Götzen oder nicht?

Hallo Allerseits,

im vorigen Artikelbaum wurde das Thema der katholischen Heiligen- und Marienfiguren angesprochen.

Metapher hat auch auf die Unterscheidung von Anbetung, Bitte und Fürbitte angesprochen.
/t/was-wissen-tote/5029326/10

Wenn nun der unbedarfte Beobachter ansieht, wie beispielsweise ein Spanien eine Marienfigur durch die Straßen getragen wird, könnte er den Eindruck gewinnen, dass hier eine Götzenverehrung stattfindet.

Nun, lieber Leser, wie seht ihr das?

Gruß
Carlos

P.S.: Ich persönlich hege den Verdacht, dass zuerst die volkstümliche Anbetung von Bildern da war und dass die katholische Kirche später einen theologische Unterbau entwickelt hat, der erläutert, warum die gängige Praxis keine Götzenverehrung ist. Passend dazu auch die Zählweise der Katholischen Kirche bei den 10 Geboten, bei der das Bilderverbot gerne mal übersehen wird.


Heiligenverehrung vs. Idolatrie
Hi,

ich habe dazu ja soeben etwas Näheres ausgeführt
/t/was-wissen-tote/5029326/23

Wenn nun der unbedarfte Beobachter ansieht, wie beispielsweise ein Spanien eine Marienfigur durch die Straßen getragen wird, könnte er den Eindruck gewinnen, dass hier eine Götzenverehrung stattfindet.

Der „unbedarfte Beobachter“ sollte in dem Fall genau das tun, was seiner Unbedarftheit zukommt: Nämlich die, die an dieser kultischen Praxis teilnehmen, zu fragen , wie sie es verstehen.

„Götze“ ist ein Diminuitiv zu „Gott“. Damit wird der Terminus griech. „eidolon“ übersetzt, der analog schlicht „Bildchen“ heißt. Daher nennt man den Kult mit solchen „Eidola“, wenn sie als Götter aufgefaßt werden: „Idolatrie“. Darin liegt bereits eine Abwertung von (meist polytheistischen) Kulten, in denen Standbilder aus Holz oder Stein nicht nur als eine „Darstellung“ eines jeweiligen Gottes verstanden werden, sondern als seine physische „Hier-und-Jetzt-Präsenz“.

Das entspricht rein ritualtheoretisch im Grunde voll und ganz dem, was im Judentum unter „Schekinah“ verstanden wird. Auch der christliche Begriff der „Parousie“ ist nicht entfernt davon, wenn man den platonischen Ursprung des Begriffs einbezieht: Die „Anwesenheit“ der „Ideen“ in den Dingen der Realität. Nur wird die Kulthandlung am „Eidolon“ aus der Perspektive der Überwindung archaischer Gottesbegriffe eben abwertend verstanden.

Nun sind tatsächlich die von dir angesprochenen Rituale insbesondere des Marienkultes synchretistische Formen aus entsprechenden nichtchristlichen mediterranen Praktiken. Daß Marienkulte Synchretismen viel älterer mediterraner weiblicher Gottheiten enthalten, steht ganz außer Zweifel.

Auch dazu ginbt es eine längere Abhandlung von mir im Archiv:
[Maria - Sophia]
http://www.wer-weiss-was.de/cgi-bin/forum/showarchiv…

Dazu kommt noch, daß im Kontext einer Auseinandersetzung mit den Nestorianern im Konzil zu Ephesos 431 Maria als theotokos („Gottesgebärerin“) dogmatisch festgelegt wurde. Damit wurde dem Marienkult nochmal ein weiteres quasigöttliches Attribut hinzugefügt, das erhebliches Mißverständnis erzeugen mußte.

Daß in christlichen Traditionen auch anderen Heiligen und Martyrern nicht nur erhebliche Macht der „Fürsprache“ zugesprochen wird, sondern auch (was Wunder!) erhebliche Wunderwirkungspotenz, steht ebenfalls außer Zweifel. Das ist schlicht eine Eigenart der Christentumsgeschichte, die speziell im Katholizismus und den Orthodoxen Traditioenn erhalten blieb, während sie in anderen christlichen Richtungen (Protestantismus, Zeugen Jehovas usw.) abgelehnt wurden.

Es ist zu vermuten, daß sich ohne diese „Einverleibung“ kultischer Anteile aus anderen Religionen das Christentum auch nicht über Palästina hinaus hätte verbreiten können.

