Wut als positiver Verhaltensträger?

Hallo ihr Lieben.
Kann es mich und meine Persönlichkeit positiv beeinflussen und stärken, wenn ich ab und an meiner Wut freien Lauf lasse, um kurz aus der Haut zu fahren, oder sollte man diesem Drang lieber nicht nachgehen? Aber ist es nicht besser mal richtig Dampf abzulassen, anstatt das Bündel an Wut und Trauer ewig verschlossen mit sich herum zutragen?

Ich denke nein.
Mal unabhängig davon, dass hinter Wut oft Traurigkeit steht und dieses Gefühl nur nicht empfunden werden möchte-- Wut ist halt leichter zu ertragen als Traurigkeit- ist damit schon klar, dass man tiefer hinsehen sollte als nur bei der Wut „stehen zu bleiben“.

Dazu kommt, dass wir den Gegenüber doch erreichen möchten und man aber doch keinen Wunsch nach Verbindung entwickeln lässt, wenn man seine Wut offen darlegt :wink:
Also welcher Lerneffekt soll heraus kommen?
Und Fakt ist auch, dass man sich nicht besser fühlt indem man seine Wut nur heraus lässt. Was hinter der Wut tatsächlich steckt- das fehlende Bedürfnis- wird dadurch nicht gesättigt.

Natürlich ist es nicht gesund voller Wut und Trauer herum zu laufen- gleichzeitig ist die Lösung mal sicher NICHT, an dem seine Wut auszulassen, der uns gerade als Grund erscheint.
Und zwar deshalb, weil ein Gegenüber zwar der Auslöser für die Wut sein kann aber nicht die Ursache ist.
Das muss man deutlch unterscheiden!

Es wird Dir also kaum besser gehen, wenn Du die Wut einfach so raus lässt!
Schau lieber genauer hin, was hinter der Wut steckt und geh dem nach…

lg kitty

Auch ein Rosenberg-Fan? :wink:

Ich kann dir in allem nur zustimmen.

Jule

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Der Volksmund sagt „Gewitter reinigen die Luft“ und meint damit, dass es manchmal tatsächlich erleichternd sein kann, den Druck, der sich in einem aufgestaut hat, abzulassen.

Das große „Aber“: Jede Aktion zieht eine Reaktion des Gegenübers nach sich. Wenn du beim „kurz aus der Haut fahren“ Dinge sagst, die den anderen verletzen, ist es zwar möglich, dass es dir erst mal besser geht, dass du aber dabei so viel Porzellan zerschlagen hast, dass eure Beziehung einen ernsten Bruch dabei erleidet.

Da nutzt es dann auch nichts, wenn dir anschließend leid tut, was du gesagt hast. Mag sein, dass dein Gegenüber dir verzeiht - ganz sicher aber nicht auf Dauer, wenn du dich auch weiterhin nicht im Griff hast.

Tipp: Wenn dir danach ist, „aus der Haut zu fahren“ verlasse die Situation. Am besten, in dem du das kurz mit deinem Gegenüber kommunizierst, etwa mit „Ich muss mal an die frische Luft. Wir reden nachher weiter“. Dann weiß dein Gesprächspartner, dass du dem Gespräch nicht ausweichen willst und kann in der Regel besser damit umgehen, mitten in einem Disput stehengelassen zu werden.

Noch besser (aber nur in vertrauteren Beziehungen möglich): In entspannter Stimmung besprechen, dass du beim nächsten Streit lieber rausgehen und runterkommen als das Gespräch eskalieren lassen möchtest.

Und für den Moment, in dem die Wut erst mal verraucht ist, empfehle ich dringend den Rat von Kitty: Such nach dem Bedürfnis hinter der Wut. Oftmals stecken hinter einem Wutanfall Bedürfnisse nach Autonomie, Solidarität oder Sicherheit.

Jule

Im Grunde stimme ich meinen Vorschreiberinnen zu. Allerdings sehe ich es in einem Punkt etwas anders. Nämlich das wichtigste ist meiner Ansicht nach erst keine Wut zu zulassen. Das erreicht man in dem man lernt Konflikte zunächst einmal überhaupt auszutragen und sie dann auch noch richtig auszutragen. Das ist natürlich einfacher gesagt als getan und deshalb wenn du dennoch Wut empfindest gehe in Gedanken folgende Schritte durch: Was will ich erreichen? Erreiche ich das mit einem Wutausbruch? Ja dann handle. Wenn nein dann denke noch einmal nach. In 99,9% der Fälle wirst du auf Nein kommen. Aber alleine das kurze Nachdenken wird dich mit großer Wahrscheinlichkeit daran hindern einen Wutausbruch zu bekommen. Stattdessen kannst du dann wie schon weiter oben beschrieben von jemand anderem die akute Situation verlassen und die Wut bspw. im Sport umkanalisieren.

