Urtypen des persönlichen Opfers
Hi FraLang.
Mich interessiert im Besonderen Genesis 1 bis 11. Dort kommen drei Opferungen vor.
Schlag mich, wenn ich falsch liege, aber meinst du Kain/Abels, Noahs und Abrahams Opferhandlungen?
Welcher Kategorie gehören sie an?
Da gibt es sicher noch mehr Kategorien als die in deiner Überschrift genannten, wie z.B. das Dankopfer. Prinzipiell fallen o.g. Opferhandlungen jedenfalls nicht unter „Steuern und Abgaben“.
Die fraglichen Geschichten handeln in einem virtuellen und ungeschichtlichen Raum, ganz besonders was Kain/Abel und Noah betrifft. Für sich genommen gehören ihre Handlungen zur Kategorie „persönliches Opfer an einen persönlichen Gott“, denn sie sind im manifesten Text nicht Bestandteil eines Priesterkultes. Bei Kains und Abels Opfergaben handelte es offensichtlich um Beschwörungen eines Gottes, der für Fruchtbarkeit und/oder Wetter zuständig war. Bekanntlich lagen Jahwes Kompetenzen eine Zeitlang auch im klimatischen Sektor. Vom konkreten Kontext der Bibelstelle her kann man nicht sagen, dass die Opfer als „Steuer und Abgaben“ gedacht waren.
Ähnliches gilt sicher auch für Noah. Auch er ist nur ein virtuelle Gestalt, die den letzten „guten“ Menschen in der Masse der zum Untergang verurteilten Verdorbenen symbolisiert. Da wäre es sicher unpassend, seine Opferhandlung als „Abgabe“ einzuordnen, es war einfach ein Dankopfer, das den Gott zu seinem Gelübde motivierte, fortan keine apokalyptischen Gedanken mehr zu hegen.
Bei Abraham liegt die Sache etwas komplizierter, da man ihn – wenngleich auch eine mythische Figur – in einen historischen Kontext einordnen kann, sprich: die Mitte des 2. Jt. v.u.Z., mit geographischem Schwerpunkt in Harran/Nordmesopotamien, wo der Mondgott Sin der Obergott war, was auch auf spätere israelitische Anschauungen abfärbte, wie z.B. das Mondemblem auf manchen judaischen Siegeln zeigt sowie überhaupt die weite Verbreitung der Mondgottverehrung auch in Juda und Israel.
Was Abrahams Beinahe-Opferhandlung betrifft, die Akedah (=Bindung), so wird diese theologisch als bedingunglose Unterwerfung unter die Autorität Jahwes gedeutet. Abraham ist so der Idealtyp des gläubigen Israeliten und ein Vorbild für alle Jahwe-Gläubigen.
Es gibt die religionswissenschaftliche These, dass die Akedah eine allegorische Aufarbeitung des historischen Geschicks von Israel ist (vor allem Exil und Rückkehr). Israel widerfuhr das Exil, den babylonischen Exilanten zufolge, als Strafe für den Ungehorsam gegenüber Jahwe. Daher wurde Abraham von den exilischen Verfassern als leuchtender Idealtyp entworfen, welches Jahwe bedingungs- und selbstlos gehorcht.
Auch hier ist also nichts von „Steuern und Abgaben“ erkennen.
Ich zitiere noch einige Passagen aus dem AT, in denen es um persönliche Opferhandlungen geht, ganz unabhängig von Kontexten der Unterhaltung der Priesterschaft. Es handelt sich um eine besondere Form des Opfers: das Gelübde. Damit wandte sich der Opfende spontan und in einer persönlichen Angelegenheit an seinen Gott:
Micha 6:
6 Womit soll ich den HERRN versöhnen, mich bücken vor dem hohen Gott? Soll ich mit Brandopfern und jährigen Kälbern ihn versöhnen? 7 Wird wohl der HERR Gefallen haben an viel tausend Widdern, an unzähligen Strömen Öl? Oder soll ich meinen ersten Sohn für meine Übertretung geben, meines Leibes Frucht für die Sünde meiner Seele?
Richter 11:
30 Und Jephthah gelobte dem HERRN ein Gelübde und sprach: Gibst du die Kinder Ammon in meine Hand: 31 was zu meiner Haustür heraus mir entgegengeht, wenn ich mit Frieden wiederkomme von den Kindern Ammon, das soll des HERRN sein, und ich will’s zum Brandopfer opfern. 32 Also zog Jephthah auf die Kinder Ammon, wider sie zu streiten. Und der HERR gab sie in seine Hände.
Jona 2:
2 Und Jona betete zu dem HERRN, seinem Gott, im Leibe des Fisches. 3 Und sprach: Ich rief zu dem HERRN in meiner Angst, und er antwortete mir; ich schrie aus dem Bauche der Hölle, und du hörtest meine Stimme. 4 Du warfest mich in die Tiefe mitten im Meer, daß die Fluten mich umgaben; alle deine Wogen und Wellen gingen über mich, 5 daß ich gedachte, ich wäre von deinen Augen verstoßen, ich würde deinen heiligen Tempel nicht mehr sehen. 6 Wasser umgaben mich bis an mein Leben, die Tiefe umringte mich; Schilf bedeckte mein Haupt.7 Ich sank hinunter zu der Berge Gründen, die Erde hatte mich verriegelt ewiglich; aber du hast mein Leben aus dem Verderben geführt, HERR, mein Gott. 8 Da meine Seele bei mir verzagte, gedachte ich an den HERRN; und mein Gebet kam zu dir in deinen heiligen Tempel. 9 Die da halten an dem Nichtigen, verlassen ihre Gnade.10 Ich aber will mit Dank dir opfern, mein Gelübde will ich bezahlen; denn die Hilfe ist des HERRN. 11 Und der HERR sprach zum Fisch, und der spie Jona aus ans Land.
1 Sam 1:
9 Da stand Hanna auf, nachdem sie gegessen hatten zu Silo und getrunken. (Eli aber, der Priester, saß auf einem Stuhl an der Pfoste des Tempels des HERRN.) 10 Und sie war von Herzen betrübt und betete zum HERRN und weinte sehr 11 und gelobte ein Gelübde und sprach: HERR Zebaoth, wirst du deiner Magd Elend ansehen und an mich gedenken und deiner Magd nicht vergessen und wirst deiner Magd einen Sohn geben, so will ich ihn dem HERRN geben sein Leben lang und soll kein Schermesser auf sein Haupt kommen.
Chan