Wie können denn hunderte Pager explodieren?

Wenn ein staatlicher Akteur mit den entsprechenden Mitteln und Möglichkeiten eine supply-chain-attack (im Sinne eines tatsächlichen Angriffs auf die Lieferkette real existierender Ware, und nicht in Bezug auf Software) fährt, dann sind die Möglichkeiten, dies aufzudecken minimal, wenn man nicht selbst ebenso auf vergleichbare Ressourcen zugreifen kann. Zudem wird von solchen Angriffsszenarien zwar in der Theorie viel geschrieben, praktisch spielen sie aber bislang kaum eine Rolle, da sie extrem aufwändig sind. Und man darf auch nicht vergessen, wo überall die Gefahr eines solchen Angriffs droht, und dass eine intensive Kontrolle in einem an sich nötigen Umfang jegliche Prozesse und jegliche Tätigkeit lahm legen würde.

Insoweit ist das hier schon ein sehr wohl überlegt eingefädelter Angriff gewesen, der erfolgreich an einer Stelle angesetzt hat, wo man von der anderen Seite ganz offensichtlich kein großes Bedrohungspotential gesehen hat, und deshalb recht sorglos war. Und es war zudem auch ein insoweit sehr intelligenter Angriff, weil man hiermit ausschließlich Personen getroffen hat, die in Verwantwortung in der angegriffenen Organisation tätig waren, und zivile Opfer bestmöglich vermeiden konnte (anders als bei den Maßnahmen in Gaza).

Problematisch an so einem Angriff ist aber natürlich, dass er große Aufmerksamkeit auf die Fähigkeiten des Angreifers gelenkt hat, und Bedrohungsszenarien auf der anderen Seite jetzt sicherlich ganz anders gesehen, bewertet und angegangen werden.

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Ein intelligenter Gegner würde aus diesem Ereignis die Schlussfolgerung ziehen, dass es vielleicht ganz gut wäre, zukünftig Angriffe auf einen Gegner mit diesen (und anderen nachgewiesenen) Fähigkeiten zu unterlassen. Aber wahrscheinlich wird es nicht lange dauern, bis Nasrallah oder ein anderes Superarschloch im Iran (den iranischen Botschafter im Libanon hat es ja wohl auch erwischt) das Wort Vergeltung in ein Mikrophon brüllt. Zumindest einige Hisbollah-Kämpfer werden „Allahu akbar“ dann aber eine Oktave höher brüllen.

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Politischen Extremisten und pseudoreligiös verblendeten Eiferern kann man nicht wirklich beikommen. Das sieht man aktuell in Gaza in voller Brutalität. Jeder, der noch einen Funken Verstand und Moral im Hirn hat, weiß, dass Israel seine Feinde zwar nicht wird endgültig und vollständig besiegen können, das hier entstehende Leid und die wirtschaftlichen Schäden aber nicht ansatzweise akzeptabel sind, um egal welche Ziele auch immer zu erreichen. Und Israel lässt sich da auch nicht mehr rein reden, hat inzwischen selbst viel an Moral aufgegeben, lässt sich auch nicht mehr durch die fortgesetzten Geiselnahmen beeindrucken, … Alle Akteure und Unterstützer auf der anderen Seite hätten vor diesem Hintergrund schon lange die weiße Fahne hissen müssen.

Es wäre gut, wenn jetzt einige der führende Köpfe merken würden, dass es nicht nur aufgestachelten kleinen Dummköpfen in diesem Kampf an den Kragen geht, sondern sie selbst in ihren Luxuswohnungen im Ausland nicht mehr sicher sind. Aber es steht in der Tat zu befürchten, dass auch jetzt wieder nur laut „Rache“ gefordert wird, und die nächsten 1000 kleinen Dummköpfe dafür wieder mit dem Leben bezahlen werden müssen.

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Das halte ich ebenfalls für sehr wahrscheinlich.
Blauäugigkeit - auch aufgrund von mangelndem Technikverständnis - in Sachen IT und Kommunikation ist ja auch Hierzulande leider keine Seltenheit.

In Anbetracht, dass sich div. arabisch/islamische Machthaber auch untereinander nicht grün sind, würde halt auch die Frage nach dem WEM durchaus nicht nur Israel alleine als Möglichkeit in Betracht ziehen. Vor allem in Bezug darauf, aus welchen Bereichen eher terroristische Anschläge kommen.
Wir werden sehen, ob wir darauf überhaupt eine Antwort bekommen (können) - mal abseits von Mutmaßungen und Schuldzuweisungen.

