Moin Ralf,
Dabei ist in Einklang mit
den überlieferten Ritualen und Prozeduren vorzugehen. Beim
Dalai Lama (wie auch beim Panchen Lama und einigen anderen
bedeutenderen Tulkus) bedeutet dies, dass nach dem
tibetisch-chinesischen Statut von 1793 vorzugehen ist. D.h. es
werden zunächst mehrere in Frage kommende Kandidaten
ermittelt, unter denen dann der ‚Richtige‘ aus einer goldenen
Urne ausgelost wird.
DAs wäre dann aber keineswegs im Einklang mit den überlieferten Ritualen und Prozederen. Dies ist nichts anderes als ein verschleierter Versuch Chinas, den nächsten Dalai Lama zu bestimmen.
Natürlich wird dieses vorgeschriebene Prozedere von den
Exiltibetern nicht anerkannt.
Dieses Verfahren wird auch von den in Tibet lebenden Tibetern nicht anerkennat. Tatsächlich wird es von überhaupt keinen buddhisten in der tibetisch buddhistischen Tradition anderkannt und ist somit wertlos.
Am wichtigsten sicher die Ankündigung
(ebenfalls letztes Jahr), der nächste Dalai Lama könne sich
schon vor dem Tode des jetzigen inkarnieren und ausgewählt
werden. Das hätte natürlich den Nachteil, dass ein solches
Vorgehen für Leute, die den Dalai Lama für eine Wiedergeburt
seines Amtsvorgängers halten, schwer nachvollziehbar wäre –
Schwer nachvollziehbar höchstens bei Leuten, die den Wiedergeburtsgedanken innerhalb der tibetisch-buddhistischen Tradition nicht verstanden haben. Der Dalai Lama gilt in erster Linie als Inkarnation von Chenresig. Seine zweitrangige Funktion ist seine hohe religiöse Stellung innerhalb der Gelug-Linie des tibetsichen Buddhismus und dann kommt erst der ganze Rest.
Zum ersten Punkt: Es ist kaum anznehmen, dass Chenresig (der Buddha- Aspekt des Erbarmens und Mitgefühls mit allen Wesen) sich nur im Dalai Lama inkarnieren kann. Chenresig kann sich jeder Zeit inkarnieren, dafür muss eine Person weder der Dalai Lama, noch ein Tibeter, noch ein Mann sein.
Zum zweiten Punkt: Es gibt überhaupt keinen Grund, warum nicht jemand anders die religiösen Aufgaben des Dalai Lama übernehmen kann. Dies ist sowieso der Fall, solange der jeweils neue Dalai Lama noch ein Kind ist. Es gibt auch überhaupt keinen Grund, diese andere Person, die die religiösen Aufgaben des Dalai Lama übernimmt, nicht ebenfalls als Inkarnation von Chenresig anzuerkennen, sofern er diese Qualitäten zeigt.
Die Frage wo und unter welchen Umständen sich der 14. Dalai Lama inkarnieren wird, ist davon völlig unberührt. Vermutlich werden es Umstände sein, unter denen er viel Gutes für die Wesen, den Dharma und auch Tibet bewirken kann.
Aber die Designation eines Nachfolgers durch den
jetzigen Dalai Lama könnte verhindern, dass mit dem
chinesischen Prätendenten nicht nur ein einziger Prätendent
der Exilregierung, sondern womöglich sogar zwei oder mehr
Prätendenten unterschiedlicher Fraktionen unter den
Exiltibetern konkurrieren.
Dafür ist längst gesorgt. Die tibetische Exilregierung und ihr Oberhaupt wird demokratisch gewählt. Bereits der jetzige Dalai Lama verabschiedet sich mehr und mehr aus der Sonderrolle, die er noch in der Exilregierung einnimmt. Der nächste Dalai Lama wird keine politische Funktion innerhalb der Exilregierung einnehmen, zumal (in dem Fall wo man von der Inkarnation des 14 ausgeht), dies sowieso ca. 20 Jahre dauern wird, bis derjenige erwachsen ist. Bis dahin können die Tibeter innerhalb und außerhalb Tibets hoffentlich endlich alle demokratisch über ihr Staatsoberhaupt entscheiden.
Die armen Kinder, die’s treffen wird, tun mir jetzt
schon aufrichtig leid.
Die „armen Kinder“ die außerhalb Tibets als Tulkus anerkannt sind, erhalten die beste Ausbildung, die den Exiltibetern überhaupt zur Verfügung steht. Keines dieser „armen Kinder“ wird gezwungen, auch nur die volle Ordination als Mönch anzunehmen. Es gibt viele anerkannte Tulkus, die tatsächlich den Orden verlassen, geheiratet haben, ein Laienleben führen und dennoch als hochrangige buddhistische Lehrer verehrt werden.
Die „armen Kinder“, auf die Penking seine Klauen legt, können einem in der Tat hingegen tatsächlich leid tun, das betrifft aber nicht nur die als Tulkus anerkannten Kinder, sondern alle Kinder, denen China die grundlegensten menschlichen Rechte verwehrt, seien es Han, Tibeter oder Angehörige andere in China lebenden Minderheiten. Bei dem Massaker auf dem Platz des himmlischen Friedens hat die chinesische Diktatur jedenfalls ihre eigenen Kinder niedergemetzelt. Offenbar muss man kein Tulku sein, um in China gefoltert, getötet und eingesperrt zu werden.
Gruß
Marion