Wie genau erleichtert der Familiennachzug die Integration?

Hallo zusammen,
die Thematik ist doch recht umstritten. Ich kann dem Argument „wer seine Familie um sich hat, integriert sich leichter!“ so nicht ganz folgen.

Dafür möge mir bitte jemand erklären, was genau in diesem Zusammenhang „Integration“ bedeutet. Für mich ist es die Übernahme von Werten.

Allerdings gab es hier auch mal einen Thread, wo über die „Integrationsanforderungen an Migranten und Flüchtlinge“ diskutiert wurde und ungefähr jeder Punkt, wie z.B.

…sollte sich für die Rechte von Homosexuellen einsetzen!
…sollte sich für Frauenrechte stark machen!
…sollte das Existentecht israels anerkennen!

wurde mit

„Nö, das muss man als Deutscher auch nicht!“ gekontert.

Ich möchte an dieser Stelle gar keine Unterstützung von denen erhalten, die dem Argument ebenso kritsich gegenüber stehen. Ich möchte aber den Befürwortern mal Gelegenheit einräumen, mir das etwas genauer zu erläutern. Vielleicht bin ich mit det „Übernahme von Werten“ ja auch auf dem Holzweg und Integration bedeutet in diesem Zusammenhang etwas ganz anderes. Aber trotzdem möge man das Argument „Familiennachzug erleichtert die Integration“ mal genauer ausführen, sofern man es denn an sich überhaupt für korrekt hält.

T.

Stell dir einmal vor, dass du eine gefährliche Flucht auf dich genommen hast, weil du die berechtigte Hoffnung hattest, dass du deine in einem Flüchtlingslager verbliebene Familie auf einem sicheren Weg nachholen kannst.

Stell dir weiterhin vor, dass du deine Frau und deine Kinder liebst.

So, und jetzt stell dir vor, dass du deine Familie nicht nachholen kannst, mithin also befürchten musst, sie niemals wieder zu sehen, und dass dir deine Frau beispielsweise berichtet, dass sie aufgrund der schlechten Lebensmittelversorgung hungert, damit wenigstens die Kinder etwas zu essen haben, oder dass eines deiner Kinder schwer krank ist, es aber keine Medikamente gibt.

Meinst du, dass du dich unter diesen Umständen auf deinen Sprachkurs oder deine Arbeit konzentrieren könntest?

:paw_prints:

Ich will nur darauf hinweisen, dass es auch ebenso glaubhafte „Theorien“ gibt, nach denen der Familiennachzug die Integration verhindert und die Herausbildung von Parallelgesellschaften fördert.

Und … ja, das ist alles Glaubensfrage. Ebenso wenig „bewiesen“ oder „belegt“ wie der Vorteil von Gesamtschulen oder eben dem dreistufigen Schulsystem.

Hallo,

ich bin (Überraschung!) nicht der Ansicht, das der Familiennachzug die Integration erleichtert, im Gegenteil. Der Druck, sich anzupassen, sinkt mit jedem Landsmann, der mehr hier ist. Darüber hinaus halte ich das ständige Beschwören der Integration für eine Nebelkerze ala „nu hab ma keine Angst, du dumme Kartoffel, die integrieren sich ja“, wobei die Integrationspropagandisten sehr wahrscheinlich selber wissen, das ein Prozess, der den Namen Integration verdient, nie eintreten wird, schon allein deshalb, weil er von eben diesen Propagandisten gar nicht gewollt ist. Die drastische Veränderung, auf die KGE sich ja so freut, würde ja nur sehr begrenzt eintreten, würden sich die Ankömmlige tatsächlich integrieren.

Gruss Goetz

Jemand, der sich mit seiner Familie an einem neuen Ort niederläßt, der will sich da ja eine dauerhafte Existenz für sich und seine Familie aufbauen. Dazu gehört dann auch Aufbau einer beruflichen Perspektive, Schulbesuch der Kinder, Sprache, Kontakt zu den Nachbarn, Vermeiden von Gefängnisaufenthalten etc. Jemand, der nur vorübergehend hier ist, der versucht ein bisschen was zu verdienen, um seine Familie zuhause zu unterstützen und vielleicht ein bisschen Startkapital anzusparen, damit er sich zuhause nach seiner Rückkehr etwas aufbauen kann. Alles andere wird nur wenig interessieren. Es hängt also an der Bleibeperspektive. Und bleiben wollen die meisten Menschen dauerhaft da, wo ihre Familie ist.

