Kopf im Türrahmen - kein mentales Problem
Lieber [Edit: Name entfernt]!
Aber, du wirst gelesen haben, dass ich den
Materialismus, von dem ich sprach, auch deutlich kennzeichnete
mit Ausdrücken wie „Position des
metaphysischen Materialismus“ …
Hier wäre etwas Begriffsklärung angebracht. Professor Wiki
dazu:
„Die Metaphysik (lat. metaphysica, von altgr.
μετά metá = „danach, jenseits“ und
φύσις phýsis = „Natur,
natürliche Beschaffenheit“) ist eine Grunddisziplin der
Philosophie. Metaphysische Systementwürfe behandeln in ihren
klassischen Gestalten die zentralen Probleme der theoretischen
Philosophie: die Beschreibung der Fundamente, Voraussetzungen,
Ursachen oder „ersten Gründe“ und allgemeinsten Strukturen,
Gesetzlichkeiten und Prinzipien sowie von Sinn und Zweck der
gesamten Wirklichkeit bzw. allen Seins.“
Zitat ENDE.
Hmm, ja, da schreibt Professor Wiki sicher Richtiges, aber er trifft nicht ganz den Punkt, der meiner Unterscheidung in einen metaphysischen und einen nicht-metaphysischen Materialismus zu Grunde lag, auch wenn sein Geschriebenes damit zu tun hat.
Den Metaphysik-Begriff, um den es mir dabei geht, könnte man mit verschiedenen Autoren belegen, da ich von unserer letzten Begegnung noch weiß, dass du Wilber-Fan bist, wirst du auch Herrn Habermas kennen und mögen:
„Als Antwort auf die von ihm in der Gegenwartsphilosophie beobachteten Tendenzen einer Rückkehr zu metaphysischen Denkformen hat Jürgen Habermas unter dem Eindruck des „Zusammenbruchs der systematischen Philosophie“ sowie einer angeblich unwiderruflich an ihr Ende gelangten „großen Tradition“ den darin bestimmenden „Aspekten metaphysischen Denkens“ seine nunmehr als maßgebend angesehenen „Motive nachmetaphysischen Denkens“ entgegengestellt. Diese Kritik an den traditionellen metaphysischen Denkformen - in ihren maßgebend gewordenen Gestalten des „ontologischen Paradigmas“ sowie der neuzeitlichen „Theorien der Subjektivität“ - begründet nicht nur seine Bestimmung des unter den Bedingungen gegenwärtiger Rationalitätsstandards noch vertretbaren Stellenwerts und der Aufgabenstellung der Philosophie. In Aufnahme maßgebender junghegelianischer Leitmotive sowie in besonderer Rücksicht auf die in der Entwicklung der neueren Sprachphilosophie ausgebildeten nachmetaphysisch bestimmenden Denkhorizonte weiß Habermas eine zeitgemäße, d. i. auf ein „nachmetaphysisches Selbstverständnis verpflichtete Philosophie“ gleichermaßen von überzogenen traditionellen Ansprüchen wie von aporetischen Fragestellungen und angebotenen Problemlösungen befreit“
http://www.buchhandel.de/detailansicht.aspx?isbn=978… Buch anschauen
Der von mir markierte Terminus „neuere Sprachphilosophie“ meint die (Sprach)Analytische Philosophie, und damit auch die Philosophie des Geistes, die (größtenteils) in dieser Tradition der (Sprach)Analytischen Philosophie steht.
Vgl. hier:
Darunter [Analytische Philosophie] versteht man die im 20. Jh. dominierende philosophische Richtung, welche die Aufgabe der Philosophie vor allem in der Sprachanalyse und -kritik verortet. Charakteristisch ist auch ihre Orientierung an den empirisch-naturwissenschaftlichen Einzelwissenschaften. Die Philosophie des Geistes befasst sich mit der Natur mentaler Zustände; zentral ist das sogenannte Leib-Seele-Problem.
http://beta.a-priori.eu/cat/1
Und ganz sicher fallen die Einzelwissenschaften wie die Biologie in diese Habermas’sche Rubrik des „Nachmetaphysischen Denkens“.
Ich wollte gerade auch dafür noch eine schöne Belegstelle suchen (obwohl es sich von selbst versteht), da kam mir zufällig diese wunderbare Passage in die Finger, die exakt meine Position wiedergibt:
Der heutige Materialismus ist aber nicht - wie im
vergangenen Jahrhundert - eine “metaphysische” Konzep-
tion, nämlich ein Widersacher des Spiritualismus. Es gilt
einzusehen: Wissenschaft und Technologie sind nicht gegen
die Metaphysik eingestellt; deswegen nicht, weil der heu-
tige Mensch im Abendlande nichts von einer “übersinnli-
chen”, “transzendenten”, “jenseitigen”, “rein-vernünftigen”
Welt weiß. Er weiß nichts davon, weil er schon lange nicht
mehr “in der Weise” denkt, wie es die Metaphysiker tun,
nämlich daß er sich selbst transzendiert in die Welt, und
die Welt wiederum in die Überwelt.
