Hallo Michael,
mir in Sachen Zufall Religion zu unterstellen, läßt mich
leicht schmunzeln …
wieso unterstellen? Dann nenne es nicht Religion, das ist doch nicht wichtig. Vorhersehung bedingt doch, daß Jemand oder Etwas einen Plan festlegt. Dazu gehört ein Motiv und folglich eine nicht menschliche Intelligenz. Ich habe die Erfahrung gemacht, die eine solche Vorhersehung oft als Ausrede gebraucht wird und die eigene Verantwortung in den Hintergrund gedrägt wird, bis hin zur völligen Ablehnung von Verantwortung für die eigenen Taten.
Dazu erzähle ich kurz eine kleine Geschichte:
Vor Jahren war ich für einen Kundenbesuch in Traben-Trarbach
a.d. Mosel und es wurde sehr spät. Auf dem Nachhauseweg - in
diesem gott-verlassenen Kaff - fuhr ein Auto aus der Parklücke
und zwang meine Kollegin zum Abbremsen. Dann zockelte er vor
uns her, so daß sich die Fahrerin derart aufregte, daß sie
falsch abbog. Folglich noch mehr erregte, weil sie wegen dem
Dödel nun auch noch einen Umweg fahren muß. Damals sagte ich
ihr: „Laß’ es gut sein, wer weiß, wofür es gut ist. Vielleicht
sollen wir nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem
bestimmten Ort sein!“ Sielachte mich aus und meinte, es wäre
der dümmste Spruch, den sie je gehört hätte - weil damit alles
erklärt werden könne.
Als wir dann wieder auf der richtigen Straße waren und den Ort
verlassen hatten, sahen wir direkt vor uns in ca. 1 km
Entfernung, wie zwei Autos zusammenknallten. Es gab einen
Toten und einen Schwerverletzten. Der Tote war in dem Auto,
das uns die Vorfahrt genommen hatte …
Solche Geschichten kenne ich zur Genüge. Am Ende erzähle ich mal ein paar davon.
Wärt Ihre weiter hinter dem Auto her gefahren, hätte sich der Fahrer eventuell bedrängt gefühlt und wäre einen tick schneller gefahren, oder er hätte öfter in den Spiegel gesehen und wäre deshalb einen tick schneller gefahren oder er wäre wegen dem Auto im Rückspiegel aufmerksamer gewesen und hätte den Unfall so vermeiden können … das Abbiegen hat so oder so den Unfall mit verursacht. Dafür bist Du zwar nicht verantwortlich, ein unabwendbares Schicksal aber auch nicht.
Da man an seinem 8. Haus (astrologisch) seine Todesart
erkennen kann und im 12. Haus, wie man sterben wird, kann mir
in einem Auto einfach nichts passieren - deshalb hatte die
Vorsehung eingegriffen.
Die Vorsehung hat also nichts mit unserem Wollen oder Denken
zu tun, sie sorgt dafür, daß jedes Ding seine Zeit und seinen
Platz hat.
Die Vorsehung ist ein Glaube. Ich will Dir den Glauben nicht nehmen, das geht auch nicht, aber es ist ein Glaube, mehr nicht, denn mehr Belege als Deinen Glauben gibt es dafür nicht.
Ich hoffe, ich konnte Euch mit dieser kleinen Geschichte
erklärt zu haben, was ich meine. Es gibt so viele Ereignisse
dieser oder ähnlicher Art, daß Zufälle auszuschließen sind.
Nein, das schließt Zufälle nicht aus, das beschreibt sie nur. Warum meinst Du, daß es eine Vorsehung geben muss? Bist Du ganz sicher, daß Du Dich nicht einfach nur zu wichtig nimmst? Für das, was Dir passiert ist keine Vorsehung nötig, das kann auch so passieren, ganz ohne, daß es mit Dir persönlich zu tun hat.
Mit der Geburt an einem bestimmten Ort ist auch die Dauer und
das Ende des Lebens an einem anderen Ort (mit wenigen
Ausnahmen) vorbestimmt.
Woher nimmst Du diese Erkenntnis? Doch nur aus Deinem Glauben. Das nenne ich ‚Religion‘.
Nun noch die versprochene Geschichte. Ich behaupte nicht, daß eine Ähnlichkeit zu Deiner Geschichte besteht, aber eventuell verdeutlicht das mein Verhältnis zu solchen Geschichten.
