Abraham, Moses, Jesus und das Opfer
Hi FraLang.
Nach Sobers Ausführungen bleiben nur noch ein paar Detailaspekte hinzuzufügen.
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Die Einführung des Geldes verdankt sich vermutlich den Opferkulten. Im alten Sumer wurde es Usus, anstatt von Tieropfern Metalle (Gold für den Sonnengott und Silber für den Mondgott) an die Priesterschaft zu spenden. Das dürfte der Anfang vom Geld als symbolischem Ersatz für Naturalien bzw. Leistungen sein (Tieropfer = Naturalie und Leistung zugleich).
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Hyam Maccoby stellt in seinem Buch „Der Heilige Henker“ die These auf, dass die Beschneidung ein symbolisches Opferritual ist. Zum einen verweist er auf die beiden Abraham-Geschichten (Tieropfer als Ersatz für Menschenopfer (die sog. Akedah) sowie die Forderung der Beschneidung als Besiegelung des Bundes mit Gott), zum anderen – und da ist der Zusammenhang deutlicher – auf die Episode in Gen 4,24, wo Moses die Beschneidung seines Sohnes hinnehmen muss, die Zippora gedankenschnell ausführt, damit Gott das Leben von Moses verschont.
Gen 4, 24:
Und als er unterwegs in der Herberge war, kam ihm der HERR entgegen und wollte ihn töten. 25 Da nahm Zippora einen Stein und beschnitt ihrem Sohn die Vorhaut und rührte ihm seine Füße an und sprach: Du bist mir ein Blutbräutigam. 26 Da ließ er von ihm ab. Sie sprach aber Blutbräutigam um der Beschneidung willen.
(allerdings ist die Zuordnung von „er“ in dieser Passage nicht ganz eindeutig)
Auch in Gen 1,17 wird das Opfern der Vorhaut zur Bedingung für das eigene Leben und den Bund mit Gott.
Gen 1,17:
14 Und wo ein Mannsbild nicht wird beschnitten an der Vorhaut seines Fleisches, des Seele soll ausgerottet werden aus seinem Volk, darum daß es meinen Bund unterlassen hat.
Man könnte also sagen, dass die Beschneidung ein Ersatz für Tier-bzw. Kinderopfer ist.
Das Opfern von eines Tieres oder Menschen kann auch als Gründungsmythos einer Religion angesehen werden.
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In Gen 1,22 wird der Bund zwischen Gott und Abraham via Engelsbotschaft errichtet. Abrahams (nicht realisierter, aber ernsthafter) Wille, Gottes zuliebe den eigenen Sohn zu opfern, bildet die Basis für den Bund, der die israelitische Religion begründet.
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Im Christentum ist die Kreuzigung von Jesus ein solcher Gründungsmythos. Auffällig ist, dass hier die Konstellation die gleiche ist wie im Falle von Abraham und Moses: Gott, der „Vater“ von Jesus, ist bereit, seinen Sohn zu opfern, um die Sünden der Menschheit zu vergeben. Vorbildhaft für diesen Mythos war eventuell Abraham als Vater, der seinen Sohn zu opfern gedachte. Auch in der Moses-Episode spielt das Opfer in Bezug auf seinen Sohn (Beschneidung) eine zentrale Rolle.
Was den christlichen Opfermythos betrifft, so ist dieser für sich betrachtet als Rückschritt gegenüber den jüdischen Ritualen anzusehen, denn es handelt sich um ein – wenn auch einmaliges – Menschenopfer. Der Gedanke dahinter ist ebenfalls ein Rückschritt hinter die Überlegungen des Judentums, die darauf abzielten, das praktische Handeln ethisch-moralisch weiterzuentwickeln. Im Christentum ist das treibende Motiv weniger das konkrete ethische Handeln als vielmehr die Angst vor der Nichterlösung durch Gott oder Christus. Dieser Unterschied war es ja, den Paulus hervorhob, um das Christentum vom Judentum abzugrenzen. Entwicklungspsychologisch gesehen, kann das nicht als Fortschritt bewertet werden, im Gegenteil.
Dementsprechend ist auch der Gründungsmythos ein regressiver: Menschenopfer statt Tieropfer (im Unterschied zum Gründungsmythos des Judentums).
In 1 Petr 1, 18-19 (der nicht Petrus zugeschrieben wird, welcher als historische Figur wissenschaftlich nicht anerkannt ist) wird der Opferaspekt klar betont:
Ihr wisst, dass ihr aus eurer sinnlosen, von den Vätern ererbten Lebensweise nicht um einen vergänglichen Preis losgekauft wurdet, nicht um Silber oder Gold, sondern mit dem kostbaren Blut Christi, des Lammes ohne Fehl und Makel.
Chan