S/M als Natur des Menschen?
Hallo,
Allerdings ist es eine Frage der Fähigkeit, die Motive des
eigenen Denkens sensibel zu reflektieren, ob man das Wie und
Warum dieser Faszination durchschaut - einfach ist es nicht,
denn dieses Durchschauen ist durch extrem sanktionierende
gesellschaftliche Tabus bzw ethische Grundsätze mit Stahltüren
verriegelt - sprich: aus der Kommunikabilität des
Alltagslebens verdrängt. Es gehört Mut im Denken dazu, diese
Absicherung zu druchbrechen.
Damit postulierst Du Faszination und Lust am Grauen als der menschlichen Natur immanent, verstehe ich das richtig? Damit machst Du es Dir ein bischen zu einfach, denke ich, erinnert das doch stark an das Klischee vom Schwulen, der dem entschiedenen Heten ins Ohr flüstert „Nun komm schon mit mir, auch in Dir steckt ein bischen Männerliebe!“ und hebt jene, die eine derartige Faszination für sich annehmen zwar vielleicht nicht von ihrer Wertigkeit, aber doch in ihrem, man kann vielleicht sagen „Entwicklungsstand“ über jene, die eine solche für sich negieren.
Es gibt halt Wahrheiten über die Natur des Menschen, die nicht öffentlich „gewußt“
werden dürfen.
Und wieder eine doch sehr absolute Aussage - ist es nicht gerade eine der herausragenden Eigenschaften des Menschen, sich auch im geistigen, emotionalen Selbst weiterentwickeln zu können? Wohlgemerkt, es geht mir nicht um die Wertung dessen, was da passiert, sondern um das Interesse daran. Die pauschale Negierung der Lust am Grauen aufgrund von gesellschaftlichen Vereinbarungen, Deinen „Stahltüren“, ist sicher überwindbar, aber warum sollte die Lust selbst nicht genauso überwindbar sein? Was ist „die Natur des Menschen“, das, was ursprünglich ist, also der Anfang, oder das, wo er sich hinbewegt, also das Ziel des Weges der meinethalben spirituellen Entwicklung?
Dasselbe gilt für das Hinschauen bei
Unfällen oder Katastrophen: „Man kann ja nicht dafür, wenn man
schon mal zufällig da ist“ …
Ein gutes Beispiel, natürlich gilt dafür dasselbe. Genauso wie in Bezug auf die Ausgangsfrage, und eigentlich sogar noch überzeugter, vertrete ich den Standpunkt, daß eine solche Faszination und Anziehungskraft nur solange bestehen kann, wie man
a) nicht als direkt Beteiligter involviert ist, sondern als Zuschauer eine gewisse Mindestdistanz wahren kann ODER
b) zwar „mittendrin statt nur dabei“ ist UND diese Geschehnisse und das, was mit einem selbst in solcher Situation passiert nicht reflektiert.
Gerade, was dieses Szenario angeht, also Unfälle o.ä. Extremsituationen, durfte ich ja nun reichhaltige Erfahrungen aus mehreren Perspektiven machen, und die passen einfach nicht zu Deinen Ausführungen. Solcherlei verliert seinen Reiz, wenn es nicht mehr Unbekannt, sondern ohne glitzerndes Scheinwerferlicht und spannungssteigernde Musik erlebt wird.
Schmerz, Tod, Vernichtung hat wie alles Heilige zwei
Momente, die untrennbar sind: Die Faszination - und den
Schrecken. D.h. die überflutende Faszination ist ebenso
grauenhaft, wie das überflutende Grauen faszininierend. De
Sade - wie überhaupt das ganze Gebiet des Sadomasochismus -
ist ein Beispiel dafür, Schillers „Das verschleierte Bild zu
Sais“ ein anderes …
Demzufolge dürften ja alle S/Mler bzw. Sler - zumindest, solang sie sich im legalen Rahmen bewegen - stets irgendwie den Mangel der Inszenierung beklagen, da doch die Lust am Schmerz und Leiden anderer durch deren bekannte Einwilligung, ja ihr Bedürfnis danach wie oben von Dir ausgeführt geschmälert wird, richtig?
Außerdem impliziert das, wenn ich Dich richtig verstehe, durch die Faszination des Grauens als natürlichen Teil jedes Menschen eine zwar womöglich unterschiedlich ausgeprägte, aber bei jedem deutlich vorhandene Neigung zum Sadomasochismus in jedem Menschen, richtig? Heisst das, jeder, der sich nicht bewusst ist, ein (mindestens verkappter) S/Mler zu sein, ist, flapsig gesagt, komplexbehaftet und verkrampft?
Gruß,
Malte.