Aber kommt die Wut nicht dann irgendwann in einer verschlimmerten Form zum Vorschein, wenn man sie immernur runterschluckt?

Wut hat ihre Ursache in unerfüllten Bedürfnissen. Solange die nicht befriedigt sind, wird auch die Wut immer wieder kommen.Es macht also Sinn, nach den Bedürfnissen zu suchen, die hinter der Wut stehen.

Um Dampf abzulassen gibt es durchaus mehr Alternativen, als dem anderen seine Wut um die Ohren zu hauen. Einige wurden hier bereits genannt.

Und: Manchmal WILL man sein Gegenüber auch treffen, indem man seine Wut an diesem auslässt. Dann muss man damit fertig werden, dass man unter Umständen irreparable Schäden anrichtet.

Wenn man das nicht möchte, muss man lernen, seine Wut umzulenken und ihre Ursachen zu finden.

Jule

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Hallo Jule,

Muss nicht sein, kommt auch aus anderen Ecken der Psychologie und aus der Psychotherapie. Hätte ich nicht andere Quellen gehabt, hätte ich vieles aus Rosenbergs Umgebung nicht verstehen können und es wöre leeres Geschwätz geblieben

Jaaaa…absolut!! :smile:
lg kitty

Was für eine Wut?

Hallo,

das kommt darauf an, würde ich sagen. Geht es Dir um akute Wut-Situationen oder eher um eine grundsätzliche Lebenswut und Trauer, die Du mit Dir herum trägst?
Wirst Du eher schnell wütend? Bist Du auch mal jähzornig? Oder bist Du eher still und zurückgezogen, lässt Dich leicht mal überrennen und bist eher zu freundlich und verbindlich?

Wut ist erstmal ein gutes, kräftiges Gefühl. Gefühle wahrzunehmen und für sich selbst gelten zu lassen, ist meistens eine gute Sache. Wie weit und wann man ein Gefühl auslebt, eine andere.

Ich hatte gestern einen blöden Tag. Bin dann irgendwann in der Küche über eine am Boden stehende leere Milchflasche gestolpert und habe sie daraufhin herzhaft verflucht. Mir hat’s geholfen, Dampf abzulassen, und der Milchflasche hat es, soweit ich sehen kann, nicht geschadet.

Wenn Du sagst, dass Du immer eine unterdrückte Wut mit Dir herumträgst, würde ich sagen: der Wut auf den Grund gehen. Nicht unbedingt in erster Linie ausleben, sondern verstehen lernen. Dazu braucht es auch Ausdrucksmöglichkeiten, aber nicht unbedingt das akute Aus-der-Haut-Fahren. Das bringt dann nicht viel.

Wenn Du schnell wütend wirst, brauchst Du eher einen Umgang mit der Wut, dass sie Dich nicht beherrscht. Dampf ablassen ja, aber so, dass Du andere damit nicht verletzt. Manchmal hilft Humor, manchmal ist es gut, rauszugehen und für sich selbst ein bisschen zu toben und dann wieder durchzuatmen.

Wenn Du sehr zurückhaltend bist, kann Wut eine ganz gute Kraftquelle sein, um auch mal entschiedener aufzutreten.

Viele Grüße,

Jule

Hallo Jule,

mir erscheint deine Differenzierung auch wichtig.

In einer akuten Stresssituation Dampf abzulassen, schadet weder einem selbst, noch dem anderen, aber auch wenn die Wut in dieser Situation nicht ausgelebt wird, führt es nicht dazu

das Bündel an Wut und Trauer ewig verschlossen mit sich herum zutragen?

weil eine solche Situation keine Tiefe hat.

Andernfalls:
Handelt es sich um ein Verbot berechtigter Wut, unter der subtilen Androhung, einen anderen zu verletzen?.
Mobbt oder triezt da jemand tatsächlich ?, und/oder tritt die Wut gegen verschiedene Personen, oder in unverhältnismäßiger Intensität auf, so dass sie eher projiziert ist, und vieles in den falschen Hals gerät?