Allerdings beantwortet das nicht die Frage, warum man denjenigen, die nur vorübergehend hier bleiben sollen, das dauerhafte Bleiben schmackhaft machen soll. Ich vermute, hier wird am eigentlichen Thema vorbeidiskutiert: Wollen wir Einwanderung unabhängig von Arbeitsmarkterforderdernissen zulassen oder nicht? Dazu sollte man einmal einen gesellschaftlichen Konsens herbeiführen, statt auf Nebenkriegsschauplätzen Scharmützel zu führen.

Leider fehlt den Politikern der Mut, klare Positionen zu beziehen, zumindest den Politikern außerhalb der Ränder des politischen Spektrums. Deswegen verkaufen sie lieber das Wahlvolk für blöd, indem sie am Thema vorbei reden und darauf hoffen, dass es keiner merkt. Das Wahlvolk belohnt diese Strategien und wählt die Protagonisten dieses Verhaltensmuster in die verantwortlichen Positionen, und damit verfestigt sich das. In der Demokratie erhält das Wahlvolk eben das, was es will!

Warum „berechtigt“? Hoffnung lasse ich gelten! Aber „berechtigt“?
Wer hat die „Berechtigte Hoffnung“ erweckt? Der Schlepper?

Also dient der Familiennachzug der Leistungssteigerung bei der Arbeit? Das ist für mich sicherlich nicht der wichtigste Aspekt der Integration.
Und wenn erstmal kranke Kinder da sind ist vielleicht auch weniger Zeit für einen Sprachkurs?!

…ich schätze Deine Beiträge aber genau die Diskussion „ja oder nein“ würde ich gerne vermeiden. das ufert mit Sicherheit aus! :smile:

…ein interessanter Beitrag aber genau die Diskussion „ja oder nein“ würde ich gerne vermeiden. das ufert mit Sicherheit aus! :smile:

wasisndas?

Ich wollte nur darauf hinweise, dass keine der beiden Seiten (über das eig. Dogma [besseren Falles: guten Glauben] hinausgehend) brauchbares Wissen wird vermitteln können. :wink:

2 Like

Das ist der wandelnde evang. Kirchentag

Naja, das Erlernen der Sprache ist aber der erste Schritt auf den Weg in die Integration. Die Sprachkurse werden über die Arbeitslosenversicherung finanziert und kosten eine Menge Geld. Ich finde es schade, dass diese Kurse so schlecht besucht sind. Ich kann mir nicht vorstellen, dass alle Flüchtlinge wegen Sorgen um ihre Familie nicht lernen können.
Ich bin in der Erwachsenenbildung tätig und habe sehr viel mit traurigen Biographien zu tun. Alleinerziehend, kein Unterhalt, Insolvenz usw., viele Kunden vom Jobcenter. Die haben auch eine Menge Igel zu kämmen, sind aber trotzdem meist mit viel Enthusiasmus dabei.
Kurz gesagt, finde ich deine Erklärung zu kurz gegriffen.

Soon

8 Like

Akzeptanz des Grundgesetzes würde schon reichen.
Das ist doch der Nenner, auf den wir uns alle alle alle einigen können und müssen.

Ob man von Immigranten die Übernahme von Werten erwarten darf, bezweifle ich. Man müsste mindestens die werte definieren.Ich könnte einige „Werte“ unserer Gesellschaft aufzählen, die ich selber anzweifle und ablehne.
Und einige Werte, die ich in afrikanischen Staaten z-B. kennen gelernt habe, die ich sehr schätze.

Man wird mit so einem Allgemeinwort „Werte“ keine Antworten finden.

Für mich hiesse Integration, wenn jemand herzlich aufgenommen wurde , dass er seinen Teil tut, um möglichst bald unabhängig zu werden und er darf sich ansonsten auf universale Werte beschränken:
Respekt , Achtung, Freundlichkeit.

Und das darf er auch erwarten.

Warum es unterstützend ist, zumindest seine primäre Familie, Partner/Kinder sicher bei sich zu wissen muss doch nicht erläutert werden?
Ob es die Integration, welche auch immer, fördert oder nicht, das gebeitet doch schon die Menschlichkeit und sagt einem die Empathie, so sie vorhanden ist.

