Angulimala
Moin,
da du so sehr auf diesem Text insistierst, hier ein paar klärende Worte. Die Geschichte, auf die sich Govinda bezieht, ist vermutlich die gut bekannte Geschichte um Angulimala. Hier für alle in einer Übersetzung zum Nachlesen:
http://www.palikanon.com/majjhima/m086n.htm
„Daß aber … die äußere Einwirkung, das scheinbar äußerliche
Geschehen, nicht des inneren, schicksalhaften Zusammenhangs
entbehrt, geht aus der Geschichte des Angulimala klar hervor:
Der vom Buddha bekehrte Räuber, welcher infolge der ihm
plötzlich aufgehenden Erkenntnis zum Heiligen wird, wird eines
Tages beim Almosengang von der Menge erkannt und mißhandelt,
so daß er blutüberströmt zum Buddha kommt. Der Erhabene weist
ihn darauf hin, daß es die Folgen seiner eigenen Taten seien,
die er erleide und ermutigt ihn, sie ruhig zu erdulden, um von
den letzten karmischen Bindungen frei zu werden.“
Vielleicht ist die Überlieferung verzerrt, vielleicht hatte
Buddha sich bewußt einer mystifizierenden Erklärung bedient -
aber wie hier das Triviale zum Transzendenten verklärt wird,
ist kein Highlight buddhistischer Weltinterpretation.
Weder wird hier irgendwas verzerrt, noch irgendwas Triviales zum Transzendenten verklärt. Um das zu verstehen, muss mal allerdings den Begriff „Karma“ verstanden haben, und was z.B. „karmische Bindungen“ sind, und wie man sich davon befreien kann, wenn man „erduldet“.
Fakt ist: Durch Rauben und Morden hat Angulimala unheilsame Handlungen mit karmischer Wirkung begangen. Wie karmische Wirkung war z.B. der Zorn (Hass, Abwehr) bei den Beraubten, was zu weiteren Handlungen mit karmischer Wirkung (den ehemaligen Räuber mit Steinen bewerfen) führte. Nun hätte aber auch jemand, er Angulimala ähnlich sieht, in das Dorf kommen könne, und wäre mit Steinen beworfen worden, oder die Beraubten hätten ihrerseits jemanden Beraubt, um sich mit dem Nötigsten wieder zu versorgen, oder,oder,oder. Man erkennt also leicht, dass die karmische Handlung von Angulimala (Raub) jede Menge weiterer unheilsamer Handlungen in Gang gesetzt haben kann, dir wir zum einen gar nicht kennen können (vielleicht hat ein Beraubter in der Wut und Verzweifelung über den Raub jemanden geschlagen, das wissen wir gar nicht), die zum anderen jede Menge anderer Lebenwesen als ausgerechnet Angulimala hätten betreffen könne, um dort dann ihrerseits wieder zu unheilsamen Handlungen zu führen (vielleicht hätte sich der zu Unrecht mit Steinen beworfene an den Dorfbewohnern gerächt etc.)
All das entzieht sich unserer Kenntnis. Dadurch, dass Angulimala hingegen selbst Opfer dieser Steinwürfe wurde, hatte er die einmalige Chance, eine dieser unheilsamen karmischen Ketten zu beenden, indem er eben duldet , also sich seinerseits zu keinerlei abwehrenden Reaktionen hinreißen lässt.
Das hat nicht das Geringste damit zutun, dass er nun das bekommen hätte, was er (z.B. nach vermutlich dem „Gerechtigkeitsempfinden“ vieler Leute) „verdient“ hat (wäre dies die Lehre der Geschichte gewesen, dann hätte man Angulimala in der Geschichte gleich von dem König fangen und bestrafen lassen können. Statt dessen geht er aber durch seine Abkehr von seinem Verbrechertum quasi „straffrei“ aus. Das sollte doch eigentlich ausreichend deutlich machen, dass Karma eben nicht im Sinne von einer „verdienten Strafe“ zu verstehen ist.
Statt dessen wird hervorgehoben, dass der richtige Umgang mit karmischen Vorgängen der ist, für sich selbst diese endlosen karmischen Verkettungen zu einem Ende zu bringen und keine neuen karmischen Impulse aus dem eigenen Erleben erwachsen zu lassen.