Die Verwissenschaftlichung und Technologisierung
aller Bereiche unserer Lebenswelt führt heute zu einer nur
immanenten, d.h. weltlichen Explikation und Steuerung der
ganzen physischen und menschlichen Wirklichkeit. Mit
anderen Worten: im nachmetaphysischen Zeitalter sind alle
Formen des Wissens empirisch, sie sind Erfahrungswissen
(Wissen “allein aus der Erfahrung”). Die Erfahrung wird
nicht mehr transzendiert.
http://www.gle.at/uploads/media/EA_1998-3.pdf
(meine ursprüngliche Ausgangsthese habe ich markiert)
Die Aussagen der von mir genannten neomaterialistischen Thesen
sind also in einiger Hinsicht metaphysisch zu nennen: sie
behaupten das Materielle als Fundament des Mentalen.
Das entspricht dann aber nicht dem von mir verwendeten Metaphysik-Begriff, der im übrigen auch bei weitem nicht auf Habermas beschränkt ist, wie das letzte Zitat zeigt.
Weiter:
http://www.philosophia-online.de/mafo/heft2007-4/neu…
"Wider die Materialistische Metaphysik
von Jörg Neunhäuserer
- Einleitung
Die materialistische Metaphysik ist durch die Grundannahme
charakterisiert, dass das Mentale, also unsere bewussten
Gedanken, Gefühle und Empfindungen, letztendlich physischer
Natur ist. Die Einheit geistig-seelischer und körperlicher
Zustände oder Vorgänge wird behauptet. Unsere Gedanken,
Gefühle und Empfindungen sollen mit den Erregungszuständen
unseres zentralen Nervensystems oder anderer körperlicher
Erscheinungen identisch sein oder sich in deren funktionaler
Organisation wiederfinden…
… Es scheint befremdlich wie sehr sich die materialistische
Position sowohl in der öffentlichen Meinung [1] als auch in
der philosophischen Debatte [2] etablieren konnte, obwohl wir
über robuste philosophische Argumente verfügen, die diese
Position als unhaltbar erscheinen lassen."
Zitat ENDE.
Der moderne Biologismus sowie die entsprechende Position
innerhalb der PhildG sind also metaphysisch.
Ok, da stimme ich zu.
In polemischer Absicht gegen die wissenschaftlichen Fundamentalismen, insbesondere gegen den Biologismus, gerichtet, wird der Metaphysik-Begriff in der Tat so verwendet - und ist auch nicht ganz falsch verwendet, weil diesen fundierenden -ismen einen Rückfall ins „vor-nachmetaphysische Denken“ vorgeworfen wird.
Dies entspricht aber nicht dem Selbstverständnis der entsprechenden Theoretiker. Weder eine Biologin, noch einer der großen Vertreter der Philosophie des Geistes wird sich ernsthaft selbst als Metaphysikerin bezeichnen. Solche Begriffsverwendung ist rein auf polemische Fremdbezeichnung beschränkt.
Die drei von mir
genannten Grundpositionen sind definitiv Modelle, auf die sich
irgendwie jeder beziehen muss, der über die Frage von
Geist/Körper nachdenkt. Es gibt keine vierte logische
Möglichkeit, höchstens Varianten der Grundpositionen.
Die ausgeschlossene vierte Möglichkeit dabei ist aber, das
ganze Leib/Seele-Problem für Quatsch zu halten.
Man kann die Unterscheidung zwischen Geist und Körper nicht
aus der Welt rausdefinieren. Jemand stößt sich am Türrahmen
den Kopf an. Der Schmerz ist ein mentales Phänomen, der
Türrahmen ein materielles. Jemand, der behauptet, die
kategoriale Unterscheidung von Schmerz und Türrahmen sei nur
sozial konstruiert, vertritt eine akademische Papierthese, die
der Realität nicht standhält, ebenso wenig wie der Kopf dem
Türrahmen.
???
So simpel ist das nun auch nicht gemeint gewesen, denn es geht nicht (wie kommst du überhaupt zu dieser Annahme?) um die Unterscheidung Schmerz vs.Türrahmen, die ja nichts anderes ist als die Unterscheidung Ich vs. Ding bzw. Ich vs. (Um)Welt, sondern um die ganz andersartige Unterscheidung (mein)Leib vs. (meine)Seele.
