Guten Abend, Achim!
Weil ich wenig zielführende Vorstellungen in deiner Frage erkenne, hole ich etwas weiter aus. Das erscheint schon deshalb nötig, weil in manchen Antworten ziemlich Abwegiges zum Vorschein kam. Es reichte von im Kleinunternehmen nicht machbar oder unnötig bis ISO9000 sei totgeritten.
Das Bestreben, vereinbarte Qualität zu erhalten bzw. zu liefern, ist so alt wie die arbeitsteilige Wirtschaft. ISO 900x systematisiert dieses Bestreben. Es geht darum, betriebliche Abläufe so zu organisieren, daß am Ende zwangsläufig die gewünschte Qualität steht und qualitätsrelevante Abweichungen rechtzeitig für korrigierende Eingriffe erkannt werden. Am Ende sollen zufriedene Kunden stehen. Ob Kunden wirklich zufrieden sind, ist gezielt zu hinterfragen.
Niemand wird sich im Wirtschaftsgeschehen dauerhaft halten, wenn die dem Kunden versprochene Qualität nicht geliefert wird. Qualitätssichernde Organisation umfaßt deshalb das gesamte betriebliche Geschehen von der Auftragsannahme bis zur Fakturierung. Beginnt die Auftragsannahme am Telefon mit „Wer stört?“, wird das Material bei Ebay mit der Einstellung „preisgünstigste Angebote zuerst“ eingekauft und im Lager mit zum Verwechseln ähnlichen Sachen vermengt, wird bestenfalls zufällig das vom Kunden erwartete und zugesicherte Ergebnis erzielt.
Wer eine Sache produziert und die Daten der Prototypen für die Serie zusichert, sollte sich hüten, zum Lieferanten zu wechseln, der zwar billiger liefert, aber über Herkunft, Zusammensetzung und sachgemäße Lagerung seiner Ware nicht aussagefähig ist. Der hochfeste Stahl sieht genau so aus wie gewöhnlicher Baustahl, Brustimplantate mit Industriesilikon unterscheiden sich äußerlich nicht von medizinisch geeigneten Implantaten und das temperaturbeständige Kabel unterscheidet sich auf den ersten Blick nicht von irgendwelchem Billigzeug. Die nur nach einem beherzten Schlag irgendwas anzeigende Waage darf nicht im geschäftlichen Verkehr oder in der Produktion eingesetzt werden. Dafür taugen nur regelmäßig auf Funktion und Meßfehler überprüfte Exemplare. Man kann Kabelschuhe mit einem Werkzeug für 1,95 € anpressen - bis man eine Reklamation am Hals oder Auszugskräfte gemessen hat. Dann begreift man, daß ein brauchbares Werkzeug je nach Anforderung etliche Hunderter kosten kann. Mancher Reklamationsfall kostet aber ein Vielfaches davon. Weil das alles Selbstläufer sind, wird es nicht gelingen, Argumente gegen eine die Qualität erzwingende Betriebsorganisation zu finden. Aus dem gleichen Grund wird niemand, der für seine Produkte haftet, anders handelnde Zulieferer akzeptieren. Im Ausnahmefall wird man den Aufwand treiben und die Produktion eines nicht entsprechend organisierten Zulieferers in den relevanten Teilen selbst überwachen.
Vielerorts ist vom Qualitätsmanagement-Handbuch die Rede. Als Ansammlung von Gemeinplätzen findet man sowas auf der Homepage vieler Unternehmen. Der entscheidende Aufwand liegt an anderer Stelle: Alle Abläufe und Zuständigkeiten sind in einem Plan darzustellen und zu beschreiben. Und dann geht es ins Detail. Jeder einzelne Arbeitsschritt ist zu beschreiben. Diese Beschreibung muß der betrieblichen Wirklichkeit mit seinen Eigenheiten entsprechen. Jedes Blatt findet sich in einem Ordnungssystem wieder, das parallel mit jeder Änderung der betrieblichen Vorgänge zu aktualisieren ist. Bei erstmaliger Erstellung, die sich lange hinziehen kann, ist das alles furchtbar viel Arbeit – aber wertvoll. Aus der Bastelbude ist nämlich ein professionell arbeitendes Unternehmen mit transparenter, schriftlich fixierter Arbeitsweise geworden. Nichts geschieht nach Lust, Laune, Gefühl, Tagesform oder Vorliebe des jeweiligen Mitarbeiters. Nichts ist dem Zufall überlassen.
