Moinmin,
Ich finde deine Meinung hier reichlich einseitig. Du stellst
einem nicht hinterfragenden Gläubigen einen hinterfragenden
Atheisten gegenüber. Warum? Es gibt mindestens genau so viele
hinterfragende Gläubige und nicht hinterfragende Atheisten.
der übliche und von Dir schon fast zu erwartende eristische Kunstgriff Nr. 1, die Erweiterung. Wenn Du Dir diesen Unfug nicht verkneifst, ist diese Diskussion schnell beendet. Dazu ist mir meine Zeit zu schade.
Es geht nicht darum, Gläubigen generell die Bereitschaft oder Fähigkeit zu Hinterfragen abzusprechen. Es geht um die Hinterfragbarkeit des Fundaments religiöser Begründung von Ethik - ihrer Gottgegebenheit - für Gläubige. Wie viele Christen kennst Du denn, die den göttlichen Ursprung des Dekalogs oder der Bergpredigt in Frage stellen?
Wie erklärst du dir dann, dass in einem atheistischen Staat
wie der DDR christliche Gruppen zur Sperspitze beim Einsatz
für Menschen- und Bürgerrechte wurden und zwar häufig unter
Inkaufnahme staatlicher Verfolgung und Benachteiligung?
Ähnliche Bewegungen gibt es in Lateinamerika und asiatischen
Ländern.
Zunächst einmal - die DDR war kein „atheistischer Staat“ sondern ein streng laizistischer. Dass die christlichen Kirchen dazu übergegangen waren, die Ideen der Menschen- und Bürgerrechte zu übernehmen , nachdem ihr zäher Widerstand gegen sie gescheitert war, hatte ich ja geschrieben. Besonders galt dies natürlich in Staaten, in denen diese Menschen- und Bürgerrechte nicht geachtet wurden und zu deren Machthabern die Kirche in Opposition stand, weil ihr dort nicht die gesellschaftspolitische Rolle zugestanden wurde, die ihr nach Überzeugung ihrer Funktionäre gebührt.
Hinzu kam - die SED ließ den Kirchen relativ viel Spielraum. Zum einen wegen der Vorteile, die das für die Überwachung bot und zum Anderen wegen der Ventilfunktion. Die Kirchen boten somit die einzige nennenswerte Möglichkeit, Gruppen außerhalb von staatlichen oder Parteinstitutionen zu organisieren. Mit einer (womöglich überlegenen) christlichen Ethik hatte das alles herzlich wenig zu tun.
Stimmt. Heutzutage gilt es häufig religiös motivierte Werte
gegen den Wert der egonamischen Wohlstandsoptimierung zu
setzen,
Ich vermag nicht wirklich zu sehen, inwiefern die Werte der Ökologiebewegung, der Friedensbewegung, von Attac, von Occupy usw. usf. „religiös motiviert“ sein sollen. Es gibt sicher in diesen sozialen Bewegungen auch religiöse Menschen so gut wie Atheisten oder Agnostiker - zu religiösen oder auch nur von religiösen Werten bestimmten Bewegungen macht sie das nicht.
der Folge eines eben nicht hinterfragten Atheismus
ist, der das Jenseits abgeschafft hat und nur auf Befriedigung
hedonistischer Bedürfnisse im Diesseits setzt.
Diese These scheint mir doch etwas kühn, wenn man sich die historischen Wurzeln der „egomanischen Wohlstandsoptimierung“ anschaut. Auch, wenn der Kapitalismus zweifellos eine durch und durch säkulare Form angenommen hat, so findet man an seinen Wurzeln wahrlich nicht der Atheismus. Max Webers „Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus“ ist da noch immer eine erhellende Lektüre.
„Ethische
Werte“ sind dabei nur dann erwünscht, so lange sie die
hedonistische Gier nicht stören (siehe Auswüchse der
Globalisierung, Finanzwirtschaft, Tierhaltung etc.).
Sicher - aber was hat das mit den ethischen Werten der Aufklärung zu tun? Der moderne Kapitalismus steht mit seiner Herrschaftsmoral in genau demselben Gegensatz zu einer rational begründeten Ethik wie seinerzeit das Herrschaftsbündnis von Thron und Altar.
Es ist völlig unsinnig, hier (wie schon Franz) einen Gegensatz zwischen Atheismus (hat keine Werte) und Religion (bietet Werte) konstruieren zu wollen. Wie ich schon in meinem ersten Beitrag schrieb, lassen sich aus einer atheistischen Grundüberzeugung keine ethischen Werte ableiten, ebensowenig wie aus einer theistischen. Und so gibt es nun einmal ethisch verantwortlich handelnde Atheisten und Atheisten, die unethisch handeln. Genau wie bei Theisten. Ein frommer Jaina wie Anshuman Jain hat kein Problem damit, u.a. für die Vertreibung von 1,4 Millionen Familien in den USA aus ihren Häusern verantwortlich zu sein und damit Milliarden Gewinn zu machen - wofür er von der Deutschen Bank mit der Nachfolge Josef Ackermanns belohnt wird. Zwei Atheisten wie Bill Gates und Warren Buffett spenden über 60 Milliarden $ für karitative Zwecke. Kann es sein, dass beides weder mit Atheismus noch mit Theismus irgend etwas zu tun hat?
Freundliche Grüße,
Ralf