Ich fange mal mit einer Erklärung der Situation in den USA an, die natürlich nicht alle Faktoren beinhaltet, aber für den Moment aber m.E. ausreicht: die USA haben eine ziemlich einzigartige geographische Lage: Schwellenland im Süden, eine Industrienation im Norden. Dadurch war es lange Zeit so, daß eine echte, länderübergreifende Konkurrenz kaum bestand.
Irgendwann kam man auf den Gedanken, Teile der Produktion in das billigere Mexiko auszulagern, aber das war die Folge einer Preiskonkurrenz. Eine Konkurrenz in qualitativer Hinsicht bestand lange Jahre nicht. Mit fortschreitender Globalisierung, dem Internet, der sinkenden Frachtkosten usw. traten die US-amerikanischen Hersteller auf einmal in Konkurrenz mit der ganzen Welt und dann passierte das, was aufgrund der jahrzehntelang fehlenden Konkurrenz passieren mußte: man verlor. Produktion wurde nach China verlagert, hochwertige Güter wurden zunächst in Europa, später auch in Asien eingekauft.
In der Folge kam es zu massiven Arbeitsplatzverlusten in den USA - insbesondere im industriellen Sektor. Natürlich waren die Leute nicht dauerhaft arbeitslos, aber sie erlitten Einkommensverluste, weil man eben mit einem Verkäuferjob im 7-11 von halb elf bis halb sechs nachts und einem Zweitjob als Cheeseburgereinpacker bei McDonalds nicht das verdient, was man zuvor als Industriemechaniker bei Chrysler verdiente.
Mit der Häuserblase 2004-2008 bekamen viele noch einmal die Möglichkeit zum Konsum, indem sie ihre Häuser mit immer höheren Krediten belasteten. Aber spätestens 2008 war der Spaß vorbei.
Hinzu kommt das US-amerikanische Bildungssystem, das dazu führt, daß eine Selektion nach Einkommen vorgenommen wird. Gute Ausbildung kostet viel Geld.
In Summe führt das dazu, daß wir inzwischen einen großen Bevölkerungsteil haben, der einerseits schlecht ausgebildet ist und andererseits in ungünstigen Einkommensverhältnissen lebt. Diese Leute waren und sind (natürlich) für die Trump’schen Botschaften empfänglich, die gleichermaßen simplifizierend, mutmachend und patriotisch sind, empfänglich. Und er hat natürlich keine Gelegenheit ausgelassen, präzise zu benennen, wer alles an ihrer Lage und natürlich auch daran schuld ist, daß es nicht so kommt, wie er versprochen hat.
Dumm, frustriert, arm und dann noch von Demokraten, Presse usw. um die versprochenen Verbesserungen gebracht: eine brisante Mischung.
So, und nun zur Situation in Deutschland. Da liegt das Problem vor allem in der Wahrnehmung der eigentlichen Situation. Diese wird massiv von dem beeinflußt, was die extremen Parteien verbreiten: abgehängte Ossis, prekäre Verhältnisse, die da oben machen sich die Taschen voll usw. usf. Mit der tatsächlichen Realität hat das nicht viel zu tun und da müßte man ansetzen, nur erreicht man die Leute nicht mehr, weil sie sich mittlerweile immer mehr über Twitter, Facebook & Youtube informieren und ihre eigenen Blasen nur zur Verbreitung ihrer Propaganda verlassen, was natürlich zur Selbstbestätigung führt, weil sie dann vom merkelhörigen Mainstream niedergemacht werden.
Und in diese Kerbe hauen seit März die Anführer der Querulanten-Bewegung, die eine wunderbare Gelegenheit zur persönlichen Bereicherung entdeckten. Für meine Begriffe waren also die Leute schon in irgendeiner Form aus der Realität abgetaucht und ließen sich nur bereitwillig auf das Corona-Gleis setzen.