falsche Propheten
Hallo,
http://www.gmx.net/themen/finanzen/geld/387zzp6-d-ma…
es ist schon erschreckend, welche Szenarien im Moment von „Experten“, Medien und Politikern verbreitet werden. Heute morgen wurden in der ARD zwei Szenarien für 2021 skizziert:
Szenario 1: Europa ist zusammengerückt, es gibt einen EU-Finanzminister, während die Nationalstaaten in der Hinsicht entmachtet sind.
Szenario 2 (gezeigt in schwarz-weiß): Deutschland hat die D-Mark zurück, die Wirtschaft liegt am Boden und es gibt eine hohe Arbeitslosigkeit.
So eine plumpe Meinungsmache treibt mir die Zornesröte ins Gesicht.
Wie Edith schon schrieb, verbilligt eine starke Währung die Importe von Rohstoffen. Da Deutschland ein rohstoffarmes Land ist, hat das durchaus seine Vorteile.
Seinerzeit postulierte man den baldigen Untergang der deutschen Wirtschaft als der US-Dollar bei 1,35 D-Mark stand. Heute steht der Euro umgerechnet in D-Mark bei 1,40 - also nur knapp über dem damaligen „dramatischen“ Tiefststand. Und wie geht es dem Export? Die Importe steigen stärker als die Exporte, die sich nachwievor aber auf Rekordniveau befinden. Unterdurchschnittlich entwickelten sich im letzten Jahr vor allem die Exporte in die Euro-Zone - Währungseffekte können da wohl kaum eine Rolle gespielt haben.
Der im Vergleich zum Dollar starke Euro hat also offensichtlich keinen großen Einfluß gehabt; die Exporte stiegen im Juni um rd. 17% gegenüber dem Vorjahreszeitraum.
Natürlich gibt es bei einer starken Währung negative Effekte, aber man darf auch nicht übersehen, welche Folge die weitere Übernahmen fremder Schulden für Deutschland hätte.
Da wären zunächst die steigenden Zinssätze, die Deutschland zahlen müßte. Pro Prozentpunkt sind das etwa 1 Mrd. Euro pro Jahr jährliche Steigerung pro Jahr (also im zweiten Jahr 2 Mrd. usw.). Ist dann irgendwann auf die gesamten Schulden der öffentlichen Haushalte ein Prozentpunkt mehr zu zahlen, wären das nach heutigem Schuldenstand rd. 10 Mrd. Euro mehr Zinsen pro Jahr. Bis dahin werden die Schulden natürlich weiter kräftig gestiegen sein (was ja Grund für die höheren Zinsen ist), was noch höhere Zinsen zur Folge haben wird.
Das ganze wird den Euro natürlich nicht gerade beflügeln, was teurere Importe zur Folge haben wird. Auch das kostet.
Außerdem wird ein schwacher Euro negative Wirkung auf die Kapitalimporte und Investitionen haben. In Mai und Juni wurden aus den USA rd. 80 Mrd. Dollar abgezogen und die langfristigen Investitionen brachen von 24,2 Mrd. Dollar im Mai auf knapp 4 Mrd. im Juni ein.
Das Thema ist also hochkomplex und keineswegs monokausal wie uns die Experten, Medien und Politiker glauben machen wollen.
Die Kernfrage ist: soll sich Deutschland mit seiner noch guten Bonität und schon mehr als ausreichend hohen Schulden (nebst Zinslast von rd. 40 Mrd. Euro/Jahr) für die Probleme anderer Länder in die Pflicht nehmen lassen.
Wohlgemerkt: weder Rettungsschirm noch Eurozonen-Bonds werden die Verschuldung der Staaten reduzieren.
Das Gegenteil ist der Fall: die Schulden steigen immer weiter, nur zahlen wir dann zukünftig nicht nur für unsere eigenen, sondern für die anderer Staaten, auf die wir keinen nennenswerten Einfluß haben. Nicht zu vergessen: die Kreditaufnahme für Griechenland und Konsorten wird durch die Eurozonen-Bonds wieder gaaaanz einfach. Daß das zu Haushaltsdisziplin führt, wage ich zu bezweifeln.
Auch das Superdupersparprogramm Italiens führt nicht dazu, daß die Verschuldung sinkt. Tatsächlich wächst die Verschuldung immer noch schneller als das Inlandsprodukt. Die Verschuldung Italiens wird also weiter steigen - auch im Verhältnis zum BIP.
