Hallo!
Gerade WEIL wir eine gigantische
privatwirtschaftlich-dezentral organisierte Zensurapparatur
haben, kann der Staat es sich leisten, auf eine zentrale
staatliche Zensurapparatur zu verzichten.
Das Problem ist vermutlich zu komplex, um es in zwei oder drei Zeilen erschöpfend abzuhandeln. Der Schutz des privat(wirtschaftlich)en Handelns ist ein hohes und wichtiges Gut. Durch die zunehmende Privatisierung des öffentlichen Raums und der öffentlichen Aufgaben verschwimmen aber immer mehr die Grenzen zwischen dem Privaten und dem Öffentlichen. Unsere Gesellschaft ist in einem hohen Maße von der Privatwirtschaft abhängig. Das macht korrigierende Maßnahmen notwendig. Als ein Beispiel möchte ich das „Jedermannkonto“ nennen, mit dem der Staat dafür gesorgt hat, daß auch derjenige, der unter privatwirtschaftlichen Gesichtspunkten von keiner Bank als Kunde akzeptiert werden würde, über ein Konto verfügen kann.
Strom, Telefon, Post sind heute weitgehend in privater Hand. Die meisten Leute sehen nur Wettbewerb und gesunkene Preise. Es bedeutet aber auch, das man unter Umständen keinen Telefonvertrag bekommt, weil man in der falschen Gegend wohnt und die falschen Eltern hat. Bei der Post wird laut darüber nachgedacht, in strukturschwachen Gegenden die Briefe nur noch alle zwei Tage auszuliefern.
Ein Freund ist mit seiner Internetseite bei mehreren Anbietern rausgeflogen. Die erotischen Inhalte waren nach Ansicht der Betreiber „jugendgefährdend“. Rein rechtlich war das Humbug. Aber der Anbieter hat so entschieden. Freies Internet? Nein, nicht wirklich.
Diese gesellschaftpolitische, philosophische und juristische Debatte wird uns in den kommenden Jahren noch viel Kopfzerbrechen bereiten.
Der Kern dieser „erweiterten Zensur“ ist und bleibt die
staatliche Zensur bzw. Gesetzgebung.
Durchaus, ja. Man sieht ja auch in der Politik gelegentlich das Bestreben, nicht den rechtstaatlichen Weg zu gehen, sondern die Abkürzung über das privatwirtschaftliche Handeln zu nehmen. Ich will das Wort „Zensur“ nicht benützen, wenn es um strafbare Inhalte wie Volksverhetzung oder Kinderpornographie geht - es wird aber deutlich, daß auch hier die Politik gerne den bequemen Weg über die Hausmacht der Provider geht und nicht den deutlich anstrengerenden Weg über die Gesetzgebung. Daß darin auch die Gefahr des Mißbrauchs liegt, ist unbestritten.
Gruß,
Max