Und hierbei kann man sehr wohl behaupten, dass die Unterscheidung in dem Satz „Mein Körper ist an den Türrahmen gestoßen, dabei (oder wahlweise auch ‚deshalb‘ usw.) hatte meine Seele ein Schmerzerlebnis“ gegenüber der Nichtdifferenziertheit in dem Satz „Ich bin gegen den Türrahmen gestoßen, und empfand dabei (deshalb) Schmerz“ nicht unbedingt entscheidenden Informationswert hinzufügt.
Die folgenden Anmerkungen halte ich für weitgehend offtopic, weil meine These, dass es Theorien gibt, die sich gar nicht erst darauf einlassen, eine der drei Varianten des Leib/Seele-Schemas zu sein (was ich -ebenenlogisch nicht ganz korrekt- als vierte Variante bezeichnete), nicht viel damit zu tun hat, ob der Sozialkonstruktivismus nun eine historische Basis hat, oder wie Derrida zum jüdischen Mystizismus steht.
Und das tun z.B. Positionen dezidiert, die zeigen, wie sich
soziale Normen (sind die überhaupt „geistig“? oder material?
oder was sonst?) materialisieren, zu Materie werden.
Hier wären die Variationen des Sozialkonstruktivismus genannt,
oder auch der Poststrukturalismus.
Zunächst zum Sozialkonstruktivismus. Das Problem beim ihm ist
das Problem jeder relativistischen Lehre: der Selbstbezug.
Der Sozialkonstruktivismus ist nämlich seinerseits auch nur
ein soziales Konstrukt. Er steht nicht außerhalb seines
Untersuchungsgegenstandes.
Ja, richtig. (abgesehen davon, dass ich dieses Problem der Selbstbezogenheit nicht „relativistisch“ nennen würde)
Wiki (MTh)
„Metatheorie ist die Bezeichnung für eine Theorie, deren
Forschungsgegenstand eine andere Theorie oder eine Menge
anderer Theorien ist. Eine Metatheorie ist also eine Theorie
über eine Theorie oder über einige Theorien, oder über alle
möglichen Theorien.“
Zitat ENDE.
Der Sozialkonstruktivismus IST eine Metatheorie, d.h. er ist
KEINE Theorie über die Wirklichkeit
Dieser Satz ist schlicht und einfach nicht korrekt.
Übrigens ist auch der Wiki-Eintrag zum „Sozialkonstruktivismus“ falsch, wenn er ihn als „Metatheorie“ kennzeichnet. Völlig absurd.
Auch ansonsten kann man diesen Wiki-Eintrag restlos in die Tonne kloppen.
(ausführliche Begründung wäre möglich, wenn gewünscht, spare ich mir jetzt aber, da vollkommen off topic).
Vgl. hier vier Grundannahmen des Sozialkonstruktivismus, von denen uns in diesem Zusammenhang nur die erste interessiert:
Die Wirklichkeit ist sozial konstruiert (Interpretationsabhängigkeit der Welt)
http://www.uni-tuebingen.de/pol/hasenclever/aupovorl…
Das trifft definitv als Grundannahme auf alle Sozialkonstruktivismen (derer gibt es viele unterschiedliche) zu.
Und: Es ist eine Aussage über die Wirklichkeit, nicht über eine „Meta-Wirklichkeit“, und auch nicht bloß über die „soziale Wirklichkeit“, nein, schlicht und einfach über die Wirklichkeit, also auch entsprechend über Leib und über Seele, genauso auch über die kategoriale Unterscheidung von Leib und Seele, denn die ist ja auch wirklich.
, er macht keine Aussagen
über naturwissenschaftliche oder philosophische Fragen:
Dass der Sozialkonstruktivismus keine Naturwissenschaft ist, ist richtig, hat aber nichts mit seinem angeblich fehlenden Wirklichkeitsbezug zu tun (sein Verhältnis zur Philosophie ist komplexer, weil er auch auf philosophischen Konzepten aufbaut -Marx, Husserl/Schütz, Scheler/Plessner/Gehlen- und auch in die Philosophie gewirkt hat).
Der Sozialkonstruktivismus macht also Aussagen über die gleiche Wirklichkeit wie die Naturwissenschaft und die Philosophie auch, deshalb muss er ja nicht methodisch gleichartig vorgehen.
INHALTLICHE Aussagen macht der Sozialkonstruktivismus
also nicht. Insofern hat er
gar keinen Bezug zur Positionen-Ebene von 1-2-3 und ist auch
keine alternative vierte Position.
Das Markierte habe ich gewiss nicht behauptet.
Ich habe behauptet, dass der Sozialkonstruktivismus eine der vielen Positionen ist, die diese „vierte Position“ einnehmen, nicht sind. Das ist ein großer Unterschied.
