Hallo Mike,
ich habe grundsätzlich nichts gegen Antimodernismus; aber wenn da - wie bei Dir - die Sehnsucht nach mittelalterlichen Verhältnissen spürbar wird, als die katholische Kirche noch mit Feuer und Schwert ein Monopol auf ‚Wahrheit‘ durchsetzen konnte, dann ist das schon bedenklich. Zum einen - eine solche Geisteshaltung ist nicht ‚antimodernistisch‘, sie ist schlicht totalitär. Was sich hier einmal wieder deutlich zeigt, ist die Unfähigkeit, aus der Geschichte Lehren zu ziehen: dieser Schoss ist immer noch fruchtbar. Es ist nicht wirklich die katholische Kirche, die sich geändert hat - die Zeiten haben sich geändert und Dein vorgeblicher Antimodernismus wünscht sich lediglich die Zeiten zurück, als die Kirche und ihre Würdenträger zur Durchsetzung ihrer Interessen oder auch nur zur Befriedigung persönlicher Perversitäten nach Herzenslust Andersdenkende foltern, einkerkern und bei lebendigem Leib verbrennen durften.
Sorry - aber wenn ich etwas dermaßen Strunzdummes lese
so strenge Inquisition und den ach so verklemmten oder verbohrten Prozess, der ja doch vielleicht eigentlich keine so schlimme Absicht erkennen liess, wie man uns gerne glauben macht.
verliere ich wirklich meine Contenance. Die „ach so strenge Inquisition“ hat Galileo wegen eines naturwissenschaftlichen Werks - nicht irgendeines, sondern ein Meilenstein der Wissenschaftsgeschichte - zu lebenslanger Kerkerhaft verurteilt. ‚Gnadenhalber‘ wurde toleriert, dass diese Haft ‚nur‘ als Hausarrest exekutiert wurde. Eine Erleichterung, die jederzeit bei mangelndem ‚Wohlverhalten‘ widerrufen werden konnte. Das war das Ergebnis des „ach so verklemmten oder verbohrten Prozesses“ - das nur deswegen so ‚milde‘ ausfiel, weil Galileo widerrief und um Gnade bat. Nicht aus besserer Einsicht, sondern weil er genau wusste, dass ihm andernfalls das Schicksal Giordano Brunos bevorstand, der 33 Jahre zuvor öffentlich bei lebendigem Leib verbrannt wurde. Und du meinst, der Prozess ließ „keine so schlimme Absicht erkennen“? Was verstehst Du denn eigentlich unter wirklich „schlimmer Absicht“? Verweigerung der Absolution vor der Hinrichtung?
Kommen wir zu Bruno. Auch da entblödest Du Dich nicht, in die unterste Schublade zu greifen:
Hier ist insbesondere zu vermerken, dass die Kirche ausdrücklich empfahl, ihn nicht hinzurichten.
Ich kenne die Formel auch:
„Du sollst dem weltlichen Gericht übergeben werden, und wir übergeben dich dem Gericht des Herrn Gouverneurs von Rom, der hier anwesend ist, damit er dich mit der gebührenden Strafe belege, wobei wir inständig bitten, es möge ihm belieben, die Strenge der Gesetze zu mildern, die sich auf die Strafe für deine Person beziehen, möge sie ohne Gefahr des Todes und der Gliederverstümmelung sein.“
Es war die Standardformel, die jedes Todesurteil der heiligen Inquisitoren nach dem leuchtenden Vorbild des Pilatus verzierte - natürlich ohne irgendwelche Konsequenzen. Denn die ‚weltlichen‘ Exekutoren wussten nur zu gut, welches Risiko sie selbst eingehen würden, wenn sie der pro-forma-Aufforderung zur Milde und Nachsicht mit ‚Häretikern‘ Folge leisten würden. Gerade im Falle Brunos ist die Verlogenheit dieser Phrase überdeutlich - der „Herr Gouverneur von Rom“, dem Bruno zur Vollstreckung übergeben wurde war ein Beamter. Ernannt vom Papst und an dessen Weisungen und die der Kardinäle gebunden. Die ‚Gnadenformel‘ war nie etwas anderes als der Gipfel der Heuchelei - dass Du sie uns hier exkulpatorisch präsentierst, verbindet diese Heuchelei mit Unverfrorenheit.
Die „blutigste und schmutzigste aller Revolutionen“, mein lieber Mike, war die Konstantins „des Großen“ und seiner christlichen Verbündeten. Sie sorgte für Jahrhunderte blutiger Verfolgung Anderdenkender durch die Kirche, für die Legitimation von Kriegen, von rücksichtsloser Ausbeutung und Versklavung durch ‚Gottesmänner‘ per ‚geistlichem Segen‘. Und da kommst Du daher und meinst, einem Galileo ans Bein pinkeln zu dürfen, weil der eine fremde Erfindung verbesserte und als eigene verkaufte.