Tach Mike,
Tach Rolf
so billig geht es nun wirklich einfach nicht.
Wir wollen zuerst mal nur eins festhalten: Es ging nur um die
Frage, ob eine Passah-Amnestie wahrscheinlich ist.
Nein, sondern ob sie plausibel ist.
Deine Worte:
„Sie muss wohl eher ins Reich der Fabel verwiesen werden.“
Das bedeutet doch, sie sei nicht plausibel-
Ich habe
gesagt, sie sei unwahrscheinlich, weil sie nirgendwo anders
belegt oder bezeugt ist.
So könnte man es knapp gelten lassen, allerdings müsste um der kommunikativen Gerechtigkeit willen sogleich die Nachfrage folgen: warum weist Du gerade und genau darauf hin - und deren Antwort wird wohl nicht das akribische Forscherwissen, sondern wieder mal die Pseudosensation sein, die da besagt, die Bibel habe Unrecht.
Da geht es nur um eins: Faktum oder
Nichtfaktum?
Ob es um ein Faktum geht, kann die Geschichtswissenschaft schlicht bis dato nicht beantworten. Sind wir uns wenigstens darin einig?
Deutung hat das noch gar nichts zu suchen.
Ach nur eine Partei darf deuten! Stimmt hatte ich vergessen.
Wenn sie aber nicht üblich war, dann erhebt sich die Frage,
warum die Evangelisten - Markus als erster - sie eingeführt
haben.
Oder warum Pilatus sie als Ausweg gesucht hat, was weit wahrscheinlicher ist.
Wenn die Fakten an sich keine Deutung zulassen, ist die Deutung
aus naheliegenden Dingen zu holen.
Richtig: aus naheliegenden!
Da liegt es doch nahe, sich bei den zeitgenössischen
Schriftstellern und Historiographen umzutun
zu denen die Evangelisten gehören
und nach
Parallelen (die liegen am nächsten) zu suchen. Und wenn die
nichts Entsprechendes berichten, gucken wir uns in den
Prozessvorschriften um.
Aber die geben auch nichts her, weder
die römischen noch die jüdischen.
Oder aber wir gucken drei, vier Jahrhunderte vor und zurück und finden schon einiges, was der Sache sehr deutlich entspricht, vgl. etwa Ulpians Äusserungen zum „Prätorium“ und „Prätor“ im römischen, Steinigungspraktiken im jüdischen Recht (dort übrigens auch zur neutestamentlichen Zeit kurz nach Jesus Christus)
Dann bleiben bloß noch zwei Möglichkeiten: einmalige Milde -
dagegen spricht aber die Formulierung „er pflegte ihnen
einen Gefangenen loszugeben“ (Mk) oder „er hatte
aber die Gewohnheit,…“ (Mt)
dafür würde Joh sprechen, der Pilatus sagen lässt. „Ich pflege euch einen loszugeben“ und damit kennzeichnet, dass Pilatus möglicherweise mit einer solchen Praxis, die Mt und Mk schildern, zu diesem Zeitpunkt eben erst anfing, weil er einen Ausweg suchte und zu feige war, ein gerechtes Urteil zu fällen.
- oder Willkür. Nun ist
Willkür ja nicht auszuschließen; sie bleibt aber die letzte
aller Möglichkeiten und deswegen die unwahrscheinlichste.
Und dass die vier Quellen, die den Fall berichten, gerade von dieser Möglichkeit sprechen, kann natürlich nicht stimmen, weil die bösen Urchristen ja die Nazis und den Holocaust begünstigen wollten? Logisch?! Denn so kann man wirkungsvoll antikatholisch polemisieren.
Es geht, um es nochmal zu sagen, bei der Frage der Amnestie
überhaupt nicht um eine Deutung, sondern um die Frage Ja oder
nein!
Dann bleibt uns übrig: Wahrscheinlichste als wahr bezeugte Darstellung als Faktum annehmen oder zur Sache schweigen. Wenn wir sie nicht nur als Faktum annehmen, sondern auch ihre Deutung berücksichtigen, hat das allerdings den grossen Vorteil, dass wir die wahrscheinlichste Variante auch selber für wahr halten lernen.
Zur Notwendigkeit der Deutung kommen wir erst, wenn wir
wissen, dass es eine solche Amnestie nicht gegeben hat
das wissen wir aber nicht, es ist sogar äusserst unwahrscheinlich, selbst wenn wir nur die nackten historischen Argumente anschauen
und
dass die Evangelisten sie, aus welchen Gründen auch immer,
eingeführt haben.
Natürlich darf man auch über diese Variante diskutieren, dann aber auch klarstellen, dass sie bei weitem nicht die wahrscheinlichste ist.
Aber das ist ein Thema, über das wir uns streiten können, wenn
wir einig sind, dass es eine Passah-Amnestie nicht als
Institution gegeben hat.
Gut, wenn Du das voraussetzt, muss ich auf ein andermal hoffen, denn ich lass mich so leicht nicht überzeugen.
Gruß - Rolf
Gruss
Mike