Wer sollte denn Interesse haben, ausgerechnet der Hisbollah diesen „Denkzettel“ zu verpassen? Neben Israel und dem Iran (mit seinen schiitischen „Partnerländern und -organisationen“) spielt nur Saudi-Arabien in der Region eine größere Rolle und auch, wenn S-A die Hisbollah als Terrororganisation eingestuft hat, gibt es zwischen den beiden keine aktuellen Konflikte.

Israel hingegen hatte durchaus Anlass, gerade jetzt zur Tat zu schreiten, denn die Hisbollah greift israelische Zivilisten praktisch täglich mit Raketen an und es ist gerade mal zwei Monate her, dass es dabei 11 Tote (darunter Kinder und Jugendliche) auf/an einem Fußballplatz gab.

Anscheinend musste die Aktion vorzeitig durchgeführt werden. Laut Berichten wurde der Sprengstoff entdeckt und ein Pager vorzeitig zur Explosion gebracht. Daraufhin hat wer auch immer wohl das Signal an alle Pager ausgeschickt.

Was für die Hisbollah viel schlimmer als die unmittelbaren Opfer ist: Man hat jetzt Informationen über tausende Personen, die direkt oder indirekt mit der Hisbollah in Zusammenhang stehen. Darauf aufbauend kann man ein recht genaues Bild über Verbreitung und Struktur der Organisation zeichnen.

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Hab den Thread mal ins Nachrichtenbrett verschoben, da passt er wohl besser.

VG
J~ [Mod]

Etwas seltsam mutet die Reaktion der Hisbolla an,

Hisbollah-Chef nennt Explosionen „Kriegserklärung“ – Israel greift Ziele im Libanon an (msn.com)

Ein interessantes Selbstverständnis hat diese Organisation, erst erklärt man Israel den Krieg, beschießt die Region mit tausenden von Raketen und ermordet wahllos Menschen, aber ist dann komplett überrascht wenn Israel zurückschlägt …und nennt es Kriegserklärung…

Interessant ist dazu aber auch die zweite Welle des Angriffs bei dem Funkgeräte explodiert sind die seit über 10 Jahren nicht mehr hergestellt werden, haben die Israelis die Dinger gefälscht und an die Hisbollah verkauft oder einen alte Charge irgendwo aufgekauft und dann mit Sprengstoff bestückt?
Gibt es dazu irgendwelche Informationen ?

Erinnert mich ein bisschen daran:

„The Nazis entered this war under the rather childish delusion that they were going to bomb everyone else, and nobody was going to bomb them.“ - Arthur „Bomber“ Harris

Laut Reuters bestreitet die Herstellerfirma, dass die Geräte von ihr stammen. Anscheinend ist da viel gefälschte Ware im Umlauf, gerade bei Geräten, die nicht mehr hergestellt werden.

Na ja, Deutschland hat damals auch „zurückgeschossen“, Russland muss sich auch gegen den ukrainischen Aggressor verteidigen, … Typische Kriegsrhetorik.

Was die Funkgeräte angeht, hat der Hersteller schon darauf verwiesen, dass es da möglicherweise Fälschungen im Markt gibt, die man mangels besonderer Merkmale zur Prüfung der Authentizität des Originalprodukts (Siegel, Hologramme, …) ggf. auch nicht so einfach erkennen könne.

Wie schon geschrieben, kann man mit den Ressourcen eines Staates wie Israel durchaus eine Fabrik aufbauen, die vollständige Falsifikate herstellt oder entsprechende Aufträge an unauffällige und professionelle Auftragsfertiger vergibt (die inzwischen sogar schon in hobbymäßigen Stückzahlen fertigen), die nicht zwingend groß nach Lizenzen fragen/sich für einen guten Auftrag gerne leicht davon überzeugen lassen, dass alles seinen Richtigkeit mit den Lizenzen hat. Insbesondere, wenn die in Ländern sitzen, in denen es ausländische Unternehmen extrem schwer haben, Verstäße gegen das Recht des geistigen Eigentums erfolgreich zu verfolgen.

Die bekommen dann eine auf die Geräte zu flashende Firmware, in der dann irgendwo tief im Code die „Spezialfunktion“ versteckt ist. Und in die schaut beim Auftragsfertiger niemand rein. Die explosive Payload kommt dann mit zugelieferten, manipulierten Akkus, die gleich vom Werk unbemerkt verbaut werden, oder man sieht da auf dem Board Kontakte „für spätere Erweiterungen“, „Testzwecke“, o.ä. vor, an die man dann auf einem Zwischenstopp die Ladung anbringt, klebt da ggf, einfach nur Sprengstoff nachträglich rein, den man durch per Software ausgelöste Überhitzung des Akku oder eines anderen Bauteils zünden kann, … D.h. man kann hier mE sogar die eigene „Fertigungstiefe“ unter Nutzung existierender und problemlos erreichbarer, nicht eingeweihter Dritter, sehr gering halten, und damit eine recht kurze „time to Market“ eines solchen Produkts realisieren, wenn ich ggf. nur einen manipulierten Akkupack (oft nur ein Schrumpfschlauch um Serienprodukte) selbst herstellen und die Firmware minimal anpassen muss. Dafür zu sorgen, dass dieses Produkt dann auch in großer Zahl die „richtigen Hände“ gelangt, ist dann ggf. sogar der aufwändigere Teil.

