Coronavirus: Ist die ggw. Shutdown-Politik alternativlos gewesen?

Gerade aktuelle Aussagen Kekulés gehört, in denen auch Themen diese Threads angesprochen werden. Ich fasse zusammen:

  • er spricht sich klar gegen eine Ausgangssperre aus: die „Kosten“ zu hoch, der „Nutzen“ zu gering

  • die Strategie „Aufbau einer Herdenimmunität“ wurde schon vor längerer Zeit im Kreis der Experten diskutiert, aber damals klar abgelehnt: Gründe: a) es gibt noch keine verlässlichen Zahlen, wie viele Todesfälle und Intensivpflegebedürftige dadurch in der Nicht-Risikogruppe auftreten, b) es ist schwer, die Risikogruppe so schnell abzusondern

  • Kekulé findet den Versuch der Niederlande dennoch interessant und nicht unsinnig. Seinen Angaben zufolge bestehen dort die notwendigen Voraussetzungen, um das zu versuchen. In Deutschland dagegen nicht.

  • Kekulé nennt ein Datum, ca. sechs Wochen (oben habe ich auch vom 1. Mai gesprochen), an dem sich zeigt, wie erfolgreich die Strategie des Eindämmens war. War sie nicht erfolgreich, wird die Infektionswelle durch die Decke gehen.

  • an anderer Stelle sagt Kekulé übrigens klar, dass aus ökonomischen, psychologischen usw. Gründen der generelle shutdown zeitlich recht begrenzt sein kann: „Wir können natürlich nicht die Menschen in Deutschland sechs Monate in die Häuser stecken“

Ich ziehe mit meinem neoliberal-zynischen Spatzenhirn folgenden Schluss daraus:
Der generelle Shutdown muss durchgezogen werden bis ca. 1. Mai, dann wird man den evaluieren können/müssen, und bis dahin wird es dann a) halbwegs belastbare Zahlen geben, was Covid-19 in der Nichtrisiko-Bevölkerung anrichtet, wird b) vermutlich einigermaßen klar sein, ob sich Immunität bei Covid-19 überhaupt einstellt, und c) könnten bis dahin Wege eingeleitet werden, um die Risikogruppen auch in Deutschland so vom Rest der Bevölkerung zu separieren, wie das lt. Kekulé in NL von vorn herein möglich war.
D.h. die Strategie „spezifische Separierung der Riskogruppen und mit Verzögerungsmaßnahmen flankierte Infizierung der Nichtrisikobevölkerung“ könnte dann die neue Strategie sein, wenn die Strategie „genereller shutdown“ nicht erfolgreich dabei war, die Neuinfektionszahlen wieder auf eine Maß zurückzudrängen, das die künftige Eindämmung der Seuche ermöglicht, wie es einigen asiatischen Staaten, evtl. auch China, gelungen ist (und natürlich wenn ein Impfstoff nicht in naher Zukunft zur Verfügung stehen wird).

Deshalb muss die Politik aber aus meiner Sicht erstens die Zeiträume und Strategie-Alternativen klar kommunizieren und nicht nur mit moraltriefenden Durchhalteparolen aufwarten, und vor allem zweitens schon jetzt die Vorkehrungen für einen möglichen Strategiewechsel im Fall des Misserfolgs der Strategie „genereller shutdown“ treffen, insbesondere für die bessere Separierung der Risikogruppen.

Gruß
F:

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Noch ein kleiner Service-Beitrag.
Den muss ja wirklich nur lesen, der sich dafür interessiert …
Ich finde gerade aktuell eine differenzierte und der Vielschichtigkeit angemessen Betrachtung des Themas einfach wichtig.
Wir haben eine umfassende Krisenlage, nicht nur eine „Viruskrise“.

Presseschau aus meiner heutige Tageszeitung zu mehreren hier diskutierten Themen:

  • … auf dem Balkan. Dort wandte sich Serbiens Präsident Vukic öffentlich von seinem Kontinent ab … Jetzt sei „jedem klar, dass die europäische Solidarität nicht existiert“, klage Vucic. „Es war ein schönes Märchen.“

  • Bald wird die Wirtschaftslage die Regierungsschefs zwingen, von national wieder auf europäisch umzuschalten. Sie müssen den Binnenmarkt erhalten, weil Europa sonst abstürzt. Man hätte es vernünftiger haben können.