Vor etwas mehr als 30 Jahren habe ich mit einer Pfarrerstochter zusammengelebt. Der Vater lebte in Düsseldorf und schrieb wöchentlich Briefe, erzählte vom Leben in der dortigen Baptisten Gemeinde.
Er war ganz angetan von einem Gemeindemitglied, das wöchentlich seine Erlebnisse schilderte. Der erzählte der Femende, er könne mit Jesus kommunizieren, würde öfter direkte Anweisungen für sein Handeln bekommen. So stand er auf dem Bahnhof und Jesus sagte ihm, er solle den Zug fahren lassen und den nächsten nehmen. Natürlich gehorchte er und fand im nächsten Zug einen Junkie, der ganz begierig seinen Worten lauschte und von Jesus angetan den Drogen abschwor. Natürlich hat er den geläuterten Sünder mit in die Gemeinde gebracht. Im laufe der Zeit hat er dann noch weitere solche Geschichten erzählt, das vertrauen des Pfarrers gewonnen und Zugang zum Safe bekommen.
Im nächsten Brief des Pfarrers stand dann, daß er die ganze Zeit betrogen wurde, der Mensch, der angeblich mit Jesus geredet hat war weg und rund DM 500.000,- mit ihm. Der geläuterte Sünder überraschender Weise auch.
Eine andere Geschichte … die ganze Familie war sehr religiös, was ich nicht verwunderlich finde. Das Leben kreiste weitgehend um die Baptisten Gemeinde. In einem Gespräch hat die Frau übrigens sogar mal zugegeben, daß sie für eigene Verfehlungen Jesus verantwortlich gemacht hat, er hätte nicht gut genug auf sie aufgepasst. Du weißt jetzt woher meine Ablehnung von Vorbestimmung als Ausrede kommt?
Eine andere Geschichte will ich auch gleich noch erzählen, weil sie zwar nicht zum Thema, aber sehr gut zu meinem Bild von Dir passt. Eventuell erkennst Du Dich wieder.
In einem Päckchen zur selben Zeit lag ein Paperback Büchlein, in dem für einen bestimmten, nahen Zeitpunkt das Ende der Welt vorhergesagt wurde, mit wissenschaftlichen Fakten belegt. In dem Buch stand, daß alle Planeten zu dem Zeitpunkt (Datum und Uhrzeit habe ich mir nicht gemerkt, das war etwa 1975) exakt in einer Reihe mit Sonne und Erde stehen werden, was Flutwellen und Erdbeben auslösen wird.
Als Ergebnis brach Panik aus, die Kinder waren nur noch mit Gewalt in die Schule zu bekommen, lernen war nicht mehr drin, wozu auch, wenn die Welt ja doch in ein paar Tagen untergeht?
Ich war der Meinung, daß man etwas dagegen tun muss und habe einen Brief mit der Bitte um Hilfe an Paul Ahnert, DDR-Chefastronom, Leiter der Sternwarte Jena, geschrieben. Nach etwa drei Wochen habe ich von Herrn Ahnert einen 20 Seiten langen, handgeschriebenen Brief von Herrn Ahnert bekommen, in dem er vorrechnete, daß erstens zum angegebenen Zeitpunkt lediglich zwei Planeten mit der Erde und der sonne in einer Linie stehen werden (inzwischen ja standen) und zweitens die Auswirkungen so gering sein werden, daß sie kaum messbar sind, sehr weit von einer Katastrophe entfernt.
Dieser Beweis, daß die pseudowissenschaftliche Vorhersage völliger Blödsinn ist, wurde dann mit der Bemerkung abgetan: ‚Na und? Gott kann alles!‘ Du kannst nicht nachfühlen, wie ich mich geärgert habe, dafür die Zeit von Herrn Ahnert verschwendet zu haben.
Warum ich das erzähle? Das fällt mir jedes mal ein, wenn Du wissenschaftliche Argumente verwendest, ohne eine Ahnung zu haben, wovon Du redest. Ein Gegenbeweis ist vergebliche Mühe.
Rede einfach von dem was Du verstehst und akzeptiere endlich, daß sich Dein Glaube nicht von jeder anderen Religion unterscheidet. Ob Du es Vorsehung oder Gott nennst ist nicht entscheidend, es gibt beides nicht. Das ist nur der Wunsch, wichtiger zu sein, als ein Baum oder gar ein Stein. Es ist aber nicht so.
Gruß, Rainer