Wie geht's weiter mit dem Türkei-Deal?

Ergänzend zur vorangegangenen Frage, die sich primär auf die Flucht der eigenen Bevölkerung aus der Türkei bezieht, steht aktuell auch wieder der sogenannte Flüchtlingsdeal im Fokus: Ist der Flüchtlingsdeal mit der Türkei noch haltbar? Darüber muss gestritten werden - aber Angela Merkel verweigert die Debatte.

Der Autor fordert eine Art Eingeständnis, dass man an dem Deal festhalten möge, während man gleichzeitig die Kritik an RTE aufrechterhalten solle: Ja, Erdogan ist ein Schurke, aber wir brauchen ihn: So ungefähr hätte das wohl bei Sozialdemokrat Schmidt geklungen. Die Bundesregierung aber vermeidet dieses Eingeständnis - und schadet damit nicht nur ihrer eigenen Glaubwürdigkeit, sondern dem Vertrauen in die Redlichkeit und Transparenz von Regierungshandeln insgesamt.

Was als „einfache Antwort“ der AfD bezeichnet wird, scheint sich immer mehr zu bewahrheiten: Man hätte die nationalen Grenzen schützen müssen. Das war schon damals absehbar, schließlich gab es selbst bei funktionierender Schließung der Balkanroute wenig Hoffnung, andere Fluchtrouten ebenso versperren zu können. Heute erscheint es drängender denn je. Oder was soll der „Plan B“ sein?

Die Schließung der nationalen Grenzen war und ist notwendig. Besser wäre es, gleich auf das australische System umzustellen. Das fordert auch Kurz: In diese sensible Gemengelage platzt ein Vorschlag aus Österreich, die EU müsse ihre Asylpolitik grundsätzlich neu überdenken - und sich dabei stärker an Australien orientieren. Dort ist die Zahl der Bootsflüchtlinge in den vergangenen Jahren praktisch auf null zurückgegangen.

Interessant finde ich auch hier wieder die Tendenz des Spiegel-Artikel: Zwar ist das Modell offenbar höchst erfolgreich. Es kommt aber für Europa nicht in Frage, weil „der moralische Preis zu hoch“ sei.

Aber was ist an dem Modell falsch? Alle Boote werden zurückgeschickt. Wer einen Asylantrag stellen will, kommt in eine Einrichtung außerhalb des Landes und wird dort versorgt. Menschen, die als Flüchtlinge anerkannt werden, werden in Drittländer umgesiedelt, mit denen Australien entsprechende Abkommen getroffen hat.

Dem Totschlagsargument, das Modell komme „aus moralischen Gründen“ nicht in Frage, kann ich nicht folgen. Wer tatsächlich politisch verfolgt wird oder aus anderen Gründen mit dem Tode bedroht ist, wird auch in einem Drittstaat froh sein, eine sichere Unterkunft zu erhalten. Natürlich muss die Unterbringung dort europäischen, menschenwürdigen Standards genügen, aber das ließe sich durch regelmäßige Kontrollen, ärztliche Versorgung usw. sicherstellen.

Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass es kein Anrecht auf Aufnahme in einem bestimmten Land (Australien, respektive Deutschland) gibt, halte ich Kurz’ Ansatz für durchaus positiv.

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Hallo,

die unangenehmen Details zum „Australischen Modell“ lässt du sicherheitshalber weg?

Zum Beispiel, dass das rechtlich alles andere als sauber ist:

Oder das die Zustände dort so sind, das die Leute Selbstmord begehen:

Mit so einer NIMBY-Einstellung lebt es sich aber bestimmt leichter, das muss angenehm sein.

Gruß,
Steve

Ja, so denken manche halt. Konzentrieren wir uns lieber auf die die angenehmen Dinge, auf die Verstümmelten von Würzburg und den leider missglückten Anschlag von Ansbach. Auf die beruhigenden Nicht-Bestätigungen des bayerischen Innenministeriums und die hoffnungsvolle Nicht-Erreichbarkeit der Generalbundesstaatsanwaltschaft für eine Stellungnahme.