Nichts davon kann ich aus dem Text klären.
Deshalb kann ich nur meinem ersten Gefühl stattgeben und an den/die UP rückfragen:
Woher kommt denn deine tiefe Verunsicherung, was in diesem Punkt richtig oder falsch ist?

Viele Grüße
Heidi

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Hallo Grely,

Du hast ja schon einige gute Antworten bekommen. Ich denke nicht, dass es wie MBoM schreibt, darauf ankommt, seine Wut zuzulassen und auszuleben. Bei der Erziehung meiner Kinder habe ich eine interessante Erfahrung gemacht: Wut ist Einstellungssache! Es kam vor Allem als meine Kinder noch klein waren immer wieder vor, dass ich mich geärgert habe. Daraus hätte durchaus auch Wut entstehen können. Da habe ich gelernt, einen inneren Standpunktwechsel durchzuführen: Ich habe festgestellt, dass meine Kinder dies oder jenes noch nicht können, und sie es erst noch lernen müssen. Dafür habe ich mich zuständig gefühlt. Das hat sich an-gefühlt wie ein innerer Standpunktwechsel. Der Ärger und damit jede Aussicht auf Wut dar daraufhin wie weggeblasen. Wut ist also in erster Linie eine Einstellungssache. Und natürlich haben Kitty und Jule Recht, dass dahinter oft unbefriedigte Bedürfnisse stecken. Wenn wir uns aber klarmachen, dass der Andere, aus welchen Gründen auch immer, gerade nicht in der Lage ist, unsere Bedürfnisse zu befriedigen und wir ihn verstehen, warum er das gerade nicht kann, dann kommt bei uns auch kein Ärger und keine Wut auf.

Wut ist nämlich sehr hinderlich, wenn wir einen Konflikt mit einem unserer Mitmenschen klären wollen und eine Lösung erreichen wollen. Wut führt in aller Regel dazu, dass wir viel Porzellan in der Beziehung
zerschlagen und damit die Beziehung auf lange Sicht belasten. Das mag kurzfristig immer wieder mal zum Ziel führen. Aber sie beschädigt jede Beziehung auf Dauer. Mit etwas Übung, und natürlich Verständnis der Mechanismen, warum Menschen in uns Ärger auslösen können wir, indem wir für unsere Mitmenschen Verständnis haben viel leichter Kompromisse erzielen, mit denen beide Konfliktparteien leben können. Es muss also nicht immer Verlierer geben.

Gute Anlaufstellen für die Einarbeitung in gute Kommunikation sind, wie schon Jule geschrieben hat Marshall Rosenberg, aber auch Schultz von Thun (wissenschaftlich) oder Barbara Berckhan (sehr Praxisbezogen, aber keine Hilfe den eigenen Ärger gar nicht erst entstehen zu lassen). Wenn der eigene Ärger und die damit zusammenhängende Wut gar nicht erst entsteht, dann brauchst Du sie auch nicht mit Dir herumtragen, und sie zerfrisst Dich auch nicht.

Übrigens ist es eine sehr komfortable Position, den Ärger unter Kontrolle zu haben. Daraus erwächst wirkliche Stärke für die Persönlichkeit. Du kannst es nämlich plötzlich ganz gezielt steuern, ob Du Dich ärgern willst oder nicht. Und dann stellst Du plötzlich fest, dass Du ohne Ärger und Wut viel weiter kommst! Du musst plötzlich die Anderen nicht mehr Klein machen! Du kannst sie achten und ihre Fehler und Schwächen akzeptieren und mit etwas Beschäftigung mit dem Thema findest Du auch Wege, wie Du Probleme gewinnbringend besprechen kannst.

Viel Erfolg wünscht Dir Barney

Wo habe ich denn gesagt dass es gut ist seine Wut auszulassen?

Hallo MBoM

Das hast Du doch geschrieben, oder? Ich denke ein Wutausbruch ist nie gerechtfertigt, da er einer guten Kommunikation im wege steht

Ja das habe ich geschrieben aber dann musst du weiter lesen… da sage ich dass man die Wut umkanalisieren soll und dass man in 99,9 % der Fälle bei der Frage ob sich ein Wutausbruch lohnt zu der Antwort Nein kommt.

Hallo MBoM,

Darum geht es mir nicht. Du hältst Wut für Akzeptabel, wenn Du damit Deine Ziele erreichen kannst. Der Andere spielt dabei keine Rolle. Darin sehe ich das Problem. Ich sehe die Lösung in gegenseitigem Respekt, und Wut verhindert ein Nachdenken über die Situation des Anderen und ist für mich damit abzulehnen. Deshalb halte ich Wut grundsätzlich für falsch, auch in 0,1% der Fälle.

