Hallo Christian,
das testimonium flavianum ist eine Fälschung
Das stimmt so nicht (!Wikipedia-Weisheit!). Es ist nicht mehr
dem Ausschnitt aus Origenes gleich. Das meint aber nur, das es
überarbeitet wurde. Der historische Kern ist aber die
Darstellung Jesu als Weisheits und Wunderlehrer.
Origenes zitiert die Antiquitates nicht, aber er schreibt in Contra Celsum 47.1 über Josephus Flavius (Übers. Paul Koetschau):
Und wenn auch dieser selbe Schriftsteller Jesus nicht als Messias anerkennt …
- während an der Stelle, auf die er sich bezieht, (Antiquitates Judaicae XVIII 3,3) in heutigen Ausgaben steht:
„Er war der Messias.“
Offensichtlich stand das so bei Origines noch nicht - die Stelle ist eindeutig erst um 300 u.Z. in den Text gekommen. Gleichermaßen unwahrscheinlich ist es, das Flavius Josephus als bekennender Pharisäer so etwas geschrieben haben soll:
„Er erschien ihnen nämlich am dritten Tage wieder lebend, wie gottgesandte Propheten neben tausend anderen wunderbaren Dingen von ihm verkündet hatten.“
Hier kann es sich nicht um einen Übermittlungsfehler handeln. Du magst es „überarbeiten“ oder von mir aus auch „Hinzufügung“ nennen - ich nenne es eine Fälschung. Nicht die einzige, die sich die Kirche im Lauf der Jahrhunderte geleistet hat; eine ziemlich dreiste obendrein, weil leicht zu durchschauen - kein rechtgläubiger Jude (und das war Josephus) hätte so etwas 93 u.Z. geschrieben. In welchem Ausmaß ansonsten noch an der Stelle herumgefälscht wurde, ist strittig. Dass Flavius Josephus in seinem Originalwerk weder Jesus als Messias bezeichnet hat noch eine Auferstehung nach drei Tagen berichtet oder geglaubt hat hingegen nicht. Gerade an der zweiten Stelle bei Flavius Josephus, die gerne als Beleg angeführt wird (XX, 9,1) schreibt Josephus dann ja auch vom
„Bruder Jesu, des sogenannten Christus“.
bei Tacitus liest man nun wirklich nichts von „Wunder und
Heiltätigkeit“.
Dort finden sich aber schon Hinweise auf den „Aberglauben“ an
Jesus.
Nicht notwendig an Jesus. Die Stelle lautet (Übersetzung Walther Sontheimer):
Und so schob Nero, um dieses Gerücht zu ersticken, die Schuld auf andere und verhängte über die, die durch ihr schändliches Gebaren verhaßt waren und im Volksmund „Christianer“ heißen, die ausgesuchtesten Strafen. Dieser Name leitete sich von Christus ab, der unter der Regierung des Tiberius durch den Prokurator Pontius Pilatus hingerichtet worden war. Der für den Augenblick unterdrückte verhängnisvolle Aberglaube griff von neuem um sich, nicht nur in Judäa, wo dieses Übel entstanden war, sondern auch in Rom, wo alle Scheußlichkeiten und Abscheulichkeiten aus der ganzen Welt zusammenströmen und freudigen Anklang finden.
Sontheimer merkt zu „schändliches Gebaren“ an, dass die Christen u.a. des rituellen Kindsmordes beschuldigt wurden - es ist mehr als naheliegend, eben auch den „Aberglauben“ eben unter diesem Aspekt aufzufassen - wie auch die „Scheußlichkeiten und Abscheulichkeiten“.
Doch selbst gesetzt, Du hast recht - was gibt diese Stelle denn nun konkret an historischen Informationen her? Dass es 64 u.Z. eine aus Judäa stammende, in üblem Ruf stehende religiöse Gemeinschaft in Rom gab, die sich auf einen ‚Christus‘ berief, der durch Pontius Pilatus hingerichtet wurde. Letztere Behauptung hielt Tacitus eindeutig für zutreffend, auch wenn er diese Angabe offensichtlich nicht überprüfte - sonst wäre ihm aufgefallen, dass Pontius Pilatus nicht Prokurator war, sondern kaiserlicher Präfekt. Mehr ist da nicht - und mehr findest Du auch insgesamt nicht in den außerchristlichen zeitnahen Quellen (zeitgenössische gibt es nicht).
Kommen wir zu Sueton - ein gutes Beispiel für das, was ich weiter oben über ‚Zuverlässigkeit‘ und ‚Genauigkeit‘ von Quellen angemerkt hatte.
Ebensowenig bei Sueton, der mit dem
offensichtlich in Rom lebenden Aufrührer Chrestos (= der
Nützliche) ohnehin vermutlich jemand völlig Anderes gemeint
hat oder bei Plinius.
Das ist ebenso falsch. Es handelt sich sehr wohl um Christus.
Bitte erweitere doch dein sprachliches Wissen und schau nach,
um was es sich bei einem Itazismus handelt.
Was sagt der Text? Es handelt sich um einen einzigen Satz in der Vita Claudii 25,4 (übers. André Lambert):
Da die Juden unter ihrem Anführer Chrestos beständig Unruhe stifteten, vertrieb er sie aus Rom.
Kaiser Claudius, wohlgemerkt, nicht Tiberius. Die Vertreibung fällt vermutlich in das Jahr 50, vgl. Apostelgeschichte 18, 1-2:
Danach verließ Paulus Athen und kam nach Korinth und fand einen Juden mit Namen Aquila, aus Pontus gebürtig; der war mit seiner Frau Priszilla kürzlich aus Italien gekommen, weil Kaiser Klaudius allen Juden geboten hatte, Rom zu verlassen. Zu denen ging Paulus.
Also: Entweder haben wir einen Itazismus, also einen Übertragungsfehler, und es ist tatsächlich ‚Christus‘ statt ‚Chrestos‘ gemeint. Dann müssen wir davon ausgehen, dass dieser nach Sueton im Jahr 50 u.Z. immer noch lebte, und zwar als ‚Anführer der Juden‘ in Rom. Wir haben keinen Grund anzunehmen, dass Sueton hier von einem ‚Anführer der Juden‘ (was in Bezug auf Jesus ohnehin höchst seltsam wäre) spricht, der etwa 20 Jahren früher im weit entfernten Judäa hingerichtet wurde - das steht da schlicht und einfach nicht (von Wunderheilungen etc. schon mal gar nichts). Oder aber es handelt sich um einen Juden (Christen wurden noch nicht von ihnen unterschieden) mit dem durchaus nicht unüblichen griechischen (Sklaven-)Namen Chrestos (man vergleiche den Juden mit dem römischen Namen ‚Aquila‘), der in Rom Unruhe stiftete.
So oder so - beide Versionen sind als Beleg für die Historizität Jesu wertlos. Und jetzt erlaube ich mir, nochmals Dich zu zitieren:
Nebenbei ist auch in auserchristlichen Quellen (also ganz ohne
eschatologischen Rückblick) die Wunder und Heiltätigkeit Jesu
vermerkt.
Das ist doch wohl den Mund etwas voll genommen - oder nicht?
Freundliche Grüße,
Ralf