scheint aber kein Ostphänomen zu sein


Hi,

wie schon ist Meinungs- und Reisefreiheit, wenn Du keinen Job hast und keinen kriegst, weil es keine gibt, nicht, weil Du nichts kannst? Wenn Du einen guten Job in der DDR hattest, und die Rente im Westen nun grad so für die Miete reicht?
Du darfst Dir auch nicht vorstellen, dass in der DDR 17 Millionen (minus natürlich die Regierung und die Stasiinformanten) tagtäglich verfolgt und von Gfängnis bedroht waren. Viele lebten eben so vor sich hin, unbedroht, und das größte Problem war, dass es eben keine schicken Klamotten gab oder ähnliche Versorgungsprobleme (aber kein Hunger).
Und so gibt und gab es die unterschiedlichsten Mischungen von Leuten. Jemanden, der zur DDR-Zeit Spitzenverdiener war in einer Werft und nach der Wende sofort arbeitslos wurde und nie wieder Arbeit fand, weil er mit 50 zu alt war für eine Umschulung und keiner Jobs in der Werft anbietet. Und der dann noch den ganzen Tag die Wände des Plattenbaus anstarren darf, weil die kulturellen Angebote, die es zu DDR-Zeiten dort gab, mit deem Staat gestorben sind und voin der Bundesrepublik nicht Weitergeführt werden. Umziehen würde er ja, wenn er irgendwo einen Job bekäme, aber wo…
Und jemanden, der zur Wende sehr jung ist und gute Noten hat, gerade erst seinen beruflichen Weg plant, mobil ist, weil er noch keine eigene Familie hat und dann da hinzieht, wo er Arbeit findet.
Und alles dazwischen, mit allen dazugehörigen Abstufungen von Frust und Glück.

die Franzi

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Viel besseres Beispiel: Kein Hamburger (Düsseldorfer, Freiburger, …) ist glücklich, dass seine Rente geringer ist als erwartet, weil ja immerhin 2008 die Weltwirtschaft nicht komplett zusammengebrochen ist.

die Franzi

Moin,

…und zwischen deinen Zeilen lese ich richtig, dass sich diese Menschen zurück sehnen nach ihrem (vermeintlich) goldenen DDR-Käfig wo halt ab und an mal ein paar Nachbarn „verschwunden“ sind, aber das Leben inkl. staatlich korrekter Freizeitgestaltung ja so schön einfach war weil man nicht selbst denken und selbstbestimmt handeln musste, ja?

Und aus diesem Frust die schönen, staatlich erzeugten Notgemeinschaften aufgeben zu müssen und dafür lediglich wertlose Freiheit zu bekommen erwächst dann der Hass „auf alle anderen“ der sich dann am Flüchtlingsthema auskristalisiert?

VG
J~

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Das kann ich nicht beurteilen, da ich keine kenne,

Auch wenn viele auf dem rechten Auge blind waren und sind, wurde das im Westen keineswegs unter den Teppich gekehrt.

Außerdem ging es mir darum, darauf hinzuweisen, dass Rechtsextremismus in den neuen Bundesländern keineswegs, wie gerne behauptet wird, ein West-Import ist, sondern auf eine lange Geschichte zurückblicken kann, deren Wurzeln tief in der DDR-Zeit liegen.

Das galoppierende Rechtsextremismus-Problem, das in den neuen Bundesländern heute auffällt, dürfte nicht zuletzt darin begründet sein, dass in der DDR von Anfang an Faschismus mit Kapitalismus verknüpft und deshalb innerhalb der DDR als nicht existent erklärt wurde. Eine wie auch immer geartete Aufarbeitung der Geschichte des Nationalsozialismus und der entsprechenden Denkstrukturen, die in der Bevölkerung mit dem Kriegsende ja nicht etwa automatisch verschwanden, fand nicht statt. Außerdem war die DDR nur oberflächlich internationalistisch; echte private Kontakte zwischen der einheimischen Bevölkerung und beispielsweise den Fremdarbeiter n fanden kaum statt und waren auch nicht erwünscht.