  • Die Opposition heben für Söders Zehn-Milliarden-Programm wie für seine rigiden Kontaktbeschränkungen einstimmig die Hand. Nein, Grüne, SPD, FDP und AfD wissen nicht, ob Söder da alles richtig macht.

  • Das ISS untersuchte [in Italien] 2003 Todesfälle. Das Durchschnittsalter betrug 79,5 Jahre … Insgesamt lag der Anteil der Über-69-jährigen bei 87,8%. Nur 17 waren unter 50 … Fast die Hälfte aller Patienten litt unter mindestens drei Erkrankungen, weitere 25,6 unter zweien. Lediglich bei drei von 2003 Verstorbenen wurden keinerlei Vorbelastungen festgestellt.

  • Die Stiftung GIMBE geht davon aus, dass die Corona-Dunkelziffer immens ist und sich aktuell bereits weit mehr als 100.000 Italiener infiziert haben - dreimal so viel wie offiziell festgestellt.

  • Wer Söder und seine Bayern kennt, ahnt: Es ist nur Frage der Zeit, bis die Sperrung kommt. Samstag? Montag? Diesen drastischen Eingriff kann er ohne Parlament verhängen. Auch dort käme aber kein Widerstand … Ingo Hahn (AfD bemüht Wilhelm II.: „Am heutigen Tag kennt Bayern keine Parteien mehr.“ Auch die Grünen rufen zum Daheimbleiben auf. „Diese Krise wird zeigen, was für eine Gesellschaft wir sind“, sagt Fraktionschefin Schulze.

  • Ministerpräsident Söder (CSU) ist erstmals beliebtester Politiker Deutschlangs. In der wöchentlichen Insa-Umfrage …

  • Soziale Isolation, Existenzangst: Die Coronakrise ist auch psychisch belastend … Dazu kommt verschärftend, dass sich viele Menschen nicht mehr direkt mit Kollegen, Freunden oder Verwandten austauschen können. Solche Gespräche sind eigentlich hilfreich, um das Erlebte zu verarbeiten … [Der Psychologe] Rief: „Es ist nicht nur eine Virusbedrohung, sondern auch eine Bedrohung unseres Menschseins … Die Politiker sollten zwar unbedingt ehrlich sein und wahrheitsgemäß sagen: Das ist erst der Anfang … Aber sie sollten auch eine Perspektive aufbauen“

  • … US-Firma Moderna, die bereits einen Impfstoff-Text an einer Freiwilligen durchgeführt hat. Dennoch rechnet das Biotech-Unternehmen frühestens in einem Jahre damit, einen marktreifen Impfstoff zu haben … Das Robert-Koch-Institut dämpft Hoffnungen auf einen baldigen Impfstoff. „Ich persönlich schätze es als realistisch ein, dass es im Frühjahr 2021 sein wird“, sagt Präsident Lothar Wieler … Der Münchner Abgeordnete Stefinger, der im Forschungsausschuss sitzt …: „Das kann in zwölf Monaten so weit sein oder erst in 18 Monaten“.

  • Was Drosten meint: Sollte ein Kandidat für einen Impfstoff in Sicht sein, solle man ihn bei Risikogruppen, etwa älteren Menschen, schneller einsetzen dürfen als sonst üblich, also ohne jahrelange klinische Studien. Die Haftung für die damit verbundenen Risiken müsse der Staat übernehmen.

  • Das Coronavirus wird ohne Impfstoff oder wirksame Medikamente in Deutschland noch über Monate hinweg für Einschränkungen im öffentlichen Leben sorgen. Davon geht der Virologe Drosten aus … Schließungen von Schulen und Universitäten müssten demnach fünf Monate lang anhalten. Andernfalls kehre die Infektion als Welle im Winter zurück

  • Erste Ländern haben nun gesonderte Einkaufszeiten für Senioren und andere Risikogruppen eingeführt

  • Die US-Regierung plant … eine schnelle Geldauszahlung an US-Bürger, um die wirtschaftlichen Folgen der Coronavirus-Krise abzufedern- Angedacht sei eine Geldleistung von 1000 US-Dollar für Erwachsene und 500 US-Dollar für Kinder.