Aber eben deshalb war es nötig, daß sowohl die Orthodoxen als auch die Römischen Entwicklungen eindeutig formulierten, und einen definitiven Unterschied zwischen „Latreia“ (Anbetung Gottes, bzw der Trinität) und „Douleia“ (Verehrung von Heiligen) proklamierten.

Du wirst weder in Spanien, noch in Italien von einem Prozessionsteilnehmer auf die Frage „ist Maria für dich eine Göttin?“ etwas anderes als ein mildes Lächeln ob deiner Ignoranz als Antwort ernten.

Zu deiner Frage nach dem Anfang des Dekalogs, der im Judentum als 2. im Katholizismus als 1. Gebot gefaßt wird, habe ich hier schon ausführlich geschrieben:

/t/monotheismus-christentum/5022665/12

Auch im Kath. wird 2. Mose 2-6 komplett gelesen. Hier geht es um das Verbot der Teilnahme an idolatrischen Kulten anderer Götter. Da Maria im Kath. keine Göttin ist, können die kultischen Praktiken auch nicht als Widerspruch dazu aufgefaßt werden.

Gruß
Metapher

Da das Volk diese Vielgötterei liebt, bietet sich die Katholische Kirche als Sammelbecken an und begleitet sie mit der Heiligenverehrung. Im Gebet des kath. Priesters beri der Messe heißt es dort:" Herr, erhöre bie Fürbitten der Heiligen, zu denen wir unsere Zuflucht nehmen."
Die einen nehmen Gottes Gebote ernst, die anderen lieben es, Kerzerln anzünden

Götzenkerzen?

Die einen nehmen Gottes Gebote ernst, die anderen lieben es,
Kerzerln anzünden

Wo bitte steht das Gebot, keine Kerzen anzuzünden? Das eine schließt das andere nicht aus.

Eine Gebetskerze wird weder angebetet noch verehrt, sie ist schlicht ein äußeres Zeichen des Gebetes. Mag sein, daß sie z.T. zu einem l(i)eblosen Automatismus geworden ist: Kerze anzünden = Fall erledigt. Aber selbst das hat nichts mit Götzendienst zu tun, sonder ist ein Beispiel für ein inhaltsloses Ritual. Das gleiche gilt für gedankenlos heruntergeleierte Lieder oder Gebete - unabhängig von der ausgeübten Religion.

Wer eine Gebetskerze ernst nimmt, für den drückt sie vielerlei aus. Sie erinnert an das Jesuswort „Ich bin das Licht der Welt“; sie ist ein äußeres, sichtbares Zeichen für eine innere Haltung (ähnlich den Kerzen, die man am Straßenrand für ein Unfallopfer anzündet); sie kann zum sprachlosen Gebet werden, wenn die Worte fehlen…

Von diesen Gebetskerzen sind übrigens Kerzen zu unterscheiden, die man aus irgendeinem Anlaß stiftet. Die stehen häufig - reich verziert - in Heiligenkapellen und haben v.a. den Charakter eines Dankopfers. Sie werden in der Regel auch nicht angezündet. Aber - um den Bogen zur Ausgangsfrage zu kriegen - auch wird die Kerze weder verehrt noch angebetet. Wenn man hier von Götzendienst reden kann, dann weil sich die Verehrung (also Hochachtung!) eines Menschen, der etwas besonderes vollbracht hat, zu einer Anbetung und damit zum „echten“ Götzendienst gewandelt hat. Aber das hat wiederum nichts mit der Kerze im Besonderen zu tun.

Gruß, Martinus…

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Hallo Allerseits,

im vorigen Artikelbaum wurde das Thema der katholischen
Heiligen- und Marienfiguren angesprochen.

Metapher hat auch auf die Unterscheidung von Anbetung, Bitte
und Fürbitte angesprochen.
/t/was-wissen-tote/5029326/10

Wenn nun der unbedarfte Beobachter ansieht, wie beispielsweise
ein Spanien eine Marienfigur durch die Straßen getragen wird,
könnte er den Eindruck gewinnen, dass hier eine
Götzenverehrung stattfindet.

Nun, lieber Leser, wie seht ihr das?

