Änderung Nationalhymne: Pervertierung des Gleichstellungsgedankens?

Ich meinte es jetzt nicht konkret, sondern „allgemein“.
„Übersetzung“ ist noch mal eine andere Diskussion.

Ich kann mich noch an das erst Mal erinnern, als ich einen Text las, der „angepasst“ wurde, es handelte sich dabei um die „Häschenschule“.
Ich hatte eine alte Ausgabe, wo das böse Häschen in den „Karzer“ kam. Und in der neuen Ausgabe hieß es auf einmal „in die Ecke“ muss er nun… Weil niemand mehr das Wort „Karzer“ kennt?
Verarmt nicht auch unsere Sprache, wenn man alle Formulierungen anpasst, modernisiert? (Also ich finde, schon).

Beatrix

Alte schwedische Kinderbücher waren nicht das Problem an sich, jedoch begann das das Problem damit.
Wer will denn Texte zur Minne von Walther von der Vogelweide „umgegendert“ oder in sonst einer glattgezogenen Version lesen? Das gilt für nationales Kulturgut und nationale Symbole - wie hier- ganz besonders.
Gruß
rakete

Lass mich raten: Du liest - wenn überhaupt - den Text nicht im Original?

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Natürlich. Eine Fußnote, eine Erläuterung tut es doch auch. Und man lernt dabei.
Gruß
rakete

Sprache verändert sich beständig. Was vor ein paar hundert Jahren noch völlig normale Umgangssprache war, ist für uns heute nahezu völlig unverstehbar.

Warum sollte man Kinder mit Begriffen traktieren, die heute nicht nur ungebräuchlich sind, sondern auch ein Weltbild transportieren, das wie schon lange hinter uns gelassen haben?

Es ist ja nicht so, als gäbe es keine neueren und besseren Kinderbücher …

:paw_prints:

Die „Häschenschule“ richtet sich an kleine Kinder im Kindergartenalter. Das ist kein Meisterwerk der Weltliteratur, das mit Annotationen versehen gelesen werden kann.

:paw_prints:

Das ist genau das, was mich unglaublich aufregt! Du hast einfach nicht verstanden was Sprache ist!

Sprache lebt nun einmal. Es gibt heute keinen Karzer mehr. Das Wort ist unnötig geworden und wird so nach und nach aus dem Sprachgebrauch verschwinden, wie zehntausende Worte vorher. Was ein Paukboden sein soll, weiß doch heute auch keiner mehr. Die Sprache verarmt dadurch nicht, sie entwickelt sich einfach nur. Dafür kommen täglich neue Worte dazu. Meinst du vor 80 Jahren kannte irgendwer das Wort „Drehmomentschlüssel“? „Prozessoreinheit“? etc. etc.

Wer die Sprache um ihrer selbst willen bewahren will, tötet was Sprach ausmacht. Das gilt übrigens für die gesamte Kultur!

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Ich weiß, dass Hitler z.B. den Plan hatte, die Tiroler auf die Krim umzusiedeln, um das Problem mit Mussolini zu lösen. Die Russen haben dem einen Strich durch die Rechnung gemacht. Von daher ist der Heimatgedanke bei einer lokalpatriotischen italienschen Band durchaus als angebracht anzusehen.
Gruß
rakete

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Es geht mir nicht um „die Sprache“ an sich, sondern um die „literarischen Werke von Autoren“.

Von mir aus kann auch die Nationalhymne geändert werden, aber es sollte dann nicht mehr stehen:
Text von Hoffmann von Fallersleben.

Ja Sprache ändert sich ständig. Aber es ist ein Unterschied, ob sich Dinge allmählich entwickeln aus pragmatischen Gründen oder ob Dinge aus ideologischen Gründen einfach mal so plötzlich festgelegt werden.

Und dann kann man auch gleich mal vorschreiben, dass sämtliche Worte, die irgendwie geschlechtsspezifisch sind, nicht mehr verwendet werden dürfen. Und dann werden wir in einigen Jahren mal analysieren, inwieweit das uns der tatsächlichen Gleichberechtigung näher gebracht hat.

Mich als Frau bringt es kein Stückchen weiter, wenn irgendwo anstatt Vaterland plötzlich Heimatland steht.
Mich bringt es weiter, wenn es im täglichen Leben einfach keine Rolle mehr spielt, ob ich jetzt eine Frau oder ein Mann bin.
Mehr Taten als Reden in der Politik. Mehr Handeln als Sprache.

