Moderne Projektionen auf den Bibelgott
Die Aussage, eine Annäherung sei möglich, setzt doch zwingend voraus, dass man einen Vergleichswert hat - also die Kenntnis vom Wesen „Gottes“. Hast du diese Kenntnis nicht, dann kannst du auch nicht behaupten, dass der Mensch die Anlage hat, sich diesem Wesen anzunähern.
Sorry, ich kann dir deine Fragen nicht beantworten. Ich hab keine genaueren „Kenntnisse“ über das Wesen Gottes.
Ok.
Wie auch. Vielleicht kennst du Aussagen wie „Gott ist der ganz Andere“ oder „Wenn du es verstehst, ist es nicht Gott“. Und es gibt nicht ganz umsonst ein Gebot, sich von Gott kein Bild zu machen.
Klar kenne ich das, dies sind aber moderne theologische Thesen, die sich von den Aussagen der Quellen weit entfernen. Der Gott im AT und NT wirkt ganz und gar nicht wie ein „ganz Anderer“, sondern weitgehend menschlich, also anthropomorph. Die moderne Theologie war aufgrund des argumentativen Ansturms seitens der Philosophie und der Naturwissenschaften gezwungen, die Grenzen ihrer Aussagen zurückzuverlagern. Da es fast unmöglich geworden war, ein logisch nachvollziehbares Bild von „Gott“ zu präsentieren, entschied man sich für die mystische Variante (Gott ist dem Verstand vollkommen unzugänglich). Man übernahm also Theoreme aus der Mystik, die in den Jahrhunderten der uneingeschränkten Macht des Klerus als gottlos und scheiterhaufenwürdig gegolten hätten.
(Was m. E. nicht heißt, dass man sich überhaupt keins machen darf - das geht überhaupt nicht - sondern nur, dass man sein Bild, das man unweigerlich hat, nicht zum „wahren Gott“ hochstilisieren darf.)
Eine zwiespältige Lage, um die ich die Gläubigen nicht beneide. Es geht mir aber nicht um ein äußerliches Bild (was Thema des alttestamentlichen Bilderverbots war), sondern um eine wie auch immer geartete Vorstellung vom „Wesen Gottes“. Die Theologie macht sehr wohl Aussagen über dieses Wesen:
Dazu gehören:
Allmacht
Liebe
Ewigkeit
Allwissenheit
Weisheit
Gerechtigkeit
Kurz und gut: Die Theologie macht sich auch heute noch jede Menge „Bilder“ von „Gott“. Denn einige dieser Eigenschaften sind der empirischen menschlichen Sphäre entnommen und jenem Wesen angehängt, das angeblich „das ganz Andere“ ist.
Ich bin außerdem der festen Überzeugung, dass sämtliche religiösen Texte (Bibel, Dogmen, aber auch Texte aus anderen Religionen) eigentlich nie als klare, eindeutige Aussage angesehen werden dürften.
Das wage ich mit Blick auf einige Texte aus dem philosophischen Hinduismus und Buddhismus zu bezweifeln. Da versucht man durchaus, Klartext zu sprechen, ohne metaphorische Verbrämungen. Auch die theologischen Texte des christlichen Mittelalters und der Moderne unterscheiden bewusst zwischen verstandeskompatibler Aussage und Allegorie bzw. Metapher. Mit deinem Rundumschlag machst du es dir zu einfach.
Der Sinn solcher Texte erschließt sich immer nur im eigenen Leben und es ist gefährlich, daraus allgemeingültige Wahrheiten machen zu wollen. Du hast natürlich Recht, wenn du jetzt sagst, dass das doch ständig (vor allem von den Kirchen) gemacht wird. Das ist leider so, und ich denke, das liegt an einem Bedürfnis der Menschen nach solchen „Wahrheiten“.
Die jüdischen und christlichen „Wahrheiten“ entstanden in einer Epoche der fast uneingeschränkten politischen Macht dünner Oberschichten über das Volk. Individualismus und das Bedürfnis nach geistiger Autonomie, heutzutage Grundrechte, waren damals auf wenige Ausnahmemenschen beschränkt. Außerdem wurden die Menschen jener Zeit von klein an zum mythischen Denken erzogen. Selbst die knallhärtesten Feldherrn des römischen Imperiums opferten den Göttern und befragten die Vogelschauer, ehe sie militärische Entscheidungen trafen. Was kann man also von den kleinen Leuten anderes erwarten?
Last not least ist die Entwicklung der israelitischen Gottesdenkens hin zum strikten Monotheismus auch – und vielleicht sogar hauptsächlich – politisch motiviert. Das hängt mit der Situation der Israeliten in den Jahrhunderten der Fremdherrschaft zusammen.
Egal, ob man wie du hier nach solchen Wahrheiten fragt, oder ob man, wie so mancher kirchliche Vertreter, solche verkündet. Beides entspringt wohl einem Wunsch nach Sicherheit oder sowas. Ich denke, die gibt es nicht.
Das klingt, sorry, nach einem Rückzugsgefecht mit Argumenten, die ich dir nicht abnehme. Immerhin „glaubst“ du ja auf eine Weise, die man mit „Sicherheit“ leicht verwechseln könnte, an die „Wahrheit“ von „Christus“, den du in deinem ersten Beitrag als „Sohn Gottes“ bezeichnest.
Also: Entweder – oder. Entweder du gibst zu, dass du an einen Set von Wahrheiten glaubst, oder du glaubst (religiös) an gar nichts. Dazwischen gibt’s nichts.
Für mich passen Vergleiche wie Gott ist die Liebe, Gott ist das Gute, Gott ist ein Gott des Lebens, ein Gott des Heils, ein Gott der Fülle etc. sehr gut. (Das sind nun auch alles sehr schwammige Begriffe ohne eindeutige Definition. Das macht aber m. E. nichts.
Leider doch
Der eigentliche Sinn von Religionen ist aber m. M. n. das genaue Gegenteil: Vereinigung, Verbindung, Integration.) Somit wird die Gottesebenbildlichkeit größer, durch mehr Liebe und mehr Gutes, durch alles, was dem Heil, dem Leben, der Fülle dient.
Ok, ok. Nur wird aus all dem überhaupt nicht klar, wie das mit den Quellentexten zusammengeht. Weder sind diese Qualitäten im AT auszumachen, wo klar zwischen dem „Volk Gottes“ und den Ungläubigen getrennt wird und letztere oft genug zur Zielscheibe aggressiver Handlungen werden, noch sind sie im NT auszumachen, wo – siehe mein Pauluszitat in meiner ersten Antwort – die Ungläubigen ebenfalls gleich neben dem Ungeziefer rangieren. Ist „dein“ Gott auch nur ansatzweise mit dem Gott der Bibel identisch?
Chan