Hallo Carlos,

zur Veranschaulichung: Wenn der Papst in Rom mit seinem Papamobil durch die Reihen der Gläubigen fährt, erlebt man ebenfalls einen Beifallsturm (ich wundere mich deswegen, warum dabei dem Papst nicht ständig ein Ministrant zuflüstert „Mensch gedenke, dass du sterblich bist!“). Hier handelt es sich, vergleichsweise wie die Marienverehrung in Spanien, um eine besonders leidenschaftliche Verehrung die wohl auch auf das südländische Temperament zurückgeht, an eine göttliche Verehrung des Papstes dürfte wohl niemand denken. Ähnliches läßt sich auch beim Empfang einer Erfolgreichen Fußballmannschaft beobachten - Begeisterung und Verehrung ja, aber Anbetung, wohl kaum.

Wolfgang D.

Hallo Metapher

„Götze“ ist ein Diminuitiv zu „Gott“. Damit wird der Terminus
griech. „eidolon“ übersetzt, der analog
schlicht „Bildchen“ heißt. Daher nennt man den Kult mit
solchen „Eidola“, wenn sie als Götter
aufgefaßt werden: „Idolatrie“. Darin liegt bereits eine
Abwertung von (meist polytheistischen) Kulten, in denen
Standbilder aus Holz oder Stein nicht nur als eine
„Darstellung“ eines jeweiligen Gottes verstanden werden,
sondern als seine physische „Hier-und-Jetzt-Präsenz“.

Bei dieser Erklärung fiel mir auf, dass es mit den Katholiken ja noch andere tiefgehende Streitpunkte gibt, insbesondere die Frage der Realpräsenz beim Abendmahl (der entscheidende Grund, warum der Papst ökumenisches Abhalten des Abendmahls seinen Untergebenen verboten hat).

Nach Deiner Erläuterung wäre der Glaube, dass eine Oblate sich in den realen Körper Jesu verwandelt, das Verstehen einer „Hier-und-Jetzt-Präsenz“ und damit Götzendienst. Oder?

Gruß
Thomas

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Hallo Metapher,

Der „unbedarfte Beobachter“ sollte in dem Fall genau das tun,
was seiner Unbedarftheit zukommt: Nämlich die, die an dieser
kultischen Praxis teilnehmen, zu fragen ,
wie sie es verstehen.

Also wenn ich mir anschaue, wie etwa die Pilger zur Maria del Pilar in Zaragoza (niemand versteht, worin eigentlich der Unterschied zur Maria de Guadalupe oder der Maria de Wer-Weiss-Sonst-Noch-Was besteht) ihre Götzenbildchen abschlecken habe ich ernste Zweifel an der Zurechnungsfähigkeit der Gewährsleute, die du uns da empfiehlst.

Gruß Gernot

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Hi,

Also wenn ich mir anschaue, wie etwa die Pilger zur Maria del
Pilar in Zaragoza (niemand versteht, worin eigentlich der
Unterschied zur Maria de Guadalupe oder der Maria de
Wer-Weiss-Sonst-Noch-Was besteht) ihre
Götzenbildchen abschlecken habe ich ernste
Zweifel an der Zurechnungsfähigkeit der Gewährsleute, die du
uns da empfiehlst.

Aber trotzdem werden sie auf die eine oder andere Weise wissen, was sie da tun. Einen Kult ohne die Menschen die ihn durchführen gibt es eben nicht. Und wer sollte besser wissen was er da tut, als ebendiese Leute (wobei mann natürlch unter Umständen 4 verschiedene Antworten bekommen kann, wenn man 3 Leute fragt :smile:)

Gruß
Torsten

Hallo Metapher,

danke für deine Antwort.

… Nämlich die, die an dieser
kultischen Praxis teilnehmen, zu fragen ,
wie sie es verstehen.

Ich frag’ mal meinen Onkel.

Ich habe nachgedacht und bin zum Schluß gekommen, dass wir aneinander vorbeireden. Nach deiner Definition gilt :

„… in denen
Standbilder aus Holz oder Stein nicht nur als eine
„Darstellung“ eines jeweiligen Gottes verstanden werden,
sondern als seine „physische Hier-und-Jetzt-Präsenz“.“.

Ich habe den Begriff Götzen dagegen in in umgangssprachlicher abwertender Art für alle Arten von Bilder und Figuren verwendet, die in der religiöser Weise verwendet werden, … volkstümlich halt.