Beatrix

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Darum geht es nicht.

Japp das sollten wir.

Ich denke, du willst abwarten. Dann warte doch erstmal ab. Sprache formt Gedanken!

Der war gut :smile:

Ich habe (zufällig) die Nibelungensage in einer Anfang18hundertirgendwas sowie in einer Anfang19hundertirgendwas Ausgabe geerbt. Wer sich über die Weiterentwicklung der Sprache aufregt, möge mal ein (wirklich) altes Buch lesen.

Uns ist in alten mæren wunders vil geseit…

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„Mein“ Problem damit ist, dass dadurch zwangsläufig mehr entfernt wird als nur die „männliche Bezugsnahme“.

  • bei beiden Ausdrücken wird der Bezug auf Familie entfernt.
  • bei „brüderlich“ wird darüber hinaus der unverkennbare Bezug auf die Französische Revolution (das Fundament moderner westlicher Gesellschaften par excellence) mit seiner Losung „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ entfernt. Sinnigerweise ausgerechnet die „Brüderlichkeit“, also der Aspekt Solidarität, Sozialstaat usw.

Aus dem Grund sehe ich da im Hintergrund (bzw. mit dem Geschlechter-Thema verknüpft) eine neoliberale Agenda, die zwei Dinge symbolisch aus der Hymne entfernt, die im Neoliberalismus grundsätzlich stören: Familie und Solidarität.

Immerhin wird „brüderlich“ ja nicht durch das geschlechtsneutrale „geschwisterlich“ (mit g’schwisterlich passts auch in die Melodie) ersetzt, sondern durch das völlig fremde „couragiert“.
(Ziemlich lächerlich übrigens, dass die Zeile dann „couragiert mit Herz und Hand“ lauten würde, also quasi „beherzt mit Herz und Hand“: zwei Mal Herz, einmal Hand, kein Verstand; passt super zur gegenwärtigen Republik der Wutbürger, Aufschrei-Fetischisten und Facebook-/Twitter-Tastenwichser)

Kurzum: Eine Veränderung finde ich grundsätzlich okay, aber nicht diese Veränderung.
Mit dem maßvolleren Eingriff

"Einigkeit und Recht und Freiheit
für das deutsche Heimatland!
Danach lasst uns alle streben
g’schwisterlich mit Herz und Hand!

dagegen könnte ich mich durchaus anfreunden.

Gruß
F.

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Ich meine, auch „geschwisterlich“ wäre durchaus singbar.

Gruß,

Kannitverstan

dem die Vokabel „couragiert“ an der Stelle auch sauer aufstößt…

Wenn sie „niemandem wehtut“, dann würde auch die Nicht-Änderung „niemandem wehtun“.

Natürlich hat es hohe symbolische Bedeutung, wenn ein Land aus politisch-weltanschaulichen Gründen seine Nationalhymne verändert. Wenn es die nicht hätte, bräuchte man es ja auch nicht machen und keiner würde es fordern.

Gruß
F.

… von helden lobebæren, von grôzer arebeit

das hat doch was!

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Ja, nur hat Österreich wohl übersehen - oder besser: überhört - dass das Komma beim Singen quasi verschwindet und das ganze Ding damit wieder nicht geschlechtsneutral ist:
„Heimat großer Töchter Söhne“ :confused:

Und in Kanada wird wohl auch eine deutsche Version gesungen:
„O Kanada, mein Heim und Vaterland…“
Den Vater durch Heimat ersetzen geht da jetzt nicht ganz so einfach :wink:

Gruß,

Kannitverstan

Nein, darum geht es nicht, denn der Text des Gedichts von Hoffmann von Fallersleben bleibt ja gleich.
Verändert wird der Text der Nationalhymne, der dann eben nicht mehr mit diesem Gedicht übereinstimmt. Es würde dann quasi die Nationalhymne ‚nach Hoffmann von Fallersleben feat. Rose-Möhring‘ gesungen und nicht mehr der Gedichttext, der aber weiterhin unverändert bleibt.

Gruß
F.

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Übrigens: Berufe werden von Kindern unterschiedlich wahrgenommen, je nachdem, ob nur die männliche oder auch die weibliche Bezeichnung verwendet wird.

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Und was genau schert den Kanadier die deutsche, chinesische oder sudanische Übersetzung seiner Hymne? :neutral_face:

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„Couragiert“ bedeutet allerdings nicht zwingendermaßen „beherzt“: https://www.duden.de/suchen/dudenonline/couragiert

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