Vor allem, wenn man mal guckt, was anstandslos stehen bleiben darf:
IMHO ist es schon arg ĂŒberzogen, Sexismus zu unterstellen, nur weil ein Mann (einigermaĂen) poetisch von Frauen schwĂ€rmt. Ausser man unterschreibt, dass Sexismus völlig natĂŒrlich ist. Und hier geraten wir doch in einen Widerstreit zwischen biologischer Erkenntnis und konstruierter Gesellschaftskritik.
GruĂ
vdmaster
Eine sehr schöne Wortschöpfung.
Peinlich daran finde ich die wachsweiche und einschleimende Lösung der Hochschulleitung, sich des Gedichts zu entledigen, indem man es nun mit dem der nĂ€chsten PreistrĂ€gerin ĂŒberpinselt. Hauptsache, der Disput ist im wahrsten Sinne des Wortes ĂŒbertĂŒncht.
Leider ist (zu tolerierender gedanklicher) Widerstreit auf Unis wohl mittlerweile eine aussterbende Kunst.
GruĂ
vdmaster
Kann man so sehen oder auch nicht. Du hast aber im Betreff Deiner Frage (um das mal so zu nennen) dieses geschrieben:
Wieviel Ignoranz kann eine freie Gesellschaft verkraften?
Das ist in höchstem MaĂe suggestiv und ĂŒbertreibt vor allem die Bedeutung des Vorganges ganz erheblich.
Ich habs hier so ausfĂŒhrlich aufgedröselt und trotzdem kommst du nochmal mit ânur weil ein Mann (einigermaĂen) poetisch von Frauen schwĂ€rmtâ. Das ist doch absolut nicht der Punkt.
Der Punkt ist, dass zwei Dinge ohne groĂe interpretatorische Verrenkungen erkennbar sind:
a) VerknĂŒpfung Frau+Geschlechtsteil (flor-mujer)
b) Affirmation des objektivierenden âmĂ€nnlichen Blicksâ auf Frauen (admirador)
Das kann man aus meiner Sicht zweifelsohne âSexismusâ nennen.
Wo ist das Problem, das Ding beim Namen zu nennen?
Das Problem liegt m.E. erst eine Stufe weiter, nĂ€mlich gleich kurzschlĂŒssig von âDiskriminierungâ zu sprechen, von âsexueller BelĂ€stigungâ, von âHerabwĂŒrdigungâ, von âSexualisierungâ, von âĂbergriffigkeitâ - und deshalb die âEntfernung oder Ersetzungâ zu fordern.
All das hat die AStA der ASH vor knapp zwei Jahren in ihrem offenen Brief gemacht, und eben das ist zu kritisieren und nicht ein banales Gedicht gegen den (so offenkundig nachvollziehbaren) Sexismus-Vorwurf zu verteidigen.
GruĂ
F.
Das ist exakt der Punkt.
Wenn du den offenen Brief der AStA liest, dann siehst du auch gleich, womit âToleranzâ (Ertragen-Können, Aushalten-Wollen) von vorne herein untergraben wird, nĂ€mlich mit der Opfer-Rhetorik persönlicher Betroffenheit.
So wird von vorne herein die Diskussion auf eine psychologische Ebene verlagert, so werden von vorn herein TĂ€ter-Opfer-Rollen fixiert und so wird von vorn herein alles âvermoralisiertâ.
Die Diskussion wird (eigentlich ganz zurecht) eröffnet und im nÀchsten Satz auch gleich wieder erstickt.
Dennoch kommen wir nicht umhin, ausgerechnet dieses Gedicht als offizielles AushĂ€ngeschild unserer Hochschule zu kritisieren: Ein Mann, der auf die StraĂen schaut und Blumen und Frauen bewundert. Dieses Gedicht reproduziert nicht nur eine klassische patriarchale Kunsttradition, in der Frauen ausschlieĂlich die schönen Musen sind, die mĂ€nnliche KĂŒnstler zu kreativen Taten inspirieren, es erinnert zudem unangenehm an sexuelle BelĂ€stigung, der Frauen alltĂ€glich ausgesetzt sind*.*
http://www.asta.asfh-berlin.de/de/News/offener-brief-gegen-gedicht-an-der-hochschulfassade.html
GruĂ
F.
