Wenn man öffentlich zur Schau gestellt hat, dass man so gar keine Ahnung von einem Thema hat, kann man:
- Sich ein tiefes Loch suchen und darin verschwinden, bis Gras über die Sache gewachsen ist.
- Sie für die Aufklärung bedanken, die einem Leute mit entsprechendem Hintergrund haben zukommen lassen, und sich so mit der Materie beschäftigen, dass man zukünftig mitreden kann.
- Auf dem Unsinn beharren, den man verzapft hat, und gegen jeden schießen, der es besser weiß.
Aber wenn man dem Fass so richtig die bodenlose Krone ins Gesicht schlagen will, dann toppt man 3. mühelos, indem man in zwei Sätzen noch mal zwei weitere Beweise dafür liefert, dass man tatsächlich nicht den Hauch einer Ahnung hat.
In der ersten Vorlesung zum Staats- bzw. Verfassungsrecht lernt man gleich nach der Begrüßung, dass nur der Looser immer gleich mit Grundrechten um sich schlägt, weil die dicken roten Ziegel, die die Juristen traditionell auf dem Schreibstisch stehen haben, nicht nur Deko sind. Die Grundrechte stehen nicht alleine im luftleeren Raum, sondern unterliegen Schranken und Konkretisierungen, die sich aus all den massenhaft Gesetzen ergeben, die man auf tausenden Seiten Dünndruckpapier in den roten Ziegeln findet. Und der Kenner der Materie weiß um die Gesetze und dazugehörigen Verordnungen, die wirklich spannend und wichtig sind, um eine juristische Frage zu beantworten. Und nur wenn er da nicht im gewünschten Sinne fündig wird (was selten genug der Fall ist), überlegt er, welche Grundrechte betroffen sein könnte, schaut sich zu diesen die Rechtsprechung des BVerfG an, und erst ganz, ganz zum Schluss kommt er dann ggf. zu der Überzeugung, dass in einem konkreten Fall ein Grundrecht verletzt sein könnte und man nur durch unmittelbare Berufung auf das betroffene Grundrecht zum Ziel kommen kann.
Jeder, der in der Schule ein Fall wie Sozialkunde, Politik, o.ä. (je nach Bundesland und Zeitalter) gehabt hat, sollte gelernt haben (und sich daran erinnern können), dass die Grundrechte Rechte des Bürgers (bzw. aller legalen Privatrechtssubjekte) gegenüber dem Staat sind. Einmal in Form von Abwehrrechten gegenüber staatlichen Eingriffen. Dann in Form von Handlungspflichten, die sich aus Schutzpflichten ergeben. D.h. der Staat muss bestimmte Dinge tun bzw. unterlassen, um seinen Schutzpflichten genüge zu tun. Hieraus folgt, dass es bei den Grundrechten zwei Seiten gibt. Auf der einen Seite den/die Grundrechtsbegünstigten, also die Privatrechtssubjekte wie Bürger und Unternehmen. Auf der anderen Seite die Grundrechtsverpflichteten, die sich aus Art 1 Abs, 3 GG ergeben. Das sind unmittelbar nur die Gesetzgebung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung! Und um die Frage der Grundrechtsverpflichteten geht es hier. Ist Tante Erna gegenüber Onkel Erwin in Bezug auf das Brief-, Post und Fernmeldegeheimnis verpflichtet? Unmittelbar aus Art. 10 GG? Nein! Auch wenn Du noch x-fach hier das Gegenteil behauptest. Denn Tante Erna ist nunmal ein Privatrechtssubjekt und weder Gesetzgebung, vollziehende Gewalt (auch wenn Onkel Erwin das ggf. anders empfinden mag), noch Rechtsprechung.
Die sogenannte „Drittwirkung“ der Grundrechte ist ein spannendes Thema, das man Studenten dann über diverse Vorlesungen nahebringt. Denn diese findet sich gerade nicht direkt im GG, sondern ist eine Rechtsfigur, die erst ab den 1950 in Rechtsprechung und Lehre entwickelt wurde.
Da geht es dann um die die „Mittelbare Drittwirkung“, bei der man von der „Ausstrahlung der Grundrechte“ auch auf die privaten Rechtsbeziehung ausgeht, sowie um die „Schutzpflichtenlehre“, wonach der Staat dafür Sorge zu tragen habe, dass grundrechtlich geschützte Rechtspositionen auch gegenüber Eingriffen anderer Privatrechtssubjekte geschützt werden. Und dazu haben wir hier im konkreten Fall das wunderschöne Beispiel, dass Post- und Fernmeldegeheimnis eben nicht nur per GG gegenüber dem Staat gilt, sondern durch die bereits zitierten Vorschriften der Transportweg auch vor Eingriffen durch Post- und Telekommunikationsdienstleistern geschützt wird (aber eben gerade nicht der schon beim privaten Empfänger schon angekommene Brief).
Und letztendlich gibt es da auch noch den Sonderfall, dass der Staat selbst als Privatrechtssubjekt auftreten kann (wenn er z.B. am Markt agiert, und wie ein Privatrechtssubjekt Waren und Leistungen bezieht), dann auch in dieser Gestalt Grundrechtsverpflichteter sein soll.
Das sind aber alles keine Selbstläufer im Sinne von: „Hab ich doch gesagt!“, sondern da geht es um Rechtsprechung im konkreten Einzelfall, in der man dann hier und da mal dazu gekommen ist, eine solche Drittwirkung anzunehmen.
Etwas ausführlicher findet man das alles hier in einer kleinen und recht laientauglichen Sachstandsdarstellung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestags: https://www.bundestag.de/resource/blob/982408/faf0a2c8f1654247bf93cc9d9a7da370/WD-3-132-23-pdf.pdf