Hallo,

ich unterrichte Alphabetisierungskurse. Meine Schüler sind Menschen, die schon lange keine Schule mehr besucht haben (wenn überhaupt). Im letzten Kurs hatte ich nur Abbrecher aus früheren Kursen. Die Gründe für das Abbrechen waren vielfältig (wie die Menschen), aber bei den meisten hatte es mit Überforderung zu tun. Die Kurse sind nicht konzipiert für Menschen, die wenig Schulerfahrung mitbringen, diese Erfahrung mache ich immer öfter. Die meisten Lehrer sind wenig bis gar nicht ausgebildet. Ich glaube, dass ich guten Unterricht mache (übrigens mit einer Beteilitung von um die 80%, Gesamtausfälle habe ich selten, meist mit akzeptabler Begründung, oft Krankheit), aber: ich bin nicht pädagogisch ausgebildet, habe zwar einige Jahre Erfahrung in der Erwachsenenbildung (Englisch, früher im Ausland Deutsch), meine Zulassung zur Sprachlehrerin für die Sprachkurse vom BAMF habe ich aufgrund eines 30 Jahre zurückliegenden Studiums als Übersetzer Englisch-Deutsch bekommen, während richtig ausgebildete Lehrer Zusatzkurse belegen (und selbst bezahlen) müssen. Meine Zulassung als Alphabetisierungslehrerin ist vorübergehend, ohne weitere Ausbildung, da es nicht genug Lehrer gibt. Ich bemühe mich seit einiger Zeit einen Kurs zu belegen - er wird vom BAMF gezahlt, aber nur die Kursgebühren. Da es in geographischer Nähe keine Kurse gibt, muss ich Fahrt und Unterkunft selbst aufkommen, ich habe errechnet, dass mich das etwa 1000 Euro kosten wird. Ich will damit sagen, dass auch die Lehrer überfordert sind. Viele Geflüchtete machen ihre ersten Sprachlernerfahrungen mit Ehrenamtlichen - ich habe auch so angefangen und habe großen Respekt dafür, was Ehrenamtliche in der Flüchtlingshilfe leisten, aber wenn ich da manchmal in „Kurse“ hineinhöre, graust es mir und ich verstehe, dass jemand durch diese Kurse soviel Frust mitbringt, dass er denkt, er wird die Sprache nie lernen.

Die Tests nach A1 udn A2 sind nicht auf die Bedürfnisse der Lernenden zugeschnitten. Ich kenne inzwischen etliche Geflüchtete seit fast drei Jahren. Darunter sind solche, die bereits arbeiten (Hilfsarbeiten, aber mit Herz und Seele dabei und von den Arbeitgebern geschätzt), die sich ganz gut verständigen können. Aber an den Tests scheitern: Sprechen 61%, Verstehen 50%, Schreiben 3% - war das Ergebnis, das mir ein Freund letzthin ziemlich frustriert hingelegt hat.

Ich habe über meine Erfahrungen gebloggt. Falls dich das interessiert, schick mir eine PN, dann schick ich dir den Link.

Grüße
Siboniwe

5 Like

Isndieoderihreparteiinderbundespolitischenverantwortung?

Da gebe ich dir vollkommen recht. Ich würde mir als Lernender mit einer komplexen Biographie und Ausbildung regelrecht verarscht vorkommen, wenn ich lustige Bildchen ausmalen soll, um Substantive zu benennen, die mit A anfangen. Ich habe manchmal das Gefühl, dass die Lehrbuchherausgeber da einfach nochmal 'ne Mark extra machen, wenn sie auf den Umschlag des selben Lehrbuches nicht Fibel schreiben, sondern DaF, A1.
Den Link möchte ich gern haben.

Soon

Das ist aber der Knackpunkt. Insofern bringen dir die Argumente derer, die ebenso kritisch sind vielleicht mehr. Integration ist letztlich kein fest definierter Begriff und jeder versteht darunter etwas anderes. Die Übernahme von Werten ist es ganz sicher nicht. Du und ich haben völlig unterschiedliche Werte, welche Werte soll der Flüchtling denn übernehmen? Meine oder deine? Integration bedeutet, dass man die Mindeststandards des gesellschaftlichen Zusammenlebens akzeptiert aber nicht, dass man jeden Standard akzeptiert. Ein solcher Mindeststandard ist beispielsweise, dass man sich an Gesetze hält.

Warum erleichtert eine Familie die Integration?

Da gibt es mehrere Aspekte.