Hi FBH,
woher weiĂt du was ich anzuerkennen mich weigere? Du kennst nur meine Worte, die hier stehen, und dann brauchts ein bisschen von deiner Argumentation mit wenigen Worten und schon weiĂt du, wessen ich mich weigere?
Diese sexistische Lesart liegt nicht per se auf der Hand, sondern im Auge der BetrachterIn (oder LeserIn). Und wer viel sucht, findet zwischen den Zeilen viel (Gomringer hat dazwischen ja viel Platz gelassen) - ob Sexismus oder nicht.
Im Konstruktivismus (da verortet sich Gomringer auch) kann die BetrachterIn nur das als Wirklichkeit konstruieren, wozu sie nach ihrem Potential (Hintergrund, Bildung, Denken) fĂ€hig ist - und findet auf der Suche nach Sexismus ĂŒberraschenderweise ⊠Sexismus, oh.
Deshalb kannst du vielleicht auch der sexistisch relativ unschuldige Sichtweise von mir nicht folgen, weil du möglicherweise zu fixiert bist.
Honi soit qui mal y pense,
GrĂŒĂe, ynot
Das ist ja klar.
âDeine hier stehenden Worte sind fĂŒr mich so zu verstehen, dass du dich weigerst âŠâ
Ja, eben.
Darum schrieb ich als ersten Satz an dich auch: [Man braucht] nicht Verfolgungswahn, [sondern] Bildung.
Ist doch trivial-richtig, dass nur der, der ein X erkennen kann, ein X erkennt.
Nicht richtig ist dagegen, dass der, der ein X erkennen kann, in allem ein X erkennt, denn das wĂ€re tatsĂ€chlich âVerfolgungswahnâ.
Ich habe die zwei Aspekte des Textes benannt, die dafĂŒr sorgen, dass der, der nach Sexismus sucht, in diesem Gedicht Sexismus findet. Nicht mehr, nicht weniger.
Dass du mit einer anderen Sicht darauf blickst, ist völlig okay, aber dafĂŒr auch völlig irrelevant.
GruĂ
F.
Hallo @anon56793850,
ich kann Deiner Argumentation ja weitgehend folgen, auch wenn mir der Begriff âSexismusâ bzw. âsexistischâ doch eindeutig zu negativ konnotiert ist, um ihn undifferenziert auf den (speziell hier eben ausdrĂŒcklich bewundernden) âmĂ€nnlichen Blickâ auf Frauen anzuwenden. Ich denke, in dieser Auffassung von âsexistischâ liegt hier auch das VerstĂ€ndigungsproblem begrĂŒndet. Mal abgesehen davon, dass man als Mann schlicht und einfach keine Frauen (auch nicht bewundernd) anzuschauen sondern den Blick zumindest in der Ăffentlichkeit gefĂ€lligst schamhaft Richtung StraĂenbelag gesenkt zu halten hat. Dann kommt man auch nicht ins Stolpern ⊠Und Frauen können endlich erhobenen Hauptes auf den StraĂen spazieren gehen ohne befĂŒrchten zu mĂŒssen, im Vergleich zu ihren Geschlechtsgenossinnen einen unvorteilhaften Eindruck auf MĂ€nner zu machen.
Aber eigentlich wollte ich deswegen nachhaken:
ZunĂ€chst einmal ist die Reihenfolge hier sicher versehentlich vertauscht; d.h. Du stellst da einen Zusammenhang flor - Geschlechtsteil her. Das fĂ€llt mir schwer nachzuvollziehen - steht âflorâ im Spanischen neben der Hauptbedeutung âBlume / BlĂŒteâ doch (figurativ) u.a. fĂŒr âUnschuldâ oder auch âJungfrĂ€ulichkeitâ (wobei man den Kontext beachten sollte). Jedenfalls mW fĂŒr nichts in Richtung âGeschlechtsteilâ. Auch wenn âBlĂŒtenâ zweifellos Geschlechtsorgane der Pflanzen sind. Sollte man mal dran denken, bevor man das nĂ€chste Mal seine Nase in eine BlĂŒte steckt âŠ
Ăberhaupt scheint mir âKontextâ hier der entscheidende Punkt zu sein. Dem Reinen ist alles rein. Den Schweinen ist alles Schwein. Und gewissen Paranoiden gilt die Gleichung: alle MĂ€nner sind Schweine. qed. Das entbehrt schon nicht der Komik, auch wenn es wohl als pathologisch einzustufen und daher eher tragikomisch ist.