Zu diesem Thema aus Schlensog, Der Hinduismus, S. 404:
Das folgende Zitat ist eben nicht"zu diesem Thema", weil es, wie du selbst schon schreibst, bei dem Zitat um das Verständnis von Karma im Hinduismus geht. Ralf und andere haben dich mehrfach darauf aufmerksam gemacht, dass Verständnis von Karma im Hinduismus und Buddhismus völlig unterschiedlich sind. Somit taugt ein Kommentar zum Karmabegriff im Hinduismus in keinster Weise dafür, etwas über Karma im Buddhismus zu erleutern. Aus diesem Grund gehe ich auf dieses Zitat auch nicht weiter ein, unter anderem auch deshalb, weil ich vom Hinduismus keine Ahnung habe.
karma Deiner Auffassung nach sein soll - ich für meinen
Teil muss bekennen, nicht einmal so recht zu wissen, was Du
mit „rein psychologische Dynamik“ meinst.
Damit dürfte gemeint sein, dass Karma eine Dynamik ist, die sich in der Psyche oder dem Geist eines Menschen abspielt. In wiefern dein Erleben zu weiteren karmischen Handlungen führ, entscheidet sich in deinem Geist/deiner Psyche. Stell dir zwei Leute in einer Schlange vor. Der eine wartet geduldig ohne durch Anhaften oder Abwehr begründete Handlungen und Gedanken in der Schlange, bis er an der Reihe ist. Der andere wird immer ungeduldiger, rastet irgendwann aus und schlägt den vor ihm stehenden nieder. Beide erleben das gleiche, aber entscheidend für das jeweilige Resultat ist die „psychologische Dynamik“ die sich im letzteren Fall der weitern karmischen Verstrickung abspielt, im ersteren jedoch nicht.
Letzteres wohl kaum. Ich zitiere aus Stutley, Hinduismus, S.
33:
Und wieder Hinduismus und somit ein im Kontext von buddhistischem Denken völlig unbrauchbares Zitat.
Auch eine rein psychologische Sicht des Karmas kann solche
interpretativen Zaubertricks nicht ausschließen.
Natürlich nicht. Man kann ja auch nicht ausschließen, dass einer trotz mehrfacher Erklärungen, einen Schuh immer noch dafür benutzt, damit Suppe zu transportieren, obwohl wohlmeinende Leute sich dauerhaft bemühen, ihm den korrekten Gebrauch von einem Schuh zu erläutern (auf die er aber einfach nicht hören will).
Wie kann eine Karmalehre solch
fragwürdigen Interpretationen denn überhaupt zuverlässig
ausschließen?
Gar nicht. Genau so wenig, wie man zuverlässig ausschließen kann, dass Leute nicht doch Schuhe verwenden, um Suppe zu transportieren.
Und genau deswegen halte ich den Karmabegriff
für absolut renovierbedürtig. Am besten: das Wort abschaffen
(womit all die absurden Konnotationen wegfielen) und einen
neuen Begriff an den Start bringen.
Dieser Vorschlag ist nun wieder genau so abstrus wie ein möglicher Vorschlag, Schuhe abschaffen zu wollen, weil es Leute gibt, die Schuhe dazu verwenden, Suppe zu transportieren, obwohl das gar nicht funktioniert. Auch scheint mir das Konzept „Schuhe“ nicht als renovierungsbedürftig, nur weil sie sich nicht als Suppebehälter eignen.
Wenn ich aus Gier und Habsucht das karma des
Stehlens und Raubens auf mich nehme, so werde ich bei
entsprechenden Begleitbedingungen die karmische Frucht eines
Gefängnisaufenthaltes ernten.
Das ist eine soziale Kausalität. Es gibt Gesetze
(Legislative), richtende Instanzen (Jurikative) und Polizei
(Exekutive). Wer die Regeln verletzt, muß mit Sanktionen
rechnen. Was hat das mit Karma zu tun?
Du hast offenbar „Bei entsprechenden Begleitbedingungen“ übersehen. Nicht jeder Dieb wird gefasst oder eingesperrt. Die Geschichte mit Angulimala sollte gezeigt haben, dass genau diese Art von Kausalität eben nicht gemeint ist. Vielleicht solltest du Geschichten auch komplett lesen (und nicht nur als Zitat von igendwem irgendwo), wenn du darüber reden möchtest.
Auch hätten du und Pendragon sich kaum in die
Debatte eingeschaltet,
Nicht du hast diese Diskussion ausgelöst, sondern ein User namens „seelen-wanderung“. Du siehst, wir hätten schon mal ausnahmsweise auf dich verzichten könnten, wenn es nur darum gegangen wäre, den Begriff „Karma“ zu erläutern:smile:
wenn ich nicht mal wieder auffällig
geworden wäre. Ist also gutes Karma für mich gesät, n´est-ce
pas?
Das Gute an deiner „Auffälligkeit“ ist, dass es zumindest mir eine Gelegenheit gibt, meine eigenen psychischen karmischen Dynamiken zu beobachten und mich in Geduld, oder besser noch, Gleichmut zu üben. Vielen Dank dafür
Gruß
Marion