Den Unterschied zwischen Selbsttötung und Tötung anderer lassen wir außen vor, könnte ja zu noch mehr Verunsicherung führen.

Wie sehen denn deine konkreten Vorschläge aus zum Schutz des Lebens Unschuldiger?

Franz

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Zum einen sehe ich es ähnlich wie Frank. Niemand ist verpflichtet, sich selbst zum Schutz anderer in Gefahr zu bringen. Und eine unkontrollierte Zuwanderung stellt ohne Zweifel eine Gefahr dar.

Zum anderen glaube ich, dass du mit deiner Kritik gar nicht unbedingt das Modell an sich, sondern maximal die Umsetzung treffen kannst. Natürlich muss es eine saubere rechtliche Basis geben. Aber diese ließe sich herstellen, und bloß, weil sich Merkel & Co. weigern, heißt das nicht, dass sich das im Rahmen der demokratischen Prozesse durch andere politische Kräfte realisieren ließe. Zum anderen muss natürlich die Unterbringung in einem Drittstaat - wie bereits ausdrücklich geschrieben - menschenwürdigen Ansprüchen genügen und regelmäßig kontrolliert werden. Aber allein der Umstand, dass jemand nicht im Wunschland Deutschland, sondern woanders sicher unterkommt, spricht nicht dagegen.

Es geht primär um den Anreiz. Migration nach Deutschland respektive Australien stellt keine Perspektive dar, wenn man mal das Potenzial an Flüchtlingen betrachtet, das in den nächsten Jahren durchaus in die hunderte Millionen gehen kann.

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Das Konzept von Terror ist ja, dass es dagegen keinen Schutz gibt. Nimmt man den Leuten am Flughafen die Nagelfeilen weg, fahren die Verrückten halt einen Laster in eine Menschenmenge.

Genau so wenig erklärt wird aber, wie „Grenzen schließen“ hilft. Dann stehen also 100.000 Leute an einem Grenzübergang wie Idomeni. Das ist dann gut? Und wie lange bleibt das dann friedlich, wenn die Anzahl weiter steigt?

Es gibt keinen goldenen Weg, dieses Problem zu lösen, auch wenn der australische Weg hier so dargestellt wurde.

Gruß,
Steve

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Unserer Regierung zufolge mit einem Griff in die Kassen:

Aus den freien Mitteln sollen den Kassen laut Kabinett „einmalig 1,5 Milliarden Euro aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds zugeführt“ werden. Mit dem Geld würden Mehrbelastungen zur Gesundheitsversorgung von Asylberechtigten finanziert.

Ich meinte natürlich Franz.

Der „goldene Weg“ liegt immer darin, Risiken zu minimieren. Irgendwelche Risiken oder Opfer wird es möglicherweise dennoch geben. Der grundsätzliche Ansatz besteht für mich daher sehr einfach im Folgenden:

Wenn Betroffene unter sich Chaos auslösen, ist das ausschließlich deren Angelegenheit (Idomeni). Wenn sie unter anderen Chaos auslösen, dann haben diese anderen durchaus Anspruch auf Schutz mit entsprechenden Maßnahmen und durch diejenigen, die sie dafür ausgewählt haben (Australien).

Die „Verteilung“ von Risiken, ähnlich einer Epidemie, welche sich dann ausbreiten und vermehren, ist nur kontraproduktiv und stärkt das Risikopotential.

Franz

Wo ist das Problem? Weder im Artikel 14 der Erklärung der Menschenrechte noch in der GFK ist davon die Rede wo das Verfahren stattzufinden hat, nur dass es stattzufinden hat. Wenn Deutschland nun ein Abkommen mit St. Helena unterzeichnet dass dort Anträge nach deutschem Recht bearbeitet werden dann ist das m.E. (völker)rechtlich in Ordnung. Niemand verlangt dass die Bearbeitung auf deutschem Boden stattzufinden hat.

Dass sich in Australien die Grünen und Menschenrechtsgruppen darüber echauffieren dass die Verfahren in PNG (nach australischem Recht) stattfinden sollte nicht weiter verwundern.

