Wie ruiniere ich eine Marke…
Hallo torsten,
ein Kommentar zur Historie, der das traurige Debakel der Adam Opel AG (AO)beschreibt.
AO hatte noch in den 80ern den Ruf, solide und preiswerte Autos zu bauen. Wettbewerber war schon immer VW, aber nur dahingehend, dass AO immer versucht hat, VW preislich zu unterbieten.
AO ist eine kleine(!) Tochter von GM, einem bekanntermaßen amerikanischen Konzern, der ebenfalls Produkte herstellt, die wie Autos aussehen, aber für europ. Ansprüche nicht unbedingt Autos sind:wink: D.h. eigentlich prallen hier zwei Welten aufeinander.
Nun begab es sich, dass Anfang der 90er eine Clique aus Amerikanern (L. Hughes), Spaniern (I. Lopez) und schwanzwedelnden Deutschen (P. Hanenberger) bei AO bzw. GME (GM Europe) bzw. GMIO (GM international organization, das sind die unternehmerischen Hierachieebenen von GM, unter denen sich der Vorstand der AO befindet!) das Sagen bekam, die an kurzfristigen Einsparungen interessiert waren. Wie mache ich das? Ich konstruiere billige Lösungen (z.B. Türkonzept), spare an der Verarbeitung (z.B. Verzinkung) und kaufe weltweit beim billigsten ein, egal, ob ich weiß, dass er es kann oder nicht. Und ich setze meine Zulieferer so unter Druck, dass sie selber die billigste (nicht preiswerteste) Lösung wählen.
Wozu führte dies: Die damals auf den Markt gebrachten Fahrzeugen (v.a. Omega B, Vectra B) waren eine einzige Katastrophe, was Qualität angeht. Teile fielen ab, Radkästen rosteten in kürzester Zeit durch, es knirschte und knarzte im ganzen Fahrzeug, das sowieso Jahre lang nach billigem Kunstoff roch. Scheiben rissen, weil das Karosseriekonzept nicht stabil war. Von den Problemen bei Elektronik und im Anstriebsstrang gar nicht zu reden…
Parallel versuchte man, das vorhandene Entwicklungszentrum in Rüsselsheim dazu zu benutzen, für die weltweite Bestrebungen des Konzerns alle Fahrzeuge zu entwickeln. D.h. die 7000 Mitarbeiter dort haben parallel nicht nur Corsa, Astra, Vectra und Omega betreut, sondern zusätzlich noch den asiatischen Markt etc. Dass das die Organisation nicht hergab, war vorhersehbar, wurde aber lange ignoriert. Hier wurde also für den europ. Markt wichtige Kapazität verschwendet, um die GM-Abenteuer in Asien zu retten.
Weiterhin parallel wurden die damals noch bestehende Gewinne abgezogen, um die etwas malad dastehende Konzernmutter zu ernähren. D.h. im Vergleich zum Wettbewerb wurde weniger reinvestiert.
Und zuletzt wechselten in dieser Phase (ab 97) die Vorstandsvorsitzenden (damals in der Regel Amerikaner(!)) im 3 Monatsrhythmus, was den Stellenwert dieser Aufgabe im GM-Konzern zeigt. In der Belegschaft ging bei einem Neuen das Wort um, dass wieder jemand nach Europa strafversetzt wurde.
Was passierte: Irgendwann fiel es den Kunden auf, dass es mit der sprichwörtlichen Qualität der Opel-Fahrzeuge (Opel, der solide) nicht mehr weit her war und sie wandten sich (zurecht!) von der Marke ab. Crash-unsolide VANs aus Amerika, die kurze Zeit hier unter Opel-Logo verkauft wurden und von der Presse zurecht zerrissen wurden, taten ihr übriges.
In dieser Zeit (ab 90) wurde die Marke Opel so sehr vom Management beschädigt, dass es noch mindestens weitere 10 Jahre dauern wird, bis Opel wieder als Automobilhersteller in Europa akzeptiert wird. Wenn Opel solange überlebt…
Was ich erbärmlich finde, ist die jetzt entstehende Argumentation, dass der deutsche Standort und die deutschen Opel-Mitarbeiter zu teuer und nicht flexibel genug seien.
Die Opel-Mitarbeiter ertragen seit Jahren(!) die Streichung von Weihnachtsgeld, sie ertragen den Verzicht auf tarifliche Erhöhungen. Sie ertragen, dass sie immer wieder in Zwangsurlaub geschickt werden, sie haben drastische Standortverkleinerungen (z.B. das neue Werk in Rüs beschäftigt deutlich weniger Menschen, als das alte Werk) über sich ergehen lassen. Sie erleben, dass hochmoderne Werke (Rüsselsheim ist in vielen Bereichen hochmodern!) nicht ausgelastet sind und bekommen gleichzeitig erzählt, dass sie zu teuer produzieren (kein Wunder, bei 60% Auslastung).
Und das alles, weil ein paar Manager der kurzfristigen Gewinne wegen eine Marke bis auf die Knochen ruiniert haben.
Und deshalb machen mich die Kommentare in Bezug auf die Mitarbeiter wütend, denn die Mannschaft von Opel war und ist nicht(!) das Problem. Sie baden seit Jahren überraschend klaglos die durch Managmentfehler notwendig gewordenen Reformen aus.
Und ehrlich gesagt: Wenn das GM-Management jetzt nicht aufpasst, dann wird GM bald keine europäischen Fahrzeuge mehr herstellen. Denn eines sollte man wissen: GM hat es bereits 1x versucht, als GM hier in Europa Fuß zu fassen und ist gnadenlos gescheitert. Stirbt Opel, dann stirbt Europa für GM. Ob das allerdings allen GM-Managern klar ist, bezweifle ich bei der momentanen Diskussion, in der das letzte, wertvolle Gut - nämlich die Mitarbeiter, die auch in schwierigen Zeiten zu dem Unternehmen stehen - leichtfertig riskiert wird.
Denn klar ist auch: Wie die Stimmung bei der Historie bei AO ist, kann sich jeder vorstellen…
Grüße
Jürgen