Nachdem sämtliche rechtsextremen Umtriebe jahrzehntelang als Rowdytum unter dem Teppich gekehrt worden waren, beschäftigte sich die DDR-Führung erstmals Ende der Achtziger, also kurz vor knapp, mit der Sache: etwa 6.000 Neonazis wurden DDR-weit erfasst, davon schätzten wir rund 1.000 als rückfällig dauergewaltbereit ein. Monatlich wurden 1988 bis zu 500 Taten aus diesem Milieu registriert. Darunter auch Gewalttaten aus eindeutig ausländerfeindlichen Motiven. (…) Der Einfluss von Neonazis aus dem Westen konnten wir nicht als „Existenzbedingung“ für rechtsradikale Skinheads ausmachen – im Gegenteil, die Entwicklung erwies sich weitgehend als hausgemacht. Die meisten Neonazis kamen aus der „jungen Arbeiterklasse“, waren gut in Schule, Lehre und Arbeit und stammten aus gutem, ja parteitreuem DDR-Elternhaus. Sie waren zu stabiler, effizienter Organisation und Netzwerkknüpfung fähig und lernten schnell, sich auszubreiten. Diese Neonazis waren nicht nur mit den besonders aktiven und oft brutalen Skinheads verbunden, sondern befanden sich in allen Jugendkulturen und dem Fußballhooliganmilieu. Sie alle einigte ihre Ideologie, auch wenn die Gruppen Unterschiede im Detail aufwiesen. Eine wichtige Erkenntnis war, dass die Neonazigruppen sich auf die staatliche Überwachung und Strafverfolgung eingestellt hatten. Dazu diente das Prinzip der ‚kleinen Gruppe‘, die sich in einem Zellennetzwerk selbsttätig handelnd einfügte. (Hervorhebung durch mich) Da aber nicht sein konnte, was nicht sein durfte, wurden diese Erkenntnisse im Giftschrank verschlossen, und im Wiedervereinigungsjubel und -trubel ging völlig unter, dass gegen Ende der DDR die Zahl der rechtsextrem motivierten Straftaten deutlich zugenommen hatte und sich diese Tendenz danach fortsetzte.

Hallo Sieghild,

ich wollte Dir nicht zu nahe treten. Ich habe folgende Worterklärung:

Übersiedler
Unter einem Übersiedler versteht oder verstand man einen Menschen, der zu Zeiten der deutschen Teilung seinen Wohnsitz von der Deutschen Demokratischen Republik in die Bundesrepublik Deutschland verlegte oder seltener auch in umgekehrter Richtung. Wikipedia

Und mit der Frage in der Headline schürfe ich tiefer.

Schönen Sonntag, Hans-Jürgen Schneider

Hi,

Nein. Nichts davon steht direkt, indirekt oder zwischen den Zeilen.
Ich bin ja selbst Ossi. Ich vermisse gewisse Sachen, will aber deswegen nicht das System wieder.
Das kann aber nicht jeder, weil für jeden die aktuellen Lebensumstände anders sind (um deine Frage zu beantworten)
Und an deinen Vorstellungen von „staatliche verordneter Freizeitgestaltung“ und überhaupt dem konkreten leben in der DDR muss noch viel gearbeitet werden. Im konkreten Alltag gab es viel mehr Freiheit von Politik oder auch nur den Doktrinen, als es sich der durchschnittliche wessi vorstellen kann. In den Schulen gab es nachmittags Sport, Chor, basteln, Nachhilfe, … jeder suchte sich aus, was er wollte. Es wurde auch Disko organisiert. Nachmittags, im Schulgebäude. Schüler als DJ…
Es gab politische pflichtveranstaltungen zur Genüge. Die hat man hinter sich gebracht und dann weitergelebt.
Und es gibt hunderttausende andere Geschichten die sich deutlich oder ein bisschen oder kaum von dem unterscheiden, was ich hier schreibe. Weil auch in der DDR Individuen lebten mit ihren eigenen Erfahrungen, Geschichten und Meinungen. Aber hier diskutieren wir Glück und Unglück und nicht Politik. Aber vielleicht ist das schon ein ost-west-unterschied: dass mir das möglich ist, dem ganzen keine politische Dimension zu geben.
Und übrigend ist es auch in wohnsiedlungen im Westen ein Problem, dass die Leute da eben nur wohnen. Wer es sich leisten kann, geht aus. Das kostet, weil es nicht im gleichen Viertel ist und man reisen muss, oder weil es eintritt kostet oder sonstige Ausgaben verursacht. Wer dich das nicht leisten kann, hockt zuhause rum und …???

Die Franzi

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Nein, das sind im Fall meiner Verwandten und Bekannten hauptsächlich Leute, die in - oftmals bereits vollständig abbezahlten - schmucken Eigenheimen leben.

