Hi,
Goosi Dezember 2010:
„Eines sollte dem Lehrer aber klar sein: auch wenn es kein
Regelwerk
gibt, daß ihm das Verschließen verbietet, bewegt er sich in
einer
Grauzone. Sollte wegen des Abschließens ein Schüler zu schaden
kommen,
ist er sowohl zivil- als auch strafrechtlich angreifbar.“
Wie kann denn bitte jemand zivil- und strafrechtlich
angreifbar sein
wenn er gar nichts strafbewertes gemacht hat? Bis jetzt dachte
ich
immer man müßte gegen geltendes Recht verstoßen wenn man
strafrechtlich belangt wird.
Du wirst das jetzt sicher aufklären.
dein Problem ist, Du siehst viele Dinge offensichtlich viel zu formalistisch.
Ein Lehrer schließt die Klassenzimmertür ab obwohl sich Schüler im Raum befinden, also hat er die Schüler freiheitsberaubend eingeschlossen.
Der Akt des Abschließens ist entweder verboten oder erlaubt - eine Einzelfallbetrachtung läßt Du nicht zu.
So funktioniert das Ganze aber nicht. Wenn ein bestimmtes Verhalten beurteilt wird, wird das immer im Kontext der Situation getan. Kein Gericht bewertet lediglich einen Sachverhalt und blendet das Umfeld aus.
Im Dezember 2010 habe ich auf die allgemein gestellte Frage geantwortet, ob das Abschließen der Klassenraumtür aus brandschutztechnischer Sicht (Flucht- und Rettungswege) ein Problem darstellt. Damals habe ich ausgeführt, daß mir keine Regelung bekannt ist, die dies dem Lehrer ausdrücklich verbietet.
Der von Dir zitierte Satz ist eigentlich lediglich eine banale Feststellung: wenn wegen des Verhaltens ein Mensch zu Schaden kommt, macht er sich rechtlich angreifbar. „Angreifbar“ bedeutet aber nicht „er wird verurteilt werden“.
Das ist natürlich auch heute noch richtig.
In den letzten Tagen ging es um eine konkrete Situation und ob hier amtlicherseits nicht eigentlich eingeschritten werden müßte (denn das wäre die unausweichliche Folge, wäre die Behauptung richtig, das Abschließen der Tür ist explizit untersagt).
Und hier komme ich zu dem Ergebnis, nein, aus brandschutztechnischer Sicht ist ein Einschreiten nicht geboten.
Aber eines gebe ich an dieser Stelle auch zu:
Ein solches Urteil ist, weil eben ausdrückliche Regeln fehlen, ein gutes Stück weit subjektiv. Man muß eine Gefährdungsbeurteilung treffen und das Ergebnis mit einem (nicht näher definierten) „allgemein akzeptierten“ Risiko vergleichen. Erst wenn hier ein deutliches Ungleichgewicht herrscht, muß ich als zuständiger Brandschützer einschreiten.
Der subjektive Anteil der Beurteilung ist aber naturgemäß einem Wandel unterlegen. Man lernt ständig dazu, es werden neue Erfahrungen gesammelt und neue Forschungsergebnisse veröffentlicht. Und dann kann es durchaus sein, daß ich in einem Jahr die gleiche Frage völlig anders beantworten würde. Ich habe in der Vergangenheit immer wieder mal Entscheidungen getroffen, die ich heute so nicht mehr treffen würde.
Aber ich befürchte, es fällt Dir auch weiterhin schwer zu akzeptieren, daß die Welt nicht eindimensional ist und daß es neben schwarz und weiß sehr viele Grautöne gibt.
Gruß Stefan