Ich finde die Lapidarität, mit der die Widerspruchslösung diskutiert wird, ganz furchtbar. Es geht einfach bei weitem nicht nur um „da widersprichst du jetzt halt einfach und gut ist“.
Bei der aktiven Sterbehilfe (gleiches Themenfeld) wird in der Diskussion gewöhnlich ein Riesenfass aufgemacht:
- zerstört das Vertrauen in die Ärzteschaft, wenn man rechnen muss, dass …
- ist gegen die Würde des Menschen
- so viele ökonomische Interessen hängen daran
- subtiler Druck, dass man sich frühzeitig vom Acker macht
- wisst ihr noch, die Euthanasie der Nazis?
- usw.
Diese Kontra-Argumente kennen wir alle, und sie haben alle einen Wahrheitskern, auch wenn es gewichtige Pro-Argumente gibt.
Für die Widerspruchslösung gelten diese Argumente genauso, sogar berechtigter, aber da werden sie seltsamerweise kaum vorgebracht.
- Der Organspende-Bereich ist viel mehr geeignet, das Vertrauen in die Ärzteschaft zu erschüttern, wie auch schon jetzt bei der Zustimmungslösung an einigen Skandalen ersichtlich
- ‚lebendige Ausweidung‘ (so kann man das definitiv sehen) … wenn das nicht extrem gegen das Konzept Menschenwürde verstößt, dann kann man das Konzept Menschenwürde komplett in die Tonne kloppen
- am Organspende-Bereich hängt ein Vielfaches an ökonomischen Interessen als am Sterbehilfe-Bereich, weil sich mit Lebenden was verdienen lässt und mit Toten nicht
- subtiler Druck und ‚Bildungsferne‘. Bringen die bildungsfernen Schichten (in puncto Informiertheit, so dass eine echte Entscheidung überhaupt möglich ist) den Widerspruch denn hin? Wann beginnt die erste private Krankenkasse, den Widerspruch in die Beitragsberechnung einfließen zu lassen wie das Rauchen, das Übergewicht, den Sport?
- bei der Sterbehilfe wird so viel Misstrauen dem Staat und seiner künftigen (totalitarisierenden) Entwicklung gegenüber vorgebracht. Ist bei der Organspende der Staat plötzlich ein anderer?
Es geht um das Verhältnis Staat-Staatsbürger und um Selbstbestimmung.
Ohne Zweifel ist dieser Punkt hochgradig betroffen wenn in diesem existentiellen Bereich zwischen Leben und Tod der Staat von „Ja, ich will“ zu „Nein, ich will nicht“ umstellt.
(Threadfrage steht im Titel)
Gruß
F.