Wo blieb dein Protest gegen die Zustände in Hamburg? http://www.stern.de/politik/deutschland/zwei-fluechtlinge-in-hamburg-begehen-suizid-6807178.html

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Der Türkei deal war und ist eine verlogene Totgeburt.

Was spricht denn (völker)rechtlich dagegen Asylverfahren bereits im Fluchtland durchzuführen? Vor diesem Hintergrund wäre das Australische Modell eine echte Möglichkeit die Kriese in den Griff zu bekommen.

Selbst aus humanitären Gründen wäre dieses Modell eine echte Alternative. Binnen kurzer Zeit wäre dieses Vorgehen sogar in der hintersten Ecke der Fluchtländer bekannt. Ergebnis: Gegen Null gehende Versuche das Mittelmeer zu queren. Resultat: Ertrunkene Flüchtlinge würden der Vergangenheit angehören.
Leider wird das aber ein Wunschdenken bleiben.

Hallo,

in einer früheren Version des Artikels stand (sofern mich mein Erinnerungsvermögen nicht trübt) nicht

Zur Erinnerung: Die Europäische Union bezahlt Milliarden Euro dafür, dass in der Türkei die Lebensbedingungen in den Flüchtlingslagern verbessert werden.

sondern sinngemäß, dass die EU Mrd. an die TÜR für den Deal zahle. Ohne jeglichen Bezug zur Verwendung des Geldes. Die Wahrheit aber ist, dass die EU die Projekte selbst direkt finanziert und die TÜR keinen Cent von diesen Mrd. sieht.

Darüber äußert sich der Autor von SPON nicht.

Eine Selbstverbrennung in der Öfftl. ist ein politischer Akt (incl. [möglicherweise tödlich endender] Selbstaufopferung). Es ist noch lange kein Beweis dafür, dass Zustände (real) „irgendwie“ sind, schon gar nicht „so“. https://de.wikipedia.org/wiki/Selbstverbrennung#F.C3.A4lle_in_Deutschland

Den Internierten steht es nach meinem Kenntnisstand frei, in ihr Heimatland zurückzugehen. Und der austral. Vertreter sieht das ebenso

Mr Dutton said refugees at Manus Island could resettle in PNG and those whose claims were rejected should return to their country of origin.

Gruß
vdmaster

Artikel 14 schreibt nicht einmal die eine Prüfung durch einen anderen Staat vor. Sie sieht es lediglich als Recht eines Menschen an, das eigene zu verlassen. An der Grenze endet dann dieses Menschenrecht bereits.

Die GFK stellt es ebenso frei, den Rechtsstatus „Flüchtling“ zu gewähren oder nicht. Sie verbietet nur die Rückführung von Menschen in das Herkunftsland, falls dort weitere Verfolgung droht.

Gruß
vdmaster

Die Einzelheiten kenne ich nicht so genau. Es dürften aber vermutlich türkische Mitarbeiter sein, die dann in den Projekten Beschäftigung finden. In der strukturschwachen Osttürkei dürfte das kein unerheblicher Faktor sein.

Das könnte auch bei einer Übertragung des australischen Modells so sein: In dem sicheren Drittstaat beschäftigt Deutschland einheimische Betreuer, Sicherheitskräfte, Ärzte usw. Das alles auf vertraglicher Basis, während Deutschland regelmäßig kontrolliert.

Alle „Gutmenschen“ (gerne wähle ich auch einen besseren Begriff) betonen doch immer, dass man den Verfolgten helfen müsse und gleichzeitig die Fluchtursachen bekämpfen müsse. Das hätte man beides erreicht: Sichere Unterbringung in einem Drittstaat, Hauptfluchtursache (wirtschaftliche Anreize, nach Deutschland zu kommen), fielen weg. Damit gäbe es auch weniger abenteuerliche Bootsreisen über das Mittelmeer.

Warum nur wehren sich die „Gutmenschen“ so sehr dagegen (siehe oben)? Sie wollen persönlich an dem undifferenziert ankommenden Teil der Menschen beweisen, wie tolerant sie sind. Sie könnten sich nicht so gut als „Menschenfreund“ präsentieren, wären die Menschen woanders sicher untergebracht.