Wenn ich aber 2. Mose 20:4-5 aufschlage, finde nicht den Begriff Götzen. Stattdessen finde ich ein Verbot sich Bilder oder Gestalten zu machen, den religiöser Verehrung dargebracht wird.
Wenn im alten Israel Götterbilder verachtet wurden, spielte es kein Rolle ob die Anbeter die physische Anwesenheit mit dem Bild in Verbindung brachten oder ob es nur Abbildung einer Wesenheit ist, die sich an einem höheren Ort befindet.

Im griechischen Kulturkreis gab es Massenhaft Abbildungen von Göttern. Diesen Abbildungen wurden auch religiösen Dienste dargebracht. Die Griechen vermuteten ihre Götter aber die meiste Zeit auf dem Olymp. Nach deiner Definition also keine Götzen.
Paulus schreibt nun aber in seinen Briefen von Götzen/Götzenbildern. Entweder müssen die Bibelübersetzer einen anderen Begriff finden oder aber der begriff Götze fasst weiter.

Du wirst weder in Spanien, noch in Italien von einem
Prozessionsteilnehmer auf die Frage „ist Maria für dich eine
Göttin?“ etwas anderes als ein mildes Lächeln ob deiner
Ignoranz als Antwort ernten.

Das wäre wirklich eine dumme Frage. Aber sicherlich würde ich eine Antwort erhalten; „Sie ist Gottesmutter“ (madre de dios).

Hier geht es um das Verbot der Teilnahme an
idolatrischen Kulten anderer
Götter. Da Maria im Kath.
keine Göttin ist, können die kultischen
Praktiken auch nicht als Widerspruch dazu aufgefaßt werden.

Ich überspitze es mal zynisch. Gemäß (ihrer) Definition hat die US-Armee in Guantanamo nicht gefoltert.

Gemäß katholischer Definition gibt es nur einen Gott, den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist. Dementsprechend können Maria und die Heiligen auch keine Götter sein. Lässt man aber den Vorsatz weg monotheistisch zu sein, hat man eine Pantheon mit einem Haufen niederer Götter.

Gruß
Carlos

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Katholischer Fetischismus
Hallo Torsten,

Aber trotzdem werden sie auf die eine oder andere Weise
wissen, was sie da tun. Einen Kult ohne die Menschen die ihn
durchführen gibt es eben nicht.

Ich denke nicht, dass fetischistisch veranlagte Leute sich ihrer Perversion notwendigerweise auch bewusst sind. Dass es sich aber bei dem, was z.B. in der Kathedrale von Zaragoza getrieben wird, tatsächlich um Fetischismus handelt, steht für mich außer Frage. Da muss ich niemanden fragen; das ist evident.

http://catavital.blogspot.com/2007/02/zaragoza-monum…

Gruß Gernot

Hallo nochmal,

http://catavital.blogspot.com/2007/02/zaragoza-monum…

Für alle die, die des Spanischen nicht mächtig sind:

Aquí se venera y se besa el pilar puesto por la Virgen

… heißt auf gut Deutsch:

Hier verehrt und küsst man den von der Jungfrau errichteten Pfeiler

Schon eine geile Sache : wenn es so eine Latte auch von einem jungen Kerl gäbe, könnte ich mich vielleicht auch noch damit anfreunden.
:wink:

Gruß Gernot

Hi,

Schon eine geile Sache : wenn es so eine
Latte auch von einem jungen Kerl gäbe,
könnte ich mich vielleicht auch noch damit anfreunden.
:wink:

vielleicht gibts ja irgendwo eine entprechende Reliquie (nicht Fetisch). Wirst du dann katholisch?

Gruß
Torsten

Hallo Torsten,

Schon eine geile Sache : wenn es so eine
Latte auch von einem jungen Kerl gäbe,
könnte ich mich vielleicht auch noch damit anfreunden.
:wink:

vielleicht gibts ja irgendwo eine entprechende Reliquie (nicht
Fetisch). Wirst du dann katholisch?

Allerdings können auch menschliche Körperteile, deren Verstümmelung oder das, was bei solchen Verstümmelungen von diesen Körperteilen übrig bleibt, Fetischcharakter haben.

Mein Ding ist das zwar nicht und deshalb werde ich auch bestimmt nicht katholisch, aber manch ein anderer ekelt sich ja vor gar nichts:

http://de.wikipedia.org/wiki/Heilige_Vorhaut

Gruß Gernot