Diese Antwort wundert mich, weil es z.B. bei Wikipedia zum
Stichwort
„Reproduzierbarkeit“ heißt: „Ein Experiment gilt erst als
erfolgreich, wenn es von einer unabhängigen Instanz
nachvollzogen worden ist.“
Das ist das Ideal. Die Wirklichkeit sieht leider! anders aus.
Würde man in diesem Beispiel auch sagen „sind nicht
reproduziert“, wenn es noch gar keine Überprüfungsstudien
gegeben hätte?
Ja.
Ich dachte, das wäre generell so in den Naturwissenschaften,
dass alles, was von einer gewissen Relevanz ist, nachgeprüft
wird.
Das ist schon so, aber eher indirekt. In der Grundlagenforschung ist es meist so, dass viele unterschiedliche Experimente gemacht werden, die alle das selbe Problem aus unterschiedlichen Richtungen angehen. Es ergibt sich ein ganzes Mosaik an Ergebnissen, die eben gut oder nicht so gut zueinanderpassen. Ist ein solches gut zusammenpassendes Mosaik an Ergebnissen erstmal veröffentlicht, dann ist es wenigstes von Fachleuten auf Plausibilität geprüft worden und es wurde versucht, wichtige noch fehlende Mosaiksteinchen und Kontrollexperimente zu identifizieren und nachzufordern („Reviewing“). Ist es dann publiziert und überzeugend, werden viele andere Arbeitsgruppen weitere Studien auf diesen Befunden aufbauen. Wenn die Ergebnisse korrekt waren, werden auch einige Arbeitsgruppen erfolgreich sein und ihre Ergebnisse publizieren - im Zusammenhang und unter Zitation der zugrundeliegenden Arbeit. Man wird also beim Literaturstudium recht schnell feststellen, ob eine Arbeit einen „impact“ auf die weitere Forschung hatte oder nicht.
Kann man zumindest davon ausgehen, dass bei politisch
relevanten Fragen (z.B. Mobilfunk und Hirntumore, AKWs und
Leukämie) die Experimente nachgestellt werden?
Meiner Kenntnis nach gibt es keine 1:1-Nachstellungen. Vielmehr werden Evidenzen von verschiedenen (unterschiedlichen) Studien gesammelt. Es gibt ein eigenes Fachgebiet der Metaanalyse von Studien, das sich damit beschäftigt, Ergebnisse aus unterschiedlichen Studien zusammenzuführen und zu bewerten.
Nein, die Zeiten, wo
wissenschaftliche Ergebnisse ernsthaft überprüft werden, sind
vorbei. Arbeitsgruppen, die auf dem gleichen Gebiet arbeiten,
stehen vor einem Problem, wenn sie wirklich versuchen, die
bereits publizierten Ergebnisse zu prüfen: Entweder es
bestätigt sich, dann kann man die Ergebnisse nicht
publizieren, weil es ja schon publiziert ist
Warum denn? Man kann doch einfach schreiben, dass man dasselbe
gemacht hat und dieselben Ergebnisse rauskamen. Das ist
vielleicht nicht sehr spannend oder aufregend,
Eine wissenschaftliche Arbeit lebt davon, welchen „impact“ sie hat. Der Impact wird gemessen an der Zahl der Zitationen durch andere Arbeiten. Eine Arbeit, die nur ein schon bekanntes Ergebnis bestätigt wird als solche nicht oft zietiert werden und hat entsprechend wenig Impact. Das ist also nicht lukrativ, und zwar im wörtlichen Sinne, denn bei Verhandlungen zu Forschungsförderungen und Professuren geht es genau darum: Viel Impact = viel Geld bzw. wenig Impact = kein Geld / keine Stelle.
aber doch
trotzdem eine Information, die einen Wert hat, nämlich eben
die Bestätigung der Ergebnisse.
Ich stimme Dir voll zu, wie wahrscheinlich jeder Wissenschaftler. Das steht ganz außer Frage. Dieser Wert ist aber leider rein akademisch und nicht monetär (das liegt am System).
Wie war das denn früher, als die Überprüfung noch üblich war?
Wenn du die exakte Wiederholung meinst: War sie das jemals?
oder es
bestätigt sich nicht, dann hat man keine eigenen Ergebnisse
(„geht nicht“ ist i.d.R. kein akzeptables Ergebnis) und kann
das auch nicht publizieren. Eine Möglichkeit besteht nur: Wenn
eine Arbeitsgruppe experimentell nachweisen und begründen
kann, warum ein vorher publiziertes Ergebnis falsch sein muss.
Wo ist denn der Unterschied zischen „geht bei uns nicht so,
wie die das gemacht haben, kriegen andere Ergebnisse“ und
„experimentell nachweisen, dass das publizierte Ergebnis
falsch sein muss“?
Der Übergang ist fließend. Ersteres ist in Bezug auf die vorige Arbeit nur beschreibend. Letzteres erfordert andere Experimente, die eben Aufschluß darüber geben, warum genau die publizierten Ergebnisse falsch sind.
Und warum muss man begründen, dass es nicht
gehen kann? Liegt die Beweislast nicht beim Vorgänger, der ja
was behauptet?
Das ist schwierig zu beantworten. Die Arbeit ist ja geprüft worden, und während dieser Prüfung hatten die Autoren ja auch die volle und alleinige Beweislast. Wird die Arbeit veröffentlicht, dann hat sie diese Prüfung ja bestanden. Eine Publikation, deren Quintessenz ist „Die Autoren X und Y haben Bockmist gebaut, und die Reviewer der Zeitschrift Z haben geschlampt“ kommt in der scientific community nicht wirklich gut an. Wer sich viele Feinde macht, hat viel Ehr’, aber auch leidlich Not, nochmal ein Forschungsantrag bewilligt oder eine Publikation positiv begutachtet zu bekommen…
Leider sind Wissenschaftler auch nur Menschen. Das tolle an der Wissenschaft ist, dass sie trotzdem ganz gut funktioniert.
VG