Es ist für einen Menschen viel einfacher sich zu radikalisieren, wenn er innerhalb der Gesellschaft isoliert ist. Familie kann helfen aber auch eine Integration, die nicht nur darauf ausgelegt ist, dass die Flüchtlinge auf alle zugehen müssen. Wenn Integration gelingen soll, müssen auch die Gastgeber sich in bestimmten Situationen - zumindest zeitweise - auf die Gäste zubewegen. Dass soll nicht bedeuten, dass man jedes Verhalten hinnimmt, dass bedeutet, dass man für bestimmte Verhaltensweise Verständnis hat und mit sachlicher Kritik und nicht mit Hass reagiert. Der Hass und die Ablehnung, den Teile der Deutschen den Flüchtlingen entgegenbringen, bewirkt nämlich teilweise die gleiche Reaktion bei den Flüchtlingen - selbst erfüllende Prophezeiungen ftw.

Eines, was man mit dem Familiennachzug erreicht, ist dass der Flüchtling aufhören kann sich permanent Sorgen um seine Liebsten zu machen. Sowas macht Menschen kaputt und es ist auch sehr leicht Hassgefühle auf jemanden zu entwickeln, der die Liebsten in großer Gefahr lässt, obwohl er sie retten könnte. Das muss nicht unbedingt rational sein, aber wer eigene Kinder hat kann das vermutlich trotzdem leicht nachvollziehen.

Unterm Strich:

Zufriedene Menschen sind friedliche Menschen. Es geht gar nicht darum jedem Zucker in den Arsch zu blasen, aber das gesellschaftlich isolierte Mensche, die ständig in Angst leben, kaum Chancen haben sich hier zu integrieren und ein Teil der Gesellschaft, wenn auch nur auf Zeit, zu werden, dürfte niemanden überraschen.

Tatsächlich war der Familiennachzug fester Bestandteil unserer Asylgesetzgebung. Wenn ein Asylgrund vorliegt war die Hoffnung tatsächlich berechtigt.

Das ist zunächst mal irrelevant. Jede einfache Internetrecherche hätte dieses berechtigte Hoffnung bestätigt.

3 Like

Hallo,

aus den von @RotAlge ausgeführten Gründen bin ich der Ansicht, dass beides (Integration und Familiennachzug) in der Regel parallel gehen und der Familiennachzug in der Tat förderlich für die Integration ist. In einigen Fällen mag es anders sein und sich durch Abschottung in Großfamilien Parallelgesellschaften bilden.

Für den Familiennachzug sprechen aber aus meiner Sicht nicht in erster Linie Erwägungen über bessere Integration sondern schlichte Mitmenschlichkeit. Das ist eigentlich auch weitgehend unumstritten: Der Familiennachzug für anerkannte Asylbewerber und GFK-Flüchtlinge wird kaum in Frage gestellt.

Strittig ist die Sache dagegen bei den sogenannten subsidiär Schutzberechtigten, bei denen eben noch nicht abschließend darüber entschieden wurde, ob sie langfristig oder sogar dauerhaft in Deutschland bleiben dürfen. Da ist die eigentliche Frage aber nicht, ob Familiennachzug die Integration fördert sondern ob diese Menschen integriert werden sollen. Und da bin ich der Meinung, dass Integrationsangebote, die über kostenlose Deutschgrundkurse und eine Arbeitserlaubnis hinaus gehen, denjenigen vorbehalten werden sollen, über deren langfristiges Bleiberecht positiv entschieden wurde. In Härtefällen, die allerdings im Einzelfall schwierig abzugrenzen sein mögen, würde ich auch bei den subsidiär Schutzberechtigten für Familiennachzug plädieren. Eigentlich bin ich froh, dass ich über solche Einzelfälle nicht entscheiden muss.

Freundliche Grüße

myrtillus

Doch, genau darum bitte ich hier.

Aber solange wir uns nicht mal darüber einig sind, was denn „Integration“ überhaupt bedeutet, darf man dieses Narrativ durchaus hinterfragen.
Gerne darf man dann auch die subjektiven Beispiele für Integration anführen.
Du hast doch Integration gerade selbst erstmal auf die Akzeptanz des Grundgesetzes beschränkt.

(Das ist eine persönliche Auffassung, meine Erwartungshaltung ist höher, aber ich habe ja selbst darum gebeten, beim Thema zzu bleiben, deshalb hierzu keine weiteren Ausführungen von mir.)

Traurig, dass wir diesen Punkt überhaupt auflisten. Aber es ist zumindest ein Beispiel, das ich inhaltlich mittragen kann. Aber jetzt erläutere mir doch bitte, warum es die Familie braucht, um das Grundgesetz zu achten?

1 Like