Die Wirtschaft Griechenlands schrumpft mit derzeit rd. 7% auf das Jahr hochgerechnet, die Arbeitslosenquote steigt (derzeit rd. 16,5%). Wer glaubt denn ernsthaft, daß Griechenland in der Lage ist, seine Schulden vereinbarungsgemäß zurückzuführen? Tatsächlich steigen die Schulden immer weiter - nur inzwischen zu Lasten der Geberländer.
Warum soll man es Griechenland und anderen Kandidaten in Zukunft wieder leichter machen, sich neu zu verschulden? Zu unseren Lasten, wohlgemerkt. Italien (als bsiher drittgrößte Zahlernation) hat schon signalisiert, sich an neuen Rettungspaketen nicht beteiligen zu können. Auch diesen Teil werden Frankreich und Deutschland teilweise übernehmen müssen.
Diese Schuldenumverteilung wird zwangsläufig Konsequenzen haben und diese Konsequenzen sind schon auf mittlere Sicht gewaltig im Vergleich zu dem, was uns erwartet, wenn wir uns - auf welche Weise auch immer - diesem Teufelskreis entziehen.
Die absehbaren Entwicklungen sind so offensichtlich, daß ich mich ernsthaft frage, auf welcher Basis Leute wie Bofinger (anhand u.a. dessen Schriften ich vor rd. 15 Jahren für VWL-Klausuren lernte) auf den Gedanken kommen können, daß sich das System mit Eurozonen-Bonds stabilisieren können.
Das einzige, was man gewinnt, ist Zeit. Die Zeit, die die Eurozone braucht, um so viele Schulden aufzubauen, um als ganzes den Zugang zum Kapitalmarkt zu verlieren.
Zeit gewinnen ist nicht schlecht, aber man muß diese Zeit nutzen. Im konkreten Fall müsste die Zeit dafür genutzt werden, die Haushalte auszugleichen. Dafür sind keine Anzeichen erkennbar. Das Gegenteil ist der Fall: auch nach den großartigen Sparplänen wachsen die Schulden schneller als die dahinterstehende Wirtschaft. Das! kann! nicht! funktionieren!
Wer glaubt denn übrigens, daß der Bund seine Kreditaufnahme ab 2016 tatsächlich auf 0,35% des BIP reduzieren wird? Im Moment wird mit 2,4% des BIP geplant. Das sind rd. 50 Mrd. Euro. Es kann doch niemand ernsthaft glauben, daß es dem Bund gelingen wird, seine Neu(!)verschuldung bis 2016 im Schnitt um 10 Mrd. zu reduzieren. In den 25 Jahren, in denen uns nun ein Finanzminister nach dem anderen verspricht, er werden den Haushalt ausgleichen, hat das noch kein einziger hinbekommen (wenn man von dem Jahr der UMTS-Linzenauktion absieht, in dem dem Bund 50 Mrd. Euro auf einen Schlag zuflossen).
Praktischerweise hat man auch gleich das ein oder andere Schlupfloch in die Schuldenbremse eingebaut. U.a. Absatz 3 des Artikels 109 GG (Hervorhebungen von mir):
(…)Bund und Länder können Regelungen zur im Auf- und Abschwung symmetrischen Berücksichtigung der Auswirkungen einer von der Normallage abweichenden konjunkturellen Entwicklung sowie eine Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen oder außergewöhnliche Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen , vorsehen
In der Vergangenheit war es gelegentlich mal die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts, die man postulierte, um eigentlich verfassungswidrige Haushalte zu begründen. In Zukunft wird es halt die Notsituation sein - und was, wenn nicht eine Notsituation, ist die Schuldenkrise?
Durch eine permanente Ausweitung der Verschuldung, die man braucht, um anderen zu helfen, die ihren Karren allein in den Dreck gefahren haben, verhindert man den Fall nicht. Nur die Fallhöhe wird größer.
Insofern ist die finanzielle Abkopplung von den Haushaltsmarodeuren die einzige Möglichkeit um zu verhindern, daß Deutschland und Frankreich in drei oder fünf Jahren da stehen, wo heute Griechenland steht. Wenn der Preis dafür eine eigene Währung ist, wäre ich bereit, diesen zu bezahlen.
Ebenso müsste doch die Schlussfolgerung sein, dass
Griechenland mit der Drachme im Moment besser bedient wäre,
weil sie eben schwächer wäre und im Umkehrschluss z.B. den
Tourismus ankurbeln würde? Oder engeht mir auch hier etwas?
Ja, die Schulden Griechenlands bestünden weiterhin in Euro. Bei einer schwächelnden Währung wären die Aussichten, diese bedienen oder gar zurückzahlen zu können, nahe dem absoluten Nullpunkt.
Gruß
Christian