Hallo vdmaster,
tut mir leid, dass ich jetzt erst antworte, aber ich war eine Weile außer Gefecht.
mit oder ohne „grano salis“ : Ich fragte nach der Entwicklung
der Durchschnittslöhne zu der Deine Quelle (übrigens eine
maximal seriöse) wenig aussagt. Ich finde nur den Satz
„während die Masseneinkommen stagnierten und die niedrigen
Erbwerbseinkommen gesunken sind“ Letzeres verwundert nicht, da
es immer mehr Billigarbeitsplätze gibt, die aber (oftmals)
wenigstens sozialversicherungspflichtig sind und Personen aus
der Arbeitslosigkeit holten.
Im Anschluss an die Literaturangaben unten findest Du einen grauen Kasten, der mit „weitere Inhalte“ überschrieben ist. Dort findest Du einiges an Zahlen.
Aber und vor allem war ganz allgemein vom „Westen“ die Rede.
Ich glaube nicht, dass man diese Behauptung für bspw.
Westeuropa (um mal die USA herauszunehmen) bzw. die EU
aufstellen kann. Da sprechen diese Zahlen eine andere Sprache:
http://www.eu-info.de/deutsche-europapolitik/umfrage…
„Zu meiner Zeit“ war der Begriff „goldener Westen“ normalerweise ein Synonym für die BRD in Abgrenzung zur DDR, je nach Kontext konnte aber auch mal der ganze „Westen“ im Gegensatz zum Ostblock gemeint sein. Was der UP meinte, weiß ich nicht - der scheint ja seinen Frust etwas undifferenziert rausgehauen zu haben.
Es ist auch nicht verwunderlich, dass D als mit reichster
EU-Staat in der Entwicklung zurückhängt. Andererseits wurde
die Beschäftigtenquote in diesem Zeitraum stark erhöht.
Dass D als reiches Land weniger Luft nach oben hat, scheint eine plausible These zu sein. Warum das weniger Mehr dann aber ungleich auf die verschiedenen Einkommensgruppen verteilt wird, ist eine andere Frage: die Einkommensanteile der untersten 20 % geht von 1992 bis 2011 von 10,1 % auf 9,2 % zurück, die Einkommensanteile der obersten 20 % steigen im gleichen Zeitraum von 34,5 auf 36,6 %. Das hat vermutlich damit zu tun, dass sich der Anstieg der Beschäftigtenquote hauptsächlich im Niedriglohnsektor abspielt.
Dass die Einkommensschere auseinandergeht, ist eine ganz
andere Sache. Das dürfte mit der geringen Besteuerung von u.a.
Aktien zu tun haben *vorsichtig glaub*.
Dazu unten noch was .
Der Mißbrauch von Praktika hat zugenommen, ist rechtswidrig
und es ist die Unbedarftheit der Betroffenen, die dem keinen
Einhalt gebietet. Wo kein Kläger, da kein Beklagter. Oftmals
scheinen hiervon die bildungsfern eren Azubis betroffen zu sein
- ganz nach dem Motto „mit denen kann mans machen“. Das
hieraus ein Schlagwort „Generation Praktikum“ geworden ist,
habe ich noch nicht gehört. Die allgemeine Situation für
werdende Azubis hat sich ebenfalls dramatisch verbessert:
http://statistik.arbeitsagentur.de/Navigation/Statis…
Azubis sind von Praktika eher weniger betroffen, weil Azubis Ausbildungsverträge haben. Darum geht es hier nicht. (Notabene: Das Angebot an Ausbildungsplätzen liegt immer noch unter der Nachfrage. Also: drastisch verbessert: ja! Gut: nein!) Betroffen sind IMHO eher bestimmte Bereiche wie Soziales und Medien, wo Angebot und Nachfrage weit auseinanderklaffen und die potenziellen Arbeitgeber sich ein solches Verhalten erlauben können. Klar: ein Praktikant kann sich gerichtlich gegen illegale Praktiken (sic!) wehren. Ich muss auch nicht bremsen, wenn mir jemand die Vorfahrt nimmt. Auf meinem Grabstein steht dann: „Er hatte Recht!“ Die „Generation Praktikum“ kannst Du übrigens googlen. Es gibt auch einen Wikipedia-Artikel dazu.
