Hallo Werner,
ich möchte die Gelegenheit wahrnehmen, in dieser Antwort noch einmal die wesentlichen Gesichtspunkte zusammenzufassen. Gefragt war von Susanne, welcher Anteil der von ihr als Nicht-Kirchenmitglied gezahlten Steuern an die Kirche geht. Unter ‚Steuern‘ ist hier generell NICHT die Kirchensteuer zu verstehen, diese wäre korrekter als Mitgliedsbeitrag zu bezeichnen.
Diese Frage ist alles andere als einfach zu beantworten, trotzdem habe ich mich an einer Antwort versucht. Diese Antwort beruht
a) auf den staatlichen Subventionen für die Kirchen sowie
b) auf den von Kirchen für öffentliche Aufgaben verwendeten Ausgaben, die ansonsten vom Steuerzahler getragen werden müssten und daher von den Subventionen abgezogen werden müssen.
Ich denke, wir können uns zumindest darauf einigen, dass ein solcher Ansatz korrekt ist. Bei der Bezifferung der beiden Posten a) und b) habe ich mich auf das mehrfach erwähnte Buch Carsten Frerks bezogen und so weit im Internet verfügbar die Zahlen verlinkt. Dies gilt insbesondere für die Aufstellung und Bezifferung der Subventionen hier: http://www.spart-euch-die-kirche.de/images/tabellesu…
Beschäftigen wir uns zunächst noch etwas mit den a) Subventionen.
1.) Subventionen sind nicht etwas grundsätzlich Schlechtes. Es gibt sinnvolle Subventionen (dass ich persönlich z.B. die Subventionierung der Erhaltung kulturhistorisch bedeutsamer Bauwerke für sinnvoll halte, habe ich durchblicken lassen) und nicht sinnvolle Subventionen. Welche Subventionen sinnvoll sind und welche nicht, darüber kann man geteilter Meinung sein. Geteilter Meinung sind da vor allem in schöner Regelmäßigkeit die Empfänger von Subventionen und die, die sie über ihre Steuern aufbringen dürfen.
2.) Jedenfalls ist es nicht im Sinn einer sachgerechten Diskussion, einzelne sinnvolle Subventionen herauszugreifen, um die Subventionen insgesamt zu rechtfertigen wie auch das Gegenteil - einzelne sinnlose Subventionen anzuprangern, um damit die Subventionen insgesamt in Bausch und Bogen zu verdammen. Das sind nur polemische Ablenkungsmanöver (von denen ich auch mich selbst nicht ganz freisprechen will).
3.) Ob nun aber sinnvoll oder nicht - das ist eine andere Diskussion. Gefragt war nach der Höhe der Subventionierung, nicht danach, ob sie (in dieser Höhe) sinnvoll ist.
4.) Subventionen gibt es in direkter und in indirekter Form. Natürlich ist es richtig, dass indirekte Subventionen keine direkten Zahlungen an den Subventionsempfänger sind. Es sind aber Einnahmeausfälle, die vom Steuerzahler aufgebracht werden müssen.
Um ein aktuelles Beispiel zu nehmen: der vorgesehene Ökosteuerrabatt für Stromgroßverbraucher ist eine solche indirekte Subvention. Das bedeutet aber selbstverständlich nicht , dass der Fiskus nun auf diese Beträge schlicht verzichtet - der Einnahmeausfall muss gegenfinanziert werden. In diesem Fall durch eine Erhöhung der Tabaksteuer.
Auch die steuerliche Privilegierung der Kirchen ist eine indirekte Subvention; die entsprechenden Mindereinnahmen müssen selbstverständlich durch eine entsprechend höhere Steuerbelastung bei anderen Posten gedeckt werden. Insofern ist es absolut korrekt , auch die indirekten Subventionen für die Kirche bei der Belastung der Steuerzahler - also der Beantwortung von Susannes Frage - mit zu berücksichtigen.
5.) Schließlich kann man noch geteilter Ansicht sein, ob alle in dem oben nochmals genannten Link aufgelisteten Beträge tatsächlich als Subventionen anzusehen sind. Bestritten wurde dies hier so weit ich sehe eigentlich nur in Bezug auf die staatliche Finanzierung der theologischen Fakultäten - einen vergleichsweise marginalen Betrag von 0,62 Milliarden. Hier habe ich ebenfalls schon angedeutet, dass ich bereit bin einzuräumen, dass dies aus meiner Sicht zu Recht ein etwas zweifelhafter Punkt ist. Dann hätten wir statt im Jahr 2000 statt 13,7 immer noch 13,1 Milliarden Subventionen.
Offtopic: ‚Sauber‘ wäre mE die längst überfällige Auflösung und Reorganisation der theologischen Fakultäten - genauer die Eingliederung der wissenschaftlichen Bereiche in die Religionswissenschaft, während Exegese und praktische Theologie an kircheneigene Institutionen verwiesen gehört. Dort können die Kirchen dann meinetwegen auch nach Lust und Laune die Dozenten auskucken - und selbst besolden. Aber auch das ist eine (ziemlich hypothetische) Diskussion, die hier eigentlich nicht viel zur Sache beiträgt.