Wir werden dazu in den nächsten Monaten sicher noch diverse Details hören.

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Will man die Zündung kontrolliert auslösen, was offenbar der Fall war, braucht man noch Zugriff auf die Infrastruktur des Pager-Netzes. Das dürfte für die israelischen Dienste allerdings das geringste Problem bei der Aktion gewesen sein.

Ich weiß nicht, wie die konkret betroffenen Dinger organisiert sind. Aber das gute alte Eurosignal verwendete ganz normale Telefonnummern und e*cityruf ist per Telefonnummer, Web-API und E-Mail erreichbar. Da braucht es also nicht einmal einen großen Infrastrukturzugriff auf autarke Systeme.

Naja, wenn die Hisbollah ihre Pager in einem öffentlichen, über das Telefonnetz erreichbaren Funkrufnetz betreibt, dann ist sie selber schuld, wenn diese gehackt werden. Ich dachte ja, sie seien auf Pager umgestiegen, weil Israel ihre Smartphones gehackt hat.

Bleibt noch die Frage, wie das bei den Handfunkgeräten („Walkie-Talkies“) gemacht wurde.

Soweit ich das verstanden habe, war das eher eine Vorsichtsmaßnahme. Smartphones haben im Gegensatz zu Pagern GPS und da gab es in der Vergangenheit immer wieder Vorfälle, wo durch Unachtsamkeit Positionen preisgegeben wurden.

Selbst die einfachsten Handys, wie das gute, alte Nokia 6310, können über die Funkzellen und Zwangsumbuchungen in andere Zellen recht gut geortet werden. Zumindest grobe Bewegungsprofile sind einfach zu erstellen.

Der grundlegendere Unterschied ist, dass Pager nur Empfänger sind. Sie buchen sich nicht aktiv in Funkzellen ein. Funktionieren also wie Radios und sind daher gar nicht ortbar.

So ähnlich sind auch einfache Walky-Talkys. Im „Ruhemodus“ empfangen sie nur, ohne aktiv mit einer Infrastruktur verbunden zu sein. Erst wenn man die Sendetaste drückt, sind sie ortbar.

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Das erklärt, warum diese Geräte nicht bzw. nur sehr schwer zu orten sind. Wie die Explosion ferngesteuert ausgelöst werden konnte, bleibt unklar.

Diese so genannte Walkie-Talkies, wie das Icom IC-V82 um das hier wohl geht, arbeiten ja meist ohne Infrastruktur. Ein Gerät kann mit allen anderen Geräten kommunizieren, die auf dieselbe Frequenz eingestellt sind und sich in Funkreichweite befinden. Um das Gerät fernzusteuern muss man es daher direkt über Funk erreichen. Die Handfunkgeräte selbst haben nur eine Reichweite von einigen 10km. Aber auch wenn man dafür einen ortsfesten oder in einem Fahrzeug installierten Sender verwendet, der mit einer höheren Sendeleistung als die Handfunkgeräte arbeitet, dürfte man damit wohl kaum von Israel bis Beirut kommen.

Diese Geräte können aber auch im Relais-Modus arbeiten. Dabei wird das Funksignal der Handfunkgeräte von einer Relaisstation empfangen und verstärkt und so die Reichweite erheblich erweitert. Nutzt die Hisbollah diese Möglichkeit und steht so ein Relais in der Nähe der israelischen Grenze, dann ist es denkbar, dass man von dort weit in den Libanon hinein funken kann.

Wer in der Produktion Sprengstoff in einem Gerät unterbringen kann, kann auch die Software manipulieren. Der Auslöser kann eine eingehende Nachricht oder ein schlichter Steuerbefehl gewesen sein. Viele der Betroffenen hatten Verletzungen an Händen und Kopf, was dafür spricht, dass der Auslöser eine Nachricht war oder dem auslösenden Befehl eine Nachricht vorausging.

Genau. Und die Frage war, wie diese Nachricht an die Walkie-Talkies übermittelt wurde.

soweit ich das noch weiß, haben (alle?) Walkies eine Morsefunktion… wenn dann 3…2…1… meins übermittelt wird…

@ceestmoi
Eine Morsefunktion? Also von meinen keines.
Wie soll man sich das vorstellen? Mit Roger beep?
Oder kurzes/langes Rauschen über die Sendetaste?

Gruss