Und siehe oben zu Deiner Nachfrage bzgl. meiner ersten
Aussage. Da waren die Zahlen für die EU.
Dito für Deutschland!
Das Ziel von Unternehmen ist es, Gewinne zu machen. Menschen
arbeiten, um ein Auskommen zu haben. Das eine hat mit dem
anderen zunächst einmal nichts zu tun. Es kann aber zu einem
Zielkonflikt kommen. Wenn man das Unternehmensziel als legitim
akzeptiert, sollte man sich über das andere Ziel nicht lustig
machen.
Wir leben nicht in einem kapitalistischen Land, sondern in
einer sozialen Marktwirtschaft. Wäre unser System wirklich
kapitalistisch, dann ginge es hier bedeutend härter zur Sache
(was ich nciht wünsche). Unsere Volksvertreter setzen
Rahmenbedingungen, soweit sie dies für angebracht halten. Aber
auch sie müssen die Marktrealitäten anerkennen, da D keine
autarke Insel ist und auf dem Export massiv angewiesen. Ohne
den extremen Handelsüberschuss wäre das Sozialsystem schon
längst dort wo wir Länder wie Spanien und Griechenland aktuell
sehen.
Okay. Eine Marktwirtschaft lässt sich vergleichsweise einfach definieren, s. z.B. Wikipedia. Hier müssen wir wohl nicht diskutieren. Für den Begriff „Kapitalismus“ gibt es viele Definitionen. Ich verstehe darunter ein originär marktwirtschaftliches System, bei dem nicht mehr alle Marktmechanismen greifen. Sei es durch die Bildung von Kartellen, sei es durch Konzentration auf einige wenige Hersteller, sei es, dass Marktteilnehmer auf andere Weise eine marktbeherrschende Stellung einnehmen. Geld ist ja nicht nur Tauschmittel, in akkumulierter Form ist es auch Machtmittel. Schon die Fugger habe mit geliehenem Geld Kaiser gemacht - und natürlich einen Rückfluss des Invests erwartet. In den USA bracht man für einen Präsidentschaftswahlkampf mehrere hundert Millionen $, wenn ich mich richtig erinnere und die Spender verbinden mit der Spende nicht nur die Hoffnung, dass die Demokratie leben möge. Ich glaube (!) vor einem halben Jahr (?) in der SZ (?) einen Artikel gelesen zu haben, wonach es nach einer Studie in den USA ca. 1000 Familien gibt, die enorme politische Macht auf sich vereinen.
Natürlich haben auch Unternehmen einen großen Einfluss auf die Gestaltung der politischen Rahmenbedingungen. Nicht umsonst konkurrieren Kommunen um die Ansiedlung von Unternehmensstandorten nach dem Motto: Scheiß auf die Gewerbesteuer, Hauptsache Arbeitsplätze. Andere Unternehmen machen ihren Umsatz in D, zahlen aber (keine) Steuern in einem passenden Nachbarland. Die Nichtexistenz einer white oder black list für Pharmaka ist meiner Ansicht nach auch auf das Wirken von Unternehmen zurückzuführen. Wenn TTIP Realität wird, ist ein ganzer Bereich staatlicher Autonomie (Rechtsprechung in Wirtschaftsdingen) dem staatlichen Zugriff entzogen (dazu ein interessanter Artikel in der SZ vom letzten Freitag). Und die zunehmende Automatisierung von Herstellungsprozessen führt dazu, dass die Produktion zunehmend auch komplexerer Produkte global dahin verschoben werden kann, wo die Rahmenbedingungen optimal sind. Und daher denke ich schon, dass ein Trend zum Downsizing des Sozialstaates da ist.
Die These, dass die vorgenannten Punkte (Behauptungen bzgl.
Lohnentwicklung, Schwarzwarbeit) weltweite Gültigkeit hätten,
ist einfach Nonsens.
Natürlich ist das Nonsense. Wie soll es denn in Bangladesh Schwarzarbeit geben? Ohne Lohnnebenkosten gibt es auch keine Schwarzarbeit.