LG

Ich habe nie gesagt dass ich Wut für akzeptabel halte oder für gut oder dass man dabei über Leichen gehen soll… und ja es gibt seltenste Fälle in denen Wut was bewirkt. Wut kann ungemeine Kräfte freisetzen. Dies kann zum Beispiel bei Gegenständen helfen (z.B. wenn ein Gegenstand zu schwer ist). Aber wo habe ich denn bitte geschrieben, dass man Wut ohne Rücksicht auf Verluste ausleben soll. Außerdem habe ich klar geschrieben, dass die Überlegung handeln oder nicht handeln Zeit gewinnen lässt und somit Zeit zum abkühlen der Gemüter führen kann. Um somit die Impulsivität zu dämmen. Hoffe jetzt ist es klar.

Hallo MBoM

Du hast geschrieben:

Damit sagst Du aus, dass Du Wut für akzeptabel hältst um Ziee zu erreichen. Aber Deine Ausführungen haben noch einen anderen Denkfehler:

Wut ist ein so starkes Gefühl, dass da üblicherweise das Denken ausgeschaltet wird! Es gibt nur weinige Menschen die einen Kontrollierten Wutausbruch spielen können. Wenn ich es schaffe, die Wut unter Kontrolle zu bringen, dann lebe ich sie mit Sicherheit nicht aus, sondern suche vernünftige Lösungen. Das ist viel kraftvoller. Die Kraftanstrengung kann auch ohne Wut gesteigert werden. Frage einmal einen KungFu-Kämpfer, der agiert vollkommen ohne Wut!

Ooooh man… ich gebe auf. Es gibt Menschen die wollen einen falsch verstehen. Ich denke der Rest der Welt hat verstanden was ich geschrieben habe und die Diskussion mit dir scheint keinen Sinn zu machen. Aber das schöne ist Du schreibst Wut ist ein so starkes Gefühl dass man da nicht mehr nachdenken kann. Aber du bist wohl der einsame Held der genau das schafft und deshalb nie Wutausbrüche bekommt. Naja wie gesagt diese Diskussion macht keinen Sinn mehr und bringt den Frageschreiber auch nicht weiter. Denn egal was ich schreibe du wirst weiter aus dem Zusammenhang zitieren und einfach weiterhin 90% des Inhalts meiner Texte unter den Tisch fallen lassen.

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Hallo MBoM

Genau das schreibt auch Marshall Rosenberg, er nennt es nur sich oder/und dem Anderen Empathie geben. Meine Kinder waren da großartige Lehrmeister, denn wenn ich mich geärgert hatte, ging Erziehung plötzlich gar nicht mehr. Nachdem ich diesen beschriebenen Standpunktwechsel durchgeführt hatte, konnte ich ruhig und gelassen mit ihnen reden und sie von der Notwendigkeit dessen überzeugen, was ich für Richtig hielt. Das war natürlich keine Einbahnstraße! So manchen alten Zopf musste ich abschneiden, weil mich meine Kinder überzeugt hatten. Aber das war auch gut so. Bin Heute stolz auf die Jungs. Ein Lerngesetz lautet übrigens: „Erfolg verstärkt ein Verhalten!“ Und wenn dann Erziehen plötzlich gerht, wenn man sich nicht mehr Ärgert? Tja dann ist das ein Erfolg und man lernt sehr schnell vom Ärgermodus in den Vernunftsmodus umzuschalten. Ja das gelingt mir ganz gut!

Eine weitere Erkenntnis hilft mir weiter, mich nicht zu ärgern: Die meisten Menschen haben gelernt, sich zu ärgern, wenn etwas nicht so läuft, wie sie wollen. Dabei rückt der Andere aus dem Blickfeld und es wird egoistisch nur das Eigene Ziel verfolgt. Das verhindert ein gegenseitiges Verständnis. Aber wenn Du Dich einmal mit moderner Kommunikation beschäftigst (siehe oben) dann wirst Du schnell sehen, dass Gegenseitiges Verständnis die Grundvoraussetzung ist, um mit den Mitmenschen Kompromisse zu schließen und mit ihnen zu leben, anstatt gegen sie. Das ist auch das Prinzip, das hinter der Mediation steckt! Also einfach einmal mit der Materie beschäftigen. Ist echt interessant und hilfreich!