  • Ifo: Rezession unvermeidbar … Das zweite schlimmere und wohl realistischere Szenario sieht 2020 die Wirtschaftsleistung um sechs Prozent sinken … auch ein Aufleben der Euro-Schuldenkrise müsse verhindert werden …, weil es sonst europaweit zu eskalierenden Abwärtsspiralen komme.

Quelle: Münchner Merkur, 20.3.20, Seiten 1-5

Gruß
F.

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Hi.

Also, um abzukürzen!
Es ist nicht damit getan, nur die Gefährdeten unter Quarantäne zu stellen und alles ist gut.

ES SIND ASYMPTONATISCHE Überträger, die die Gefahr darstellen und das sind alle anderen, als die Alten!
Jeder hätte Kontakt zu jedem (weil die ja „jung“ sind) und andere wiederum sind z.B. in Praxen (als Patient oder Mitarbeiter) und die wiederum haben vielleicht als Pfleger Kontakt zu Patienten, die z.B. Nur am Fuß erkrankt sind…

Zudem kristallisiert sich heraus, dass v.a. in D die Erkrankten auch (!) jünger sind!
Zudem sieht man es den „Jüngeren“ auch nicht an, ob die nicht doch eine chronische Erkrankung habe oder immunsupprimiert sind (weswegen auch immer)…zack…Wäre die Infektionskette schön weiter am Start.

Die Viren sind nicht dämlich!
Sie töten doch nicht den, der für sie als sog. Vektoren dient!

Wenn das alles nicht verstanden wird, kann ich nur den podcast vom besten Virologen Prof. Drosten NDR nahelegen.

Bleibt gesund und vorausschauend!

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Richtig!

Genau!

So ist es!

Exakt!

Volle Zustimmung!

Yepp.

Absolut!
Oder den von Streeck im BR oder Kekulé im MDR!
Sie dürfen ,einetwegen alle drei „die besten“ sein.

Gruß
F.

P.S.: Aus der ganzen vorbehaltlosen Zustimmung schließe ich übrigens, dass du (die -bei einer Frage nach Handlungsalternativen- unweigerlich bestehende Kontroversität des Themas respektive) das Thema des Threads nicht so ganz getroffen hast.
Zur Zeit stellen ganz viele Menschen dieses Landes ganz viele andere Menschen dieses Land als ganz schön dumm hin - fällt mir beiläufig auf.

Auch Schmidt-Chanasit ist nicht schlecht.

Ich denke, viele kommen nicht damit klar, dass die Virologen derzeit kaum eine eindeutige und auch keine einstimmige Antwort geben (können). Aber das ist nun mal des Wesen von Wissenschaft. Sie ringen um Erkenntnis. Wissenschaftler denken auch in Wahrscheinlichkeiten, nicht in Möglichkeiten. Die Antwort ist selten „Das kann nicht passieren“, sondern eher „Das ist extrem unwahrscheinlich, es stellt deswegen für uns keinen relevante Überlegung dar.“

Wenn ich lese, dass Leute schreiben, man müsse alles tun, damit jede potentielle Infektion und schwere Erkrankung durch Corona ausgeschlossen wird, juckt es mir machmal in den Fingern, ein Aussetzen des Verkaufs von Zigaretten für drei Monate zu fordern. Denn Rauchen erhöht das Infektionsrisiko, damit das Risiko, andere anzustecken und letztendlich das Risiko, einen Intensivplatz zu benötigen. Aber ich befürchte, da ist es dann mit dem „Man darf jetzt nicht egoistisch an sein eigenes Vergnügen denken“ bei einigen Leuten dann vorbei. :slight_smile:

Nur, damit kein Missverständnis entsteht: Ich würde das nicht befürworten, weil der zusätzliche Nutzen zu gering ist. Aber ich befürworte auch adere Maßnahmen nicht, deren zusätzlicher Nutzen umstritten oder fragwürdig ist.

