Natur und ‚Natur‘
Damit postulierst Du Faszination und Lust am Grauen als der
menschlichen Natur immanent, verstehe ich das richtig?
Ja. Deshalb erwähnte ich die Auffassung von Francis Coppola, der ich zustimme.
Damit machst Du es Dir ein bischen zu einfach, denke ich
Ich weiß nicht, wie du denkst, aber ich schrieb explizit „es ist nicht einfach …“
erinnert das doch stark an das Klischee vom Schwulen …
Deine Klischee-Erinnerungen will ich dir nicht abspenstig machen. Von einem Klischee war allerdings nicht die Rede, sondern von einer anthropologischen Grundgegebenheit.
Es gibt halt Wahrheiten über die Natur des Menschen, die nicht öffentlich
„gewußt“ werden dürfen.
Und wieder eine doch sehr absolute Aussage - ist es nicht
gerade eine der herausragenden Eigenschaften des Menschen,
sich auch im geistigen, emotionalen Selbst weiterentwickeln zu können?
Genau. Und zu dieser Weiterentwicklung gehört die Bewußtwerdung der Existenz tabuisierter Inhalte. Das geht natürlich nicht von jetzt auf gleich und, wie schon gesagt, es gehört Mut dazu.
Die pauschale Negierung der Lust am Grauen aufgrund von gesellschaftlichen
Vereinbarungen, Deinen „Stahltüren“, ist sicher überwindbar,
aber warum sollte die Lust selbst nicht genauso überwindbar sein?
Sie wird ja im Rahmen bestimmter sozialer Systeme überwunden. Ich sagte ja, die Verdrängung ist gesellschaftlich notwendig. Dennoch ist es eine Tatsache, daß das Grauen hier und da und immer wieder inszeniert wird (siehe Ausgangsposting) - und stellvertretend („Zuschauer“ - der Hinweis von Thomas auf die aristotelische Analyse des Theaters ist schon treffend) mit"erlebt" wird.
Was ist „die Natur des Menschen“, das, was ursprünglich
ist, also der Anfang, oder das, wo er sich hinbewegt, also das
Ziel des Weges der meinethalben spirituellen Entwicklung?
Der Begriff „Natur von …“ hat seit der Antike zwei Bedeutungen, die der biosoziologischen Abkunft und die des „Wesentlichen“. In diesem Zusammenhang reden wir von beidem:
- Die Lust am Grauen (meist stellvertretend, also „projiziert“ erlebt) ist eine anthropologische Konstante
- Das Nein-Sagen, der Widerstand und also die Tabuisierung, gegenüber diesen Grundbedingungen gehört zum Wesentlichen, das den Menschen von seiner „Natur“ unterscheidet
Demzufolge dürften ja alle S/Mler bzw. Sler - zumindest,
solang sie sich im legalen Rahmen bewegen - stets irgendwie
den Mangel der Inszenierung beklagen, da doch die Lust am
Schmerz und Leiden anderer durch deren bekannte Einwilligung,
ja ihr Bedürfnis danach wie oben von Dir ausgeführt
geschmälert wird, richtig?
Nicht richtig. Durch die Übereinkunft wird es ja erst zur Inszenierung. Und ohne Inszenierung ist es kein „SM“ wie es von „SMlern“ gemeint wird.
Außerdem impliziert das, wenn ich Dich richtig verstehe, durch
die Faszination des Grauens als natürlichen Teil jedes
Menschen eine zwar womöglich unterschiedlich ausgeprägte, aber
bei jedem deutlich vorhandene Neigung zum Sadomasochismus
in jedem Menschen, richtig?
Ja - aber keineswegs „deutlich“.
Heisst das, jeder, der sich
nicht bewusst ist, ein (mindestens verkappter) S/Mler zu sein,
ist, flapsig gesagt, komplexbehaftet und verkrampft?
Nein - wieso denn?
Gruß
Metapher