Kommen wir nun zu b) - den Ausgaben der Kirchen für öffentliche, nichtkirchliche Zwecke. Auch hier bin ich Frerk gefolgt und habe diese mit ca. 8% der Kirchensteuer angesetzt.
1.) Eine Generalisierung ist hier naturgemäß sehr schwierig, weil es natürlich zwischen den einzelnen Kirchen bzw. Bistümern Unterschiede gibt. Widerlegt wurde die Zahl nicht, es wurden nicht einmal andere Zahlen genannt - was auch sehr schwer möglich ist, da die Kirchen, wenn sie die Verwendung der Kirchensteuer überhaupt zur Einsichtnahme aufschlüsseln, bei den Posten ‚Caritas‘ und ‚Bildung‘ nicht zwischen den Ausgaben für rein innerkirchliche Projekten und der Trägerschaft von öffentlichen Aufgaben unterscheiden. Mir erscheint die Schätzung Frerks durchaus plausibel. Wem nicht, möge sich mit seinem Buch näher beschäftigen.
2.) Zur Plausibilität: der Anteil von 8% mag zunächst als überraschend niedrig angesetzt erscheinen. Wie wir jedoch hier in der Diskussion gesehen haben, werden die wirklich großen Ausgabeposten - Krankenhäuser, Schulen, Kindergärten, Sozialstationen - weitestgehend refinanziert , und zwar durch Mittel der öffentlichen Hand, Sozialversicherungskassen und private Nutzerentgelte. Wir haben gesehen, dass in die Finanzierung der kirchlichen Krankenhäuser überhaupt keine Mittel aus Kirchensteuern fließen, wir haben an Hand eines bayerischen Gymnasiums als Beispiel gesehen, dass dieses trotz eines verhältnismäßig geringen von den Eltern zu tragenden Schulgeldes (27,50 €/Monat) sogar einen leichten Überschuss erwirtschaftet. Die Ausgaben der Kirchen dürften wohl in erster Linie in die Kindergärten fließen, die im Schnitt lediglich zu 80% von der öffentlichen Hand finanziert werden - für die restlichen ca. 20% reichen die Elternbeiträge in aller Regel nicht ganz aus.
Selbstverständlich - dies sei nochmals ausdrücklich betont - sind diese Refinanzierungen durch die öffentliche Hand keine Subventionen , da damit öffentliche Aufgaben erfüllt werden.
3.) Selbst wenn man den prozentualen Anteil deutlich höher als 8% ansetzt, ändert das nichts an dem eklatanten Mißverhältnis im Vergleich zu den Subventionen. Nehmen wir als Beispiel die Diözese Köln, die nach eigenen Angaben (http://www.erzbistum-koeln.de/erzbistum/bistumsverwa…) 11% der Kirchensteuer für Bildung und 9% für Caritas aufwendet. Wohlgemerkt, ohne dass da zwischen innerkirchlichen und öffentlichen Aufgaben in kirchlicher Trägerschaft unterschieden wird. Nehmen wir großzügig noch die Posten für Investitionen (3%) und Sonstige (1%) hinzu und runden auf ein glattes Viertel (25%) auf. Und nehmen wir an, dass die Verhältnisse dieser reichsten Diözese weltweit generell auf die Verwendung der Kirchensteuer in Deutschland angewendet werden können.
Unser Stichjahr ist 2000, da haben wir nach dieser Quelle: http://fowid.de/fileadmin/datenarchiv/Kirchensteuere… ein Netto-Kirchensteueraufkommen von insgesamt (kath. Kirche und EKD) 8,760.795 Milliarden €. Diese Quelle scheint mir deutlich zuverlässiger als meine vorherige, nach ihr ergeben sich bei 8% Ausgaben für nichtkirchliche Aufgaben 701 Millionen (statt der von mir genannten 433). Setzen wir stattdessen 25% an, haben wir knapp 2,2 Milliarden. Stellen wir nun diese 2,2 Milliarden an Ausgaben den 13,1 Milliarden Subventionen (also ohne die auf Deinen Wunsch unberücksichtigten theologischen Fakultäten) gegenüber, ergibt sich ein Plus von 10,9 Milliarden. Das ist immer noch ein verdammt gutes Geschäft , IMHO.
Konzedieren wir Dir jetzt noch Deinen Wunsch und streichen auch komplett die indirekten Subventionen, dann bleiben 7,9 Milliarden direkte Subventionen. Hoppla, nein, wir wollten ja die Theologenausbildung nicht anrechnen - also 7,28 Milliarden. Minus 2,2 Milliarden ergibt immer noch ein Plus von 5,08 Milliarden € allein im Jahr 2000. Das ist immer noch ein verdammt gutes Geschäft. Sorry, aber noch schöner kann ich’s Dir beim besten Willen nicht rechnen.
Freundliche Grüße,
Ralf