Es ist aber richtig, dass diese Position 4 nicht auf der Ebene der Positionen 1,2 und 3 liegt, sondern auf der Ebene des Leib/Seele-Dualismus selbst. Insofern war meine Aussage dazu natürlich etwas missverständlich.
Beide zeigen auch
detailliert, auf welchen sprachlichen Normen die Entitäten
„Leib“ und „Seele“ als solche überhaupt erst beruhen, wie sie
historisch entstanden sind usw.
Der Sozialkonstruktivismus ist, wie gesagt, selbst ein
historisches Produkt. Keine gute Basis also, um andere Lehren
mit dem Argument zu unterminieren, sie seien ja nur
historische Produkte.
Dieses Argument akzeptiere ich noch immer nicht.
Warum muss man eine a-historische Basis postulieren um Dinge als historisch geworden analysieren zu können?
Hegel und Marx haben das so gemacht, ja, die würde (bzw. hat) Habermas aber genau deswegen noch zu den beiden letzten großen Denker des metaphysischen Zeitalters ausrufen.
Was den Poststrukturalismus betrifft:
Derrida neigt zur jüdischen Mystik (Position 3).
Derrida ist sicher kein „Spiritualist“ deiner Definition nach. Nirgendwo in seinem Oeuvre sind auch nur annähernd sinngemäß diese deine, Position 3 definierenden, Sätze zu finden:
Hier gilt das Geistige als einzig wirkliche Substanz
und das Körperliche (und Materielle überhaupt) als
entstanden aus dem Geistigen. Materialität ist
eine Illusion, sie ist nur ein Aspekt des Geistigen.
Derrida auf dieser Basis Position 3 zuzuordnen ist, verzeih, grotesk.
Theoretiker wie Derrida sind weder Materialisten, noch Dualisten, noch Spiritualisten im Sinne deines Schemas. Und genau darum ging es mir.
Allgemein gesagt, widerspricht der Poststrukturalismus in
keinster Weise der Position 3. Im Gegenteil, er stützt
weitgehend die entsprechenden Thesen der asiatischen und
westlichen mystischen Lehren, dass der normale Realitätsbezug
ein „Konstrukt“ ist mittels der Struktur des Sprachlichen.
Sehe ich keinesfalls so, auch wenn ein Lacan selbst bei sich manche Nähen zum Zen sieht. Kenne mich dafür aber bei Lacan und beim Zen zu wenig aus, um hierzu eine Aussage treffen zu können, allerdings würde ich Lacan sowieso nicht dem „Poststrukturalismus“ zuordnen, aber das ist jetzt eine eher müßige Anmerkung.
Für Derrida, Lyotard, Foucault, Baudrillard, und wie sie alle heißen, gilt dies jedenfalls keinesfalls.
Lies -sehr lohnenswerterweise m.E. übrigens- die wenigen Seiten von Foucaults „Ordnung des Diskurses“, und du wirst sehen, dass hier bezüglich der Sprache keineswegs gilt:
dass der normale Realitätsbezug
ein „Konstrukt“ ist mittels der Struktur des Sprachlichen.
Im Gegenteil, gegen die Annahme, der Zugang zur Realität sei durch Sprache vermittelt, verwehrt er sich entschieden. Auch geht es weniger um Sprachstrukturen (das ist eher der Strukturalismus ohne Post-) als um Sprechhandlungen.
Es ist für mich (und für die eben genannten) übrigens auch nicht so sehr klar, dass „Sprachliches“ tatsächlich „Geistiges“ ist.
M.E.ist „Sprache“, bzw. ja eigentlich eher das Sprechen oder der Sprechakt (denn um das Sprachsystem selbst geht es dem Poststrukturalismus wie gesagt weniger) weder etwas Materielles noch etwas Geistiges, auch kein Materie-Geist-Dualismus.
Das gleiche Einordungsproblem sehe ich bei der Ebene des „Sozialen“.
Darauf hatte ich dich schon hingewiesen.
Und eben diese Problematik hatte ich mit meinem Hinweis auf SK und PS auch gemeint, welche -vereinfacht gesagt- die Welt als Funktion sozialer Handlungen bzw. Sprechhandlungen begreifen.
Weniger ging es mir um den SK und den PS selbst.
Die Esoterik kann das Zusammenleben erleichtern. Aber das
Wichtigste ist Krieg und sexuelle Versorgung.
(Julius Ecclesiae)
Das wirst du näher erläutern müssen.
Das war meine Weisheit des Tages, sichtbar abgetrennt vom
Text, und damit per se nicht erläuterungspflichtig
Undercover als PS. verschleiert, logo.
Das wirst du näher erläutern müssen.
_ ℂ Λ ℕ Ð I Ð € _