Heiligenverehrung vs. Idolatrie
Hi,
ich habe dazu ja soeben etwas Näheres ausgeführt
/t/was-wissen-tote/5029326/23
Wenn nun der unbedarfte Beobachter ansieht, wie beispielsweise ein Spanien eine Marienfigur durch die Straßen getragen wird, könnte er den Eindruck gewinnen, dass hier eine Götzenverehrung stattfindet.
Der „unbedarfte Beobachter“ sollte in dem Fall genau das tun, was seiner Unbedarftheit zukommt: Nämlich die, die an dieser kultischen Praxis teilnehmen, zu fragen , wie sie es verstehen.
„Götze“ ist ein Diminuitiv zu „Gott“. Damit wird der Terminus griech. „eidolon“ übersetzt, der analog schlicht „Bildchen“ heißt. Daher nennt man den Kult mit solchen „Eidola“, wenn sie als Götter aufgefaßt werden: „Idolatrie“. Darin liegt bereits eine Abwertung von (meist polytheistischen) Kulten, in denen Standbilder aus Holz oder Stein nicht nur als eine „Darstellung“ eines jeweiligen Gottes verstanden werden, sondern als seine physische „Hier-und-Jetzt-Präsenz“.
Das entspricht rein ritualtheoretisch im Grunde voll und ganz dem, was im Judentum unter „Schekinah“ verstanden wird. Auch der christliche Begriff der „Parousie“ ist nicht entfernt davon, wenn man den platonischen Ursprung des Begriffs einbezieht: Die „Anwesenheit“ der „Ideen“ in den Dingen der Realität. Nur wird die Kulthandlung am „Eidolon“ aus der Perspektive der Überwindung archaischer Gottesbegriffe eben abwertend verstanden.
Nun sind tatsächlich die von dir angesprochenen Rituale insbesondere des Marienkultes synchretistische Formen aus entsprechenden nichtchristlichen mediterranen Praktiken. Daß Marienkulte Synchretismen viel älterer mediterraner weiblicher Gottheiten enthalten, steht ganz außer Zweifel.
Auch dazu ginbt es eine längere Abhandlung von mir im Archiv:
[Maria - Sophia]
http://www.wer-weiss-was.de/cgi-bin/forum/showarchiv…
Dazu kommt noch, daß im Kontext einer Auseinandersetzung mit den Nestorianern im Konzil zu Ephesos 431 Maria als theotokos („Gottesgebärerin“) dogmatisch festgelegt wurde. Damit wurde dem Marienkult nochmal ein weiteres quasigöttliches Attribut hinzugefügt, das erhebliches Mißverständnis erzeugen mußte.
Daß in christlichen Traditionen auch anderen Heiligen und Martyrern nicht nur erhebliche Macht der „Fürsprache“ zugesprochen wird, sondern auch (was Wunder!) erhebliche Wunderwirkungspotenz, steht ebenfalls außer Zweifel. Das ist schlicht eine Eigenart der Christentumsgeschichte, die speziell im Katholizismus und den Orthodoxen Traditioenn erhalten blieb, während sie in anderen christlichen Richtungen (Protestantismus, Zeugen Jehovas usw.) abgelehnt wurden.
Es ist zu vermuten, daß sich ohne diese „Einverleibung“ kultischer Anteile aus anderen Religionen das Christentum auch nicht über Palästina hinaus hätte verbreiten können.
Aber eben deshalb war es nötig, daß sowohl die Orthodoxen als auch die Römischen Entwicklungen eindeutig formulierten, und einen definitiven Unterschied zwischen „Latreia“ (Anbetung Gottes, bzw der Trinität) und „Douleia“ (Verehrung von Heiligen) proklamierten.
Du wirst weder in Spanien, noch in Italien von einem Prozessionsteilnehmer auf die Frage „ist Maria für dich eine Göttin?“ etwas anderes als ein mildes Lächeln ob deiner Ignoranz als Antwort ernten.
Zu deiner Frage nach dem Anfang des Dekalogs, der im Judentum als 2. im Katholizismus als 1. Gebot gefaßt wird, habe ich hier schon ausführlich geschrieben:
/t/monotheismus-christentum/5022665/12
Auch im Kath. wird 2. Mose 2-6 komplett gelesen. Hier geht es um das Verbot der Teilnahme an idolatrischen Kulten anderer Götter. Da Maria im Kath. keine Göttin ist, können die kultischen Praktiken auch nicht als Widerspruch dazu aufgefaßt werden.
Gruß
Metapher