ganz einverstanden, nur kleinere Einwände
Hallo Oliver,
der Konsum von Gewaltdarstellungen ist nicht die Ursache von
Gewalt, wohl aber eine Ursache von Gewaltsteigerung.
mir fehlt ein Wort, damit ich diesen Satz unterschreiben könnte: Es müsste stehen „eine mögliche Ursache“ von Gewaltsteigerung. Denn der Schritt von den statistischen Größen zur Ursachenauszeichnung geht über die reine Statistik hinaus. Ich denke, dass du das auch so siehst, bin mir da aber nicht ganz sicher.
Wie erklärst Du Dir sonst die Tatsache, daß experimentelle Studien
mit randomisierten Gruppen einen Unterschied in der Aggression
und Gewalttätigkeit zwischen der Experimental- und der
Kontrollgruppe fanden?
Das würde ich als Indiz gelten lassen, aber noch nicht als Beweis, denn es wäre ja möglich, dass alle einschlägigen Studien die von dir unten angesprochenen Randbedingungen falsch einschätzen.
Die Einschätzung und das Verbot mancher
„Angebote“ als jugendgefährdend bzw. gewaltverherrlichend wird
wohl auch auf solche Befunde zurückzuführen sein, meinst Du nicht?
Ich denke, dass der Rückschluss nicht unproblematisch ist. Dass das in der Tat so ist, bezweifle ich gar nicht. Aber die Frage ist nicht, ob es deshalb so gemacht wird, sondern ob es angemessen ist, so zu reagieren. Und das will ich gar nicht bestreiten, obwohl ich denke, dass man über einzelne Aspekte (wie etwa die immer noch übliche faktische Gleichsetzung von Gewalt und Pornographie in Bezug auf die Prävention) durchaus diskutieren könnte.
Die Katharsis-Theorie läßt sich schon empirisch überprüfen,
nämlich über die postulierten Konsequenzen. Die Auffassung,
daß die Theorie unvollständig ist, bezieht sich darauf, daß
sie nicht alle Konsequenzen des Konsums von Gewaltdarstellungen
berücksichtigt.
Einverstanden.
Für die kurzfristigen scheint sie zutreffend zu sein, bei den
langfristigen sieht es nicht so aus.
Dauerkonsum bzw. Übertreibung ist auch bei den Teletubbies problematisch. Diese Einschätzung ist aber völlig anders motiviert als die bei der Gewaltsteigerung. Ich denke, dass die Unterteilung in kurzfristige und langfristige Folgen so nicht ungeprüft übernommen werden können, weil sie nicht berücksichtigen, dass für langfristige Folgen nicht notwendig langfristiger Konsum vorausgesetzt werden muss. Manchem reicht eine einzige Folterszene, um einen Schaden für das ganze Leben mit sich herumzutragen.
Das Betrachten von Gewalt mag nämlich
kurzfristig dem Abbau von Spannungen dienen, aber langfristig
setzt ein Lernprozeß ein (Beispiele: Lernpsychologen sprechen
von Modellernen; Psychoanalytiker von Identifikation mit dem
Angreifer). Natürlich ist dieser Prozeß wieder an Bedingungen
geknüpft.
Das ist - vermute ich - der entscheidende Punkt.
Das Betrachten von Gewaltfilmen führt deshalb zu
einer Steigerung der Gewaltbereitschaft und der manifesten
Gewalt, weil die Bedingungen, unter denen ein
gewaltsteigernder Effekt auftritt, bei Gewaltfilmen in der
Regel erfüllt sind. Bei den Gewaltdarstellungen, über die wir
hier sprechen, ist es gar keine Frage, daß die Bedingungen
erfüllt sind.
Ich denke, dass das sehr wohl eine Frage ist. Ich habe auch eine Horrorphase (und andere Phasen) durchgemacht wie viele andere. Um gewalttätig zu werden, bedarf es nicht nur des regelmäßigen Konsums, sondern auch z. B. bestimmter Grundeinstellungen, die mit der Gewaltdarstellung gar nichts zu tun haben. Daher mein obiger Einwand, dass es sich um eine mögliche Ursache handelt - bei denen einen ist es eben eine, bei anderen nicht.
Beispiel zweier Zufallsstichproben aus der Population der
Bildungsbürger und einer anderen Bevölkerungsgruppe
…
Der Effekt kommt durch die Vernachlässigung
der Stichprobengröße zustande: Es wurden etwas mehr
Bildungsbürger untersucht als Personen der anderen
Bevölkerungsgruppe. Solche Interpretationsfehler kommen in der
Praxis durchaus vor und natürlich häufiger bei Statistikunkundigen.
Das Beispiel war mir nicht ganz klar, aber genau das meinte ich im letzten Posting.
Es geht ja nicht um „glauben“, sondern um das richtige
Interpretieren und Bewerten von Forschungsbefunden. Wenn
sachfremde Erwägungen eine Rolle spielen, dann kann man nicht
mehr von richtig interpretieren und bewerten sprechen.
Ok, aber dann ist die Interpretation immer unrichtig, weil du nur die reduzierte Vorgehensweise für wissenschaftlich erklärst. Das kann man so machen, aber ich habe ja schon öfter gesagt, dass mir dieser Wissenschaftsbegriff zu eingeschränkt zu sein scheint.
All in all: Wieder viel zu viel über eigentlich sonnenklare
Dinge diskutiert.
Nicht ganz, denn hinter der Differenz unserer Einschätzungen steckt ein unterschiedlicher Wissenschaftsbegriff.
Es ging mir in meinem knappen ersten Posting …
zu hart mit Maltes Position ins Gericht gegangen bist
Das habe ich auch so verstanden und keineswegs gerügt.
und ein paar Dinge bei Deiner Verteidigung des Konsums von
Gewaltdarstellungen nicht berücksichtigt hast.
Das gilt aber bei Verabsolutierung des statistischen Ansatzes genauso, oder?
Herzliche Grüße
Thomas Miller