Das scheint mittlerweile das Problem vieler zu sein einzusehen dass es einfach kein Anrecht auf Asyl/Schutz in einem bestimmten Land gibt.

Ist aber auch schwierig zu verstehen wenn man manchen deutschen Politikern und Medien so zuhört. Da könnte man fast denken es sein ein absolutes Menschenrecht Aufnahme in Deutschland mit Wohnung, KV und Transferleistungen zu erhalten.

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Es wird die verschiedensten Mischformen unterschiedlichster Motive sein, die ich mit der Auflistung weder als richtig oder falsch bewerte:

(A) Nur in D sind die Flüchtlinge wirklich sicher
(B) Nur D ist reich genug, um „Perspektiven“ zu bieten
© Nur in D kann ich mich direkt um die Flüchtlinge kümmern
(D) Nur in D habe ich weiteren pol. Einfluss auf die Flüchtlinge
(E) Die erste Welt hat das Übel selbst verursacht, weswegen sie jetzt die Verantwortung übernehmen soll
(F) Nur durch „Buntifizierung“ Ds wird D besser
(G) So kann ich mein Karma/Ansehen/innere Leere aufbessern, den Geboten meines Gottes folgen
(H) D muss als Nationalstaat vernichtet werden
(I) Globale Freizügigkeit für alle
(J) Wir bekommen langfristig neue Wähler
(K) Wir bekommen kurzfristig billige Arbeiter
(L) Wir bekommen langfristig Facharbeiter (damit die Aktien/Unternehmen keinen Wert verlieren)
(M) Wir bekommen langfristig (hypothetische) Einzahler in die Sozialsysteme
(N) Die Lebensverhältnisse in Lagern sind per se unzumutbar/unmenschlich

Gruß
vdmaster

Und was hat das alles mit dem Urteil des Obersten Gerichts zu tun?

Wow, du hast noch weniger menschliches Mitgefühl, als ich für möglich gehalten hätte.

Vielen „Dank“ für dieses völlig unsachliche „Argument“

Du hast hier zwei Punkte eingebracht. Einen davon hast Du so zusammenhanglos präsentiert, als würde er unzumutbare Zustände belegen. Wenn aber eine Selbstverbrennung bereits Unzumutbarkeit beweisen würde: Wo war diese Unzumutbarkeit in den Fällen von Selbstverbrennung in D? Oder vor einigen Wochen in Idomeni?

Und das Urteil des obersten Gerichts in PNG hat die Internierung für illegal erklärt. So what? http://www.abc.net.au/news/2016-05-12/png-authorities-say-manus-refugees-no-longer-in-detention/7407826

Die australischen Stellen hätten bereits vorher jeden ihres Weges ziehen lassen. PNG wollte sie bislang - auch nicht vorübergehend - ausserhalb des Camps auf eig. Territorium haben. Damit verbleiben hypothetisch noch 98% der sonstigen Landmasse dieses Planeten. Australien hätte die Flugkosten übernommen und jedem auch noch einen (für dortige Verhältnisse) extrem dicken Scheck in die Hand gedrückt.

Der Rest ist geltendes, internationales Recht und von der GFK gestützt. Kein Land wird verpflichtet, einen Flüchtling aufzunehmen. Punktum. Wem es nicht passt, der werde australischer Staatsbürger und wähle eine andere Regierung.

Was die meisten nicht wissen dürften: Australien setzt jährlich feste Quoten fest, nach denen sie derzeit ausschliesslich Flüchtlinge über Umsiedlungsprogramme des UNHCR aufnehmen. Alle anderen bleiben draussen. Zusätzlich zu den 13.750 pro Jahr wurde in 2015 ein weiteres Kontingent speziell für 12.000 Syrer eröffnet.

Gruß
vdmaster

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Viel. Das oberste Gericht von PNG sagt das Lager auf Manus Island (welches zu PNG gehört) sei „illegal“ und soll geschlossen werden. Das heisst aber nicht dass das Vorgehen Australiens grundsätzlich illegal ist. Nauru z.B. hat mit der Thematik seit 2001 offensichtlich kein Problem. -> https://en.wikipedia.org/wiki/Nauru_Regional_Processing_Centre