Die Bedeutung der Gnosis
Sorry, deinen verlinkten Antwort-Artikel hatte ich damals leider übersehen. Kommt nicht mehr vor Ich hole eine Antwort hier aber gerne nach.
Es gibt keine einzige wörtliche Rede Jesu in sämtlichen Evangelien, von der eine Authentizität beweisbar ist.
Danke, genau das sage ich in diesem Brett doch auch schon seit anno dazumal.
In das Joh-Ev sind auch frühgnostische Einflüsse eingegangen. Das ist in der Forschung allgemein anerkannt.
Es ist nicht anerkannt, sondern es ist immer wieder wiederholtes Geschwurbel.
Ich nehme das „allgemein“ zurück, nicht aber das „anerkannt“. Bultmann z.B. leitet vieles im Joh direkt aus der Gnosis ab.
Diese (die gnostischen Mytheme, Ch.) wurden von christlichen Autoren angefeindet, weil sie mit den sich allmählich formierenden christlichen Grundanschauungen im Widerspruch waren, vor allem mit der johanneischen Theologie.
Jein. Manches in Joh harmoniert mit der Gnosis, anderes widerspricht ihr. Die Joh-Stellen „Jetzt geht das Gericht über die Welt; nun wird der Fürst dieser Welt ausgestoßen werden“ und „um die Gerechtigkeit aber, dass ich zum Vater gehe und ihr mich hinfort nicht sehet; um das Gericht, dass der Fürst dieser Welt gerichtet ist“ sind jedenfalls gnostisch, denn sie spielen direkt auf den gnostischen Demiurgen an.
Was du übersiehst: Diese Mytheme verbreiteten sich erst im 2. Jhdt.! Und damit steht das Joh.-Ev. bestenfalls im Anfang dieser „gnostischen“ Mythologie. Von einer Beeinflussung zu reden ist also höchstens in umgekehrter Richtung einer Frage wert.
Nein, ich habe das nicht übersehen. Die konventionelle Datierung des Joh liegt bei 100 bis 120, was reicht, um gnostische Einflüsse anzunehmen – bei späterer Datierung erst recht. Die Anfänge der Gnosis liegen im 1. Jhd., darüber besteht Konsens. Manche Forscher sprechen hier von einer „gnosis in statu nascendi“. z.B. Gerd Lüdemann, der mir das gerade erst persönlich in einer E-mail von seinem Urlaubsort USA mitgeteilt hat. In dieser Korrespondenz ging es um die Frage des Gnosis-Einflusses auf Paulus.
Was die Gnosis betrifft, schreibt Prof. Kurt Rudolph, einer der führenden Gnosis-Experten unserer Tage, in „Die Gnosis“, S. 163:
„Auch das Neue Testament gibt uns dafür Beispiele an die Hand, die zu den frühesten Belegen für diesen bemerkenswerten zweiseitigen Vorgang gehören, nämlich einerseits der Christianisierung gnostischer Vorstellungen, andererseits der Gnostisierung christlicher Auffassungen. Für die Lehre von der Uroffenbarung sei an den Eingang des Johannesevangeliums erinnert, ( Joh. 1,1-5,9-12) wo der «Logos» einen gnostischen Hintergrund zeigt und wohl auch aus einem gnostischen Lied stammt.“
Daß es eine kohärente Denkrichtung (oder wie man das immer bezeichnen mag) namens Gnosis (oder Gnostizismus, der Streit um die Bezeichnung wird nie ein Ende nehmen) gab, ist eine Erfindung des 19. Jhdts.
Und:
Eine Richtung, Schule, gar Religion oder kompakte Weltanschuung namens „Gnosis“ gab es nicht. Das ist vielmehr ein Begriff, mit dem wir heute diese Mythemsammlungen zusammenfassen.
Das sind alles schöne kontroverse Thesen, aber in der Fachwelt auch des 20. und 21. Jahrhunderts sieht man das anders. Leider hat die Vernichtung vieler gnostischer Texte die Wahrnehmung des geschichtlichen Hintergrundes der Gnosis sehr erschwert.
Dennoch weiß man, dass die gnostischen Systeme einigermaßen kohärent sind, d.h. es gibt mehrere wichtige Prinzipien, die den einzelnen Schulen gemeinsam sind. Man kann Gnosis also wissenschaftlich fundiert definieren. Dir scheint die entsprechende Literatur nicht bekannt zu sein, mir ist sie bekannt. Dass es vielleicht keinen zusammenfassenden Oberbegriff gab, sagt nicht aus, dass die ganze Strömung ein unsystematisches und chaotisches Phänomen war. Es sagt nur aus, dass es keine übergeordnete Autorität gab wie z.B. einen Bischof oder gar Papst.
Ohne diese von den Orthodoxen etablierten Ämter gäbe es auch kein systematisches Christentum. Gerade diese Ämter aber stehen in einem extrem schlechten Ruf, u.a. in dem, dass sie die „wahre Lehre“ korrumpiert haben.
Beruhend auf einem Mißverständnis antiker Literaturen. „gnosis“, „Erkenntnis“ war eine Allerweltsvokabel im Sprachgebrauch.
Gemeint war damit im gnostischen Zusammenhang eine Art von Erkenntnis, die vergleichbar sein dürfte mit dem Gegenstand mysterienkultischer Praktiken (Erleuchtung). Wie in jenen Mysterien gab es auch in gnostischen Systemen eine „Arkanpflicht“, also Verpflichtung zur Geheimhaltung der eigentlichen Erleuchtungspraxis. Mit „Allerwelt“ hat der Gnosis-Begriff in diesem Fall also gar nichts zu tun, was dir eigentlich doch auch klar sein dürfte.
es gab noch vielmehr Autoren, die gegen deren „Erkennisse“ zynisch polemisierten. Und diese Autoren haben Schriften „gegen die Gnostiker“ verfaßt, und meinten damit eben diese Leute.
Ja ja, „diese Autoren“. Nehmen wir doch Epiphanius, den Verfasser des „Panarion“. In Ägypten begeisterte er sich zunächst für die Gnosis und war Mitglied einer gnostischen Schule, bis er sich´s anders überlegte und ausstieg, dabei namentlich 80 Mitglieder der Schule an den orthodoxen Bischof verpfeifend, der daraufhin diese Leute exkommunizierte. Im „Panarion“ dichtete Epiphanius den Gnostikern lasterhafte Praktiken an, was ein pure Verleumdung war. Sehr seriös kommen mir solche „Kritiker“ nicht vor.
Was du übersiehst: Diese Mytheme verbreiteten sich erst im 2. Jhdt.! Und damit steht das Joh.-Ev. bestenfalls im Anfang dieser „gnostischen“ Mythologie. Von einer Beeinflussung zu reden ist also höchstens in umgekehrter Richtung einer Frage wert.
Wie gesagt: die Gnosis soll – hier gibt es Konsens – Mitte des 1. Jhds. Entstanden sein. Das lässt einen Einfluss auf Joh zu.
Tatsächlich aber kann man, mit ein wenig Gewalt, den erwähnten und weitverbreiteten Philo Alexandrinus als einen der Ausgangspunkte bestimmter Mytheme interpretieren.
Gewiss. Andere Quellen sind z.B. der Zoroastrismus, die Weisheitstheologie, der mittlere Platonismus und diverse Mysterienkulte.
Chan