Du scheinst ja eher darüber verblüfft zu sein, dass die Dinge so preiswert sind. Bei meinen Verwandten ist es aber so, dass sie ständig darüber jammern, wie teuer alles ist - und das, obwohl sie alles andere als arm sind. Ich finde das teilweise wirklich grotesk- als mir die östliche Oma meines Sohnes beispielsweise von ihrer letzten Reise erzählte, erfuhr ich, was die Straßenbahnfahrt kostete, wie teuer der Kaffee war und dass sie lieber in dem italienischen Restaurant gegessen hat, weil das preiswerter war (sie war in Portugal) - nicht aber, was sie sich angeschaut und dort erlebt hat.

Allerdings: Meine Verwandten waren zu DDR-Zeiten sehr priviligiert - die Großeltern meines Sohnes konnten beide in der Sowjetunion studieren, und sein Opa war zeitweise bei der Stasi (nicht als IM, sondern ganz offiziell und in leitender Funktion). Für sie war der Zusammenbruch der DDR wirklich traumatisch, da sie an das System geglaubt hatten - auch wenn sie danach auf die Füße gefallen und recht wohlhabend geworden sind. Und ich vermute stark, dass sie mit diesem Trauma nicht alleine sind, denn bei vielen Menschen dürften - von den Spuren, die ein Aufwachsen in einer Diktatur hinterlässt ganz abgesehen - sich ja sämtliche persönlichen Lebensentwürfe zusammengefaltet haben, was auch dann psychische Folgen hat, wenn das heutige Leben alles andere als schlecht ist.

Das klingt, als sei Diskutieren etwas Schlechtes. :smile_cat:

Ist dann das Problem der Ostdeutschen vielleicht, dass man sie bei der Wiedervereinigung nicht praktisch und emotional aufgefangen hat? Wären „Integrationskurse“ notwendig und sinnvoll gewesen, in denen die BRD erklärt worden wäre und in denen die Leute etwas an die Hand genommen worden wären, um sich in dem neuen Land zurechtzufinden, in dem sie sich unversehens wiederfanden?

:paw_prints:

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Das alles galt aber nur, wenn man sich an das System angepasst hat und quasi stromlinienförmig war. Sobald man irgendwie „anders“ war, eine abweichende Meinung oder Kritik am Staat öffentlich äußerte oder auch nur optisch auffiel, konnte das Leben höchst unangenehm werden. Vor Äonen hatte ich beispielsweise einen Freund, der zu DDR-Zeiten im Gefängnis war, weil er bunte Haare hatte und Punk-Musik hörte - und nein, er war nicht politisch aktiv gewesen.

Aber das hat doch jeder selbst in der Hand - niemand wird daran gehindert, weiterhin Freundschaften zu pflegen.

ich habe allerdings den Verdacht, dass da in der Rückschau vieles schön geredet wird. Es waren eben Zweckgemeinschaften und keine echten Freundschaften.

:paw_prints:

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Um mit Skunk Anansie zu sprechen: Alles ist politisch.

:paw_prints:

Mmmhh, da antwortet Miezekatze vollkommen unaufgeregt und objektiv auf eine Frage. Diese wirklich sehr guten Antworten kann ich zu 100% unterschreiben.
Und dann kommt wieder ein Wessi dahergelaufen und erklärt den Ossis die Welt oder wie ihre Welt war.

Soon

Komm einfach mit nach Leipzig und ich oder @miezekatze machen mit dir einen Rundgang im Nostalgiemuseum. Wir können wahrscheinlich zu jedem Ausstellungsstück Geschichten erzählen, gute und auch nicht so gute.

Du hast es vielleicht nicht mitbekommen, aber ich habe eine ausgedehnte ostdeutsche Verwandtschaft, die ich seit gefühlten Äonen mehrmals im Jahr besuche und mit der ich mich immer wieder über diese und ähnliche DDR-relevante Themen unterhalte. Dass es sich oftmals um reine Zweckgemeinschaften handelte, wird von einigen durchaus erkannt, die eben nicht vergessen haben, dass man sich auch mit Kotzbrocken arrangierte, die Beziehungen hatten.

Ich habe bei dir inzwischen den Eindruck, dass auch nur andeutungsweise kritische Bemerkungen zu diesem Thema automatisch Beißreflexe auslösen.

Die sehr privelegiert war, wie du selber schriebst.

Nein, dieser Eindruck ist falsch. Ich mag es nur nicht, wenn mir Leute mein Leben erklären wollen.
Es waren eben keine Zweckgemeinschaften, sondern Freundschaften. Es gab Zweckgemeinschaften, wenn es darum ging, schwierig erhältliche Sachen zu beschaffen, aber das hatte nix mit Freundschaften zu tun.
Ist übrigens immer noch so, heißt heute halt networking.

Soon

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