Gruß,
Max

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Beim Einkaufen besteht doch gar keine Gefahr, wenn man sich an die Regeln hält, Abstand und Hände gleich hinterher desinfizieren.
Naja, zumindest hier auf dem Land.Die Läden sind leer,wenn man zu bestimmten Zeiten geht.

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!!!

In unserem speziellen Fall ist aber Drosten der, der seit Jahren Coronaviren erforscht hat, wie kein anderer in genau dieser Materie drinnen steckt.

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Als Ärztin traust du ja ausgerechnet Viren ja eine ganze Menge zu:wink (Jaja, ich weiß, war nur bildlich gesprochen :wink:).

Es sterben doch schon eine ganze Menge weltweit und hier in Europa.
Auch junge und ganz junge Menschen.
Sollten wir also Corona-Parties -wie früher von dämlichen Eltern Masern-Parties veranstalten, damit möglichst viele Überlebende -womöglich begrenzte- Immunität erlangen?
Ethisch will das sicher niemand verantworten, der den hypokratischen Eid geschworen hat oder als Politiker und Beamter vereidigt wurde.

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Was ethisch gemacht wird, ist eine Sache.
Dass das aktuelle mediane Durchschnittalter der Corona-Todesfälle bei 82 LJ liegt (RKI, 06.04.20) sollte vor lauter Ethik aber dennoch nicht unter den Tisch fallen.

Gruß
F.

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Ich rufe einfach mal"Georg Kreisler".

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Unser Kopf ist rund, damit das Denken seine Richtung ändern kann.

Feste Daten sind bei dem derzeitigen Infektionsgeschehen mit vielen Unbekannten einfach nur unseriös. Feste Daten machen Sinn für die Eröffnung neu erbauter Hauptstadtflughäfen; aber im derzeitigen Infektionsgeschehen ist das Käse.

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Feuerwehr oder dem Militär erwartet schließlich auch niemand, dass dort Gewinne erwirtschaftet werden.

„Effizienter Löschen“ - nur bei bestimmten Versicherungen löscht der Brandmeister höchstpersönlich :slight_smile:

Das muss ja nicht unter den Tisch fallen, aber willst du damit sagen, dass ab 80 das Recht auf Leben geringfügiger ist als davor?

Danke Sebastian, dass du diesen einzigartigen Künstler in die Debatte einführst!!
40 Schilling - klarer Fall: Eine Million Tote kommen uns also günstiger als jeder shut down!
Karl

Wie oft wird diese falsche Information denn in dem Thread noch vorgebracht?

Österreich legt sich gerade fest: Öffnung von Handwerksbetrieben und Geschäften unter 400 qm Ladenflächte zum 14.04., nach dem 01.05. dann weitere Betrieben, dann Mitte Mai … usw. … - wenn die Zahlen der Neuinfektionen zu diesem Zeitpunkt innerhalb eines bestimmten Bereichs liegen, ansonsten nicht.

Das ist weder unseriös noch Käse, sondern wissenschaftlich fundierte Prognose, bei der es nicht um „fixen Daten“ geht, sondern um wenn-dann-Szenarien auf der Basis empirischen Wissens.

Gruß
F.

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Nö.

Gruß
F.

Gut, das wäre also geklärt.
Was aber sonst willst du damit sagen?

Nix dramatisches.

Rainer schrieb die Ausnahme …

… und ich die Regel dazu.

Wenn ich das richtig sehe, gibt das RKI sowohl das arithmetische Mittel (80 LJ) also auch das mediane Mittel (82 LJ) als „Durchschnitt“ an.
Die 1-2 Jahre Unterschied sind praktisch der Wert, wenn man die „Ausnahmen“, d.h. die statistischen Ausreißer-Werte, wie z.B. die 28jährige, tendentiell „wegmittelt“, wie das der Median macht.

Für mich immer noch verblüffend ist übrigens Folgendes:

  • durchschnittliches Alter der Corona-Toten in D: 82 LJ (lt. RKI)
  • durchschnittliche Lebenserwartung der Ü50 in D: 82 LJ (lat. Stat. BA)

Gruß
F.

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