Hallo Inge,
nur kurz:
vielleicht kann man es nicht pauschalisieren, aber ich kenne 5
„Hochbegabte“ Kinder - drei Jungen und 2 Mädchen in
verschiedenen Alterstufen. Alle 5 wurden von kleinauf
„gefördert“, allerdings nur der Kopf. Alle 5 können keinen
Pruzelbaum und machen keinen Sport. Mit Freunden draußen
spielen ist nicht, die Zeit wird mit älteren „intelligenten“
Leuten vor dem Computer oder mit tiefgründigen Diskussionen
über meist technische, mathematische oder physikalische
Probleme verbracht.
Nur eine kennt wilde Spiele im Wald und Gematsche u.ä. aus
frühester Kindheit. Alle anderen haben das nie erlebt.
ähnliches kenne ich aber auch von anderen heutigen Kindern, die gar nicht hochbegabt sind: Statt - wie du schreibst - mit älteren Leuten vorm Computer zu sitzen oder zu diskutieren, sitzen viele (auch durchschnittlich begabte) Kinder viel Zeit vorm Computer und Fernseher, hören im Zimmer Musik, sitzen mit gleichaltigen Freunden drinnen (und diskutieren dann zwar nicht über technische, mathematische oder physikalische Probleme, sondern „altersentsprechend“ über Mode, anderes Geschlecht, Schulprobleme, nervige Eltern)…
Ich kann mich an sehr viele - nicht hochbegabte - Kinder erinnern, die erst in der Schule lernten, die Blätter und Früchte gängiger Waldbäume wie Buche, Eiche, Birke… zu unterscheiden, Getreidearten zu unterscheiden etc. (in der ländlichen Umgebung, aus der ich komme, könnte das jedes Kind beim Spazierengehen lernen).
Dies scheint mir generell ein Problem solcher Eltern (und deren Kinder) zu sein, die ihre Kinder wenig in den Alltag einbeziehen, wenig mit ihnen über Dinge des täglichen Lebens sprechen, ihre Kinder nicht rausschicken. Und zwar unabhängig von der Begabung.
Unsportliche Kinder kenne ich quer über alle Begabungsstufen - darunter wirklich Kinder, die sich kaum mal bewegen (und für die 5 km ein „weiter Weg“ sind), wie auch bewegungsfreudige aber tollpatschige Kinder.
Unter den hochbegabten Kindern und Jugendlichen, die ich kenne (vereinsmäßig), sind etliche, die einer Vereinssportart nachgehen, gerne mit Inline-Skates, Fahrrad, Einrad unterwegs sind, schwimmen gehen, als Jugendliche den Jakobsweg laufen… Übermäßig viele Stubenhocker sind mir hier nicht aufgefallen.
Ich wurde übrigens nicht explizit gefördert, sondern mit mir wurde einfach „inhaltsreich“ umgegangen:
Wenn meine Mutter gekocht oder gebacken hat, hat sie mich zusehen lassen und gesagt was sie tut; die Uhr habe ich nebenbei im Alltag gelernt (da unser Alltag sehr strukturiert war), Zählen und etwas rechnen nebenbei mit Bilderbüchern/Wimmelbüchern oder einfach beim Spazierengehen („Wie viele Ziegen stehen da auf der Weide?“) oder anderweitig im Alltag („In der Schachtel sind nur noch drei Eier. Wir brauchen aber fünf Eier für den Kuchen - holst du mir die fehlenden aus der Speisekammer?“).
„Drill“ oder irgendwelche Kleinkind-Förderprogramme gab es da nie.
Ich denke mir: Viele Kinder können irgendwas früher/besser als das „Durchschnittskind“ - nur, wie dies bei anderen ankommt, hängt schon sehr davon ab, worum es sich handelt.
Ich kann mich an Mit-Grundschüler erinnern, die diverse Automarken, Comicfiguren etc. unterscheiden konnten, wussten wie die Spieler im Lieblings-Fußballverein heißen und die, später als Pokemon „in“ wurde, sämtliche Eigenschaften aufzählen konnten.
Das galt als „normal“. Bei mir galt’s hingegen als seltsam/ „überfördert“, wenn ich diverse Tierarten (auch Insekten, auch seltene Arten) kannte und über ihre Lebensweise erzählen konnte - doch eigentlich nichts anderes, oder?
Die Eltern haben nie auch nur versucht, die Kinder an soziale
oder sportliche Dinge heranzuführen, um sie zu fördern. Sie
sind halt sportlich nicht begabt.
Sowas finde ich sehr problematisch (unsportlich darf man sein, aber versuchen sollte man es schon mal; Gleichaltrige muss man nicht lieben, aber es ist wichtig, mit ihnen zumindest neutral auszukommen).
Glaube aber nicht, dass das bei Alexandras Sohn der Fall ist. Zumindest hat sie öfter geschrieben, dass ihr Sohn auch motorisch sehr fordernd ist - nach einem „Stubenhocker-Kind“ klang mir das ganz und gar nicht
Von den mir bekannten fünf hochbegabten Kindern besitzen 3
keine soziale Intelligenz, eines scheint normal, eines ist für
ein Urteil noch zu jung.
Womit mag das aber oft (neben der - wie du auch schreibst - mangelnden Förderung in diese Richtung) zu tun haben?
Freunde und Gefährten sucht man sich oft unter Menschen ähnlicher Interessen. Ein durchschnittlich begabtes Kind findet diese zumeist in seinem direkten Umfeld aus gleichaltrigen Kindern, die auch geistig ungefähr „auf Augenhöhe“ sind.
Ein hochbegabtes Kind ist aber überwiegend mit geistig jüngeren Kindern konfrontiert, jedenfalls so lange, wie es sich in einer Umgebung befindet (befinden muss), die aus Gleichaltrigen besteht.
Von keinem durchschnittlich begabten Kind würde man erwarten, dass es sich in einer Gruppe ausschließlich geistig jüngerer Kinder pudelwohl fühlt und tolle Freunde findet.
Wie soll man soziale Intelligenz trainieren, wenn es wenig ähnlich Interessierte gibt (und man sogar teilweise gemieden wird, weil man andere Interessen hat)?
Desweiteren bedenke: Hochbegabung kann in Verbindung mit Asperger-Syndrom (Form von Autismus) auftreten.
Das macht es nochmal schwerer.
Ich finde es wichtig, ein Kind in allen Bereichen zu fördern,
und nicht mit zwei Jahren zum Einstein zu erziehen.
Definitiv - meine Zustimmung!
Das widerspricht aber nicht dem, dass man sein Kind nicht auch in den Alltag einbeziehen (zählen, rechnen, Uhr lesen etc. ist für mich Alltag) oder seine Fragen beantworten darf.
Viele Grüße,
Nina