Nun das Beste: Das Ganze rechnet sich, ist kaufmännisch zutiefst vernünftig. Ob One-man-show oder Riesenunternehmen ist dabei egal. Es rechnet sich über Planmäßigkeit der betrieblichen Vorgänge, minimiertem Ausschuß, Wettbewerbsvorteile und Kundenzufriedenheit mit gegen Null gehender Reklamationsquote. Durchgängig realisiert ist die Vorgehensweise im Haftungsfall sogar gerichtsfest. Das mit der Beschreibung der Vorgänge einher gehende Durchdenken führt zur Optimierung, auch an Stellen, die bis dahin irgendwie, wie es gerade kam, erledigt wurden.
Wie kommt man zur Zertifizierung:
Man braucht eine klare Vorstellung von Sinn und Ziel. Wenn man diese klare Vorstellung hat, braucht man keinen QM-Berater. Wenn man diese klare Vorstellung nicht hat, ist ein QM-Berater nutzlos. Nicht irgendwelche Berater, sondern der Inhaber/die Geschäftsführung muß wissen, worum es geht, sodann auch die Mitarbeiter in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich. Einen Berater zu beschäftigen, in der Hoffnung, der wird`s schon richten, läuft vorhersehbar auf eine kostspielige Fehlinvestition hinaus.
Zunächst beschaffe Literatur. Meine Exemplare sind durchweg schon etwas älter und ich hab entgegen eigenem Qualitätsanspruch nicht geprüft, ob sie noch erhältlich sind. Zum Einstieg eignet sich z. B. von Winfried Glaap „ISO 9000 leichtgemacht“ ISBN 3-446-18457-0 Buch anschauen . Hinterher geht es an Details der Qualitätssicherung. Dafür halte ich Hering/Triemel/Blank „Qualitätssicherung für Ingenieure“ ISBN 3-18-401100-3 Buch anschauen für empfehlenswert. Du wirst nur eine kleine Teilmenge dieses umfangreichen Werks brauchen…
So informiert, machst du dich an die Arbeit, Stück für Stück. Das dauert, weil so gut wie nichts im Unternehmen unberührt bleibt und nur wenig ganz und gar unverändert. Schließlich, zu einem jetzt noch nicht absehbaren Zeitpunkt, wendest du dich an eine Zertifizierungsgesellschaft, nach Möglichkeit in geographischer Nähe. Wer zertifiziert, ist nicht wichtig. Entscheidend ist einzig, daß QM nicht nur hinter Glas hängt, sondern im Unternehmen gelebt wird.
Einen Zahn muß ich allerdings ziehen: Auf die Schnelle wird es nicht funktionieren, QM in einem Unternehmen zu verankern. Es ist viel Detailarbeit. Wenn also jetzt Händler die Geschäftsbeziehung aufgrund fehlender QM-Zertifizierung ablehnen, läßt sich ohne überhaupt begonnen zu haben, kein Termin für eine Zertifizierung nennen. Wer in solcher Situation die Entbehrlichkeit einer Zertifizierung zu verhandeln versucht, läuft Gefahr, sich zu disqualifizieren und sich nachhaltig zu schaden. Mir ist bewußt, daß insbesondere Kosten zunächst schrecken, egal wie wirtschaftlich vernünftig die Maßnahme zukünftig auch sein mag. Nennenswert sparen läßt sich bei Beratern, vorausgesetzt man traut sich zu, sich mit Hilfe von Literatur ins Thema einzuarbeiten und den Sinn von QM zu verinnerlichen. Daran führt ohnehin kein Weg vorbei.
Gruß
Wolfgang