Jedenfalls bleibt zu hoffen, dass die Kunst am Bau nach der ĂbertĂŒnchung auf mehr Zustimmung beim AStA stöĂt. Vielleicht sollte man es statt mit preisgekrönter konkreter Poesie doch besser - an meine obige Anmerkung anknĂŒpfend - mit etwas volkstĂŒmlicherer Lyrik versuchen (womit ich nichts gegen Barbara Köhler gesagt haben will). Etwa so etwas:
MĂ€nner sind Schweine
Traue ihnen nicht, mein Kind
Sie wollen alle nur das Eine
FĂŒr wahre Liebe sind sie blind
MĂ€nner sind Ratten
Begegne ihnen nur mit List
Sie wollen alles begatten
Was nicht bei drei auf den BĂ€umen ist
MĂ€nner sind Schweine
Frage nicht nach Sonnenschein
Ausnahmen gibtâs leider keine
In jedem Mann steckt doch ein Schwein
In diesem Sinne,
Ralf
Mit dem âbewunderndâ ist das halt so eine nicht ganz einfache Sache
Vgl. z.B.:
Ich habe kursorisch auf eine feste Traditionslinie in der Kunst hingewiesen: Goethes Heideröslein, auch Manets Olympia im anderen Thread usw. Das lassen sich bestimmt hunderte bekannte Beispiele finden, bei denen die Blume zeichenhaft auf das weibliche Geschlechtsteil verweist.
Es geht ja nicht einzig, oder eigentlich sogar kaum, um die Semantik des Begriffs âflorâ in der spanischen Sprache. Der Vorteil des Spanischen ist lediglich, dass ĂŒber das âDeFLORierenâ der Zusammenhang Blume und wbl. Geschlechtsteil unmittelbar einleuchtet.
[In der von mir erlernten und praktizierten Psychotherapie-Methode, der Katathym Imaginativen Psychotherapie, verwenden wir Motivvorgaben, um Assoziationen des Patienten zu bestimmten Themengebieten anzuregen. FrĂŒher hatten wir noch das Motiv des âRosenbuschsâ (âStellen Sie sich einen Rosenbusch vor âŠâ), spezifisch um den Themenkreis âmĂ€nnliche (Hetero)SexualitĂ€tâ in den Fokus zu nehmen; da hat man dann z.B. Hemmungen des Patienten erfassen wollen, die BlĂŒtenblĂ€tter abzuzupfen usw.]
GruĂ
F.
Ein Mann absolviert eine psychiaitrische Untersuchung. Der Arzt zeichnet ein Quadrat: âWoran denken Sie herbei?â âAn nackte Weiber!â Der Arzt zeichnet einen Kreis: âWoran denken Sie hierbei?â âAn nackte Weiber!â Der Arzt zeichnet Wellenlinien: âWoran denken Sie hierbei?â âAn nackte Weiber!â Der Arzt legt den Stift beiseite: âMir scheint, nackte Weiber sind eine fixe Idee von Ihnen!â âWas heiĂt da von mir? Wer zeichnet denn die ganzen Schweinereien?â
Ă propos Psychiatrie-Zeichnen-Interpretieren: Wenn man die Bilder des Rorschach-Tests anschaut, dann meint man auch, âalles liegt im Auge des Betrachtersâ.
Das stimmt natĂŒrlich, aber die Bilder (und deren Reihenfolge) sind so gemacht, dass sie die Augen der unterschiedlichen Betrachter recht verlĂ€sslich separieren können und so z.B. eine durchaus brauchbare und valide (gemessen an externen Messinstrumenten wie klinisch-psychologischen Testverfahren) Diagnostik erlauben.
Alles liegt im Auge des Betrachters - und zugleich doch nichts.
So ist es auch mit guten Gedichten.
GruĂ
F.