Putzige Hypothese mit der Überbevölkerung. Gut, dass Du
aufgehört, Deine Gedankengänge weiterzuführen.
Ja, da bin ich auch froh. Manchmal trinke ich nur deshalb, um eine Entschuldigung für mein Gefasel zu haben. Das Bevölkerungswachstum in Europa zu Zeiten des Kapitalismus (hier als historischer Begriff), war natürlich ein Zeichen des Erfolgs des Kapitalismus: Die effizientere Wirtschaftsweise hat dazu geführt, dass mehr Leute ernährt werden konnten, dass die Medizin einen Aufschwung nahm, dass die Kindersterblichkeit sank und dergleichen mehr, was man durch freie Ressourcen erreichen kann. Es hat eben nur gedauert, bis den Leuten klar war, dass sie nicht mehr so viele Kinder brauchten, um wenigstens ein paar durchzubringen, die sie im Alter über Wasser hielten. Die Einführung der Rentenversicherung hat dann auch geholfen, das Bevölkerungswachstum wieder einzudämmen. Aber: Als Nebeneffekt gab es in der Zwischenzeit eben auch viele und damit (Markt) billige Arbeitskräfte. Absicht unterstelle ich dabei aber niemandem: so schlau ist keiner, so viel Einfluss hat keiner. Wie gesagt: ich versuche es zu vermeiden, zum Verschwörunstheoretiker zu werden.
Zu Deiner 12./13. Jahrhundert-Theorie bzgl. der Industrie: Da
kannst Du noch ein paar Jahrtausende draufpacken und z.B. die
Arbeitsteilung beim Pyramidenbau ins Feld führen. Einen
Startzeitpunkt wird man letztlich nicht finden, da es eine
langsame Weiterentwicklung über bspw. Manufakturen gab. Ich
habe das 18. jahrhundert genommen, da in diesem die
„industrielle Revolution“ einsetzte.
Du hast natürlich Recht: Alles baut auf dem bereits Vorhandenen auf. Aber die ganze Story wollte ich dann doch nicht erzählen. And ich glaube, dass es im 13. Jahrhundert durch die Verbindung des aristotelischen Wissens mit dem Experiment (Forderungen von Roger oder Francis Bacon [ich verwechsle die immer]) und der zunehmenden Geldwirtschaft zu einem qualitativen Sprung kam. Irgendwo muss man ja den Schnitt machen.
Vielleicht wird die „funktionierende Demokratie“ nicht
unbedingt zu dem von Dir gewünschten Ergebnis führen, aber sie
hat uns seit 1949 (im Gegensatz zu früheren Zeitperioden)
bisher ganz gut über die Runden gebracht.
Vermutlich nicht. Und Dein Argument ist sehr gewichtig. Ich lese gerade das Buch „Grammatik der Freiheit“ von Graf von Kielmannsegg. Der schreibt, dass es zwei Arten der Demokratie gibt: eine Demokratie der Gewißheit, die von Menschenrechten ausgeht, die gewiß sind (siehe z.B. die US-amerikanische Verfassung) und daraus die Demokratie als „Selbstverwaltungsverfahren“ ableitet. Dann gibt es die Demokratie des Zweifels, die auf dem Gedanken gründet, dass politische Probleme sehr komplex sind und daher keiner eine perfekte Antwort hat. Und dass daher das Ringen um das beste Vorgehen und die Ziele in Form eines demokratischen Diskurses am besten organisiert wird. Dann müsste ich noch eine Reihe von Leuten überzeugen.
Als Begründung für die Marktwirtschaft wird immer hervorgehoben, dass der Markt das effizienteste Werkzeug zur Allokation und Distribution von Gütern sei. Das scheint zu stimmen, muss es aber nicht. Aber solange Leute verhungern, frage ich mich, was mit Effizienz gemeint ist. Eines der moralischen Argumente für die Marktwirtschaft ist, dass sie iegendwie Demokratie erzeugt (hat), deshalb ist ja gerade das Beispiel China so interessant derzeit. Ich aber habe im Gegenteil die Befürchtung, dass die Machtkonzentration der großen Konzerne in Verbindung mit der Möglichkeit, global zu agieren, zu ernsten Problemen der Demokratien führen wird.
Grüße, Thomas