Mark Lilla aktuell im Zeit±Interview âDie wollen deine Seeleâ zu âIdentitĂ€tspolitikâ und âLinkeâ:
ââŠexpressiv, nicht persuasivâŠDie sind gar nicht daran interessiert, irgendwen zu ĂŒberzeugen. Es geht ihnen nur darum, jemandem âeine Stimme zu gebenâ, âNarrativeâ zu schaffen und Urteile zu fĂ€llen ĂŒber andere.â
ââŠdie wollen deine Seele. Die wollen, dass du niederkniest und deine SĂŒnden beichtest.â
Dieses amerikanische PhĂ€nomen aus den achtziger Jahren ĂŒberrollt mittels âeuropĂ€ischen Wertenâ aktuell auch die deutsche Gesellschaft und Kulturlandschaft. Sie ersetzt StĂŒck fĂŒr StĂŒck die bislang herrschende radikale linke Szene.
Interessant auch zwei Kommentare eines Lesers des Artikels zu den liberalen, politischen HintergrĂŒnden und Absichten mittels Verweis auf den Philosophen [man möchte fast meinen Propheten] Richard Rorty vor zwanzig Jahren, unter anderem:
âThe super-rich will have to keep up the pretense that national politics
might someday make a difference. Since economic decisions are their
prerogative, they will encourage politicians of both the Left and the
Right, to specialize in cultural issues. The aim will be to keep the
minds of the proles elsewhere â to keep the bottom 75 percent of
Americans and the bottom 95 percent of the worldâs population busy with ethnic and religious hostilities, and with debates about sexual mores.
If the proles can be distracted from their own despair by media-created
pseudo-eventsâŠthe super-rich will have little to fear.â
Es gelingt unzweifelhaft. Nicht nur bei Kunst. Im Denken allgemein. In der âĂberzeugungâ. In der Verblendung.
pasquino
Hallo,
ist es gleich ignorant, wenn man ein âGedichtâ ĂŒberflĂŒssig findet?
Ich kann dem Spruch nichts abgewinnen, finde ĂŒberstreichen ein gute Idee - wer weiĂ, welch interessante Graffiti anschlieĂend dort auftaucht? Womöglich sogar in einer Sprache, die die meisten Leser verstehen.
GruĂ, Paran
âAusser man unterschreibt âŠâ
und dort treffen wir uns doch wieder.
GruĂ
vdmaster
P.S.: Erwarte nicht, dass ich um 06:37 schon alle Deine BeitrÀge gelesen habe, bevor ich auf den ersten antworte.
Hier sind wir vollkommen auf gleicher WellenlÀnge,
Eigentlich handelt es sich um selbsternannte, fanatische KulturrevolutionĂ€re, die versessen darauf sind, die Freiheit (u.a. BĂŒrgerrechte) zu ersticken und die Gesellschaft einen Art viktorianischer Doktrin zu unterwerfen.
âHeilsarmeeâ 2.0 (womit ich den AnfĂ€ngen der Heilsarmee bereits Unrecht antue). Dein âtalibaneskâ trifft voll ins Schwarze.
GruĂ
vdmaster
Es folgt das Gedicht einer spÀteren PreistrÀgerin.
a) ist doch bereits eine interpretatorische Verrenkung. Als nÀchstes stellst du einen Bezug zwischen Geschlechtsteil und Allee her? Kann man machen. Muss man aber nicht.
Und warum um alles in der Welt soll die Bewunderung von Frauen sexistisch sein?
"Se·xiÌŁs·mus
Substantiv [der]
Bezeichnung fĂŒr alle Formen der UnterdrĂŒckung und der Benachteiligungen aufgrund der Geschlechtszugehörigkeit."
funktioniert nicht, weil Sexismus nach obiger Definition - zumindest in unserer Gesellschaft - nicht toleriert werden kann.
Aber Frauen ihres Frauseins wegen zu bewundern, steht doch in keinster Weise einem respektvollem und gleichberechtigtem Umgang entgegen.
Oder anders gesagt: Sexismus wĂ€re, die Blume zu pflĂŒcken.
GruĂ,
Kannitverstan
Apropos âtalibaneskâ: https://www.waz.de/staedte/gelsenkirchen/religioes-motivierte-drohungen-gegen-rewe-supermaerkte-id213225975.html
Welcher Wert hier wohl auf der nach unten offenen Idiotenskala erreicht wird?