Hallo winkel,
ich war Schüler einer humanistischen Schule und kann mancmal
nicht anders, wenn über Mensch wie über Auto gesprochen wird.
Und diese Menschlichkeit ist doch eigentlich von Frau aufgrund
gentechnischer Vorteile gepachtet, deswegen umso
befremdlicher.
Mein Lateinlehrer war Anthroposoph, und brachte uns Mädchen die ersten Ideen zur Emanzipation der Frau bei (im Mädchengym).
Nach meinem Eindruck tust Du den Frauen, die sich für ein kinderloses Leben bewußt entscheiden, unrecht, wenn Du ihnen eine ausschließlich materialistische Denkweise unterstellst. Vorallem, weil Du mit Deiner Frau gerne Kinder bekommen hast, kann ich mir nicht vorstellen, dass Ihr zeitweise mit einer Ehe ohne Kinder geliebäugelt habt, und kannst nicht die Bohne nachvollziehen, warum eine Frau sich gegen eine Mutterschaft entscheiden könnte.
Ich könnte verstehen, wenn Du zugeben würdest, in dieser Hinsicht eine konservative Einstellung zu haben. Das ist dann Deine Angelegenheit. Aber so wertest Du eine Entscheidung ab, ohne wirklich eine Ahnung von gedanklichen Hintergründen zu haben.
Konkret: Ich schätze zum Beispiel Tessa und Stefanie als sehr intelligente Menschen (wohl gemerkt, nicht nur Frauen) ein, die in ihren Berufen sich in Gänze austoben können, und nicht nur das, sie finden auch die gebührende Anerkennung, und erleben eine Autonomie in ihrem Dasein, die mit einem Kind mit einem Schlag zunichte gemacht werden würde. Das schafft eine Zufriedenheit, bei der es eigentlich keinen Grund gibt, diesem Leben eine so entscheidene Wende zu geben, sprich Kinder zu bekommen. Was nützt es dem Kind, eine Mutter zu haben, die mit ihrem Leben unzufrieden ist?! Warum sollte eine Frau Mutter werden, wenn sie Zweifel hat, darin ein Lebensideal zu finden, die sich nach unserer Erfahrung (wir sind doch beide Eltern) auch noch bewahrheiten würde, weil man als Erwachsener wirklich viel Idealismus aufbringen muss, seine Kinder gerne groß zu ziehen.
Dieses „ihr Frauen müßtet euch eigentlich nach Kindern sehnen“ regt mich auf, weil es ein kompletter Schmarrn ist. Das reden einem nämlich alle möglichen Leute ein (die lieben Freundinnen mit ihrer Brut, die strickende Oma, die traditionsbewußte Mama mit ihren enkelreichen Freundinnen, Männer mit all ihrem Klischeedenken). In Wirklichkeit kenne ich nicht viele Frauen, die sich von Herzen ein Kind wünschten. Diese Frauen bekamen Kinder, damit der verwandtschaftliche Druck nachließ, weil sie beruflich unzufrieden waren, weil sie es von Daheim nicht anders kennen (mit 25 bekommt man gefälligst das erste Kind), oder sie bekamen einfach eins ohne es zu thematisieren.
Gott-sei-Dank sind die Zeiten vorbei, in der an Frauen diese Erwartung der Gebährbereitschaft gerichtet wird, weil sie die Wahl haben Kinder zu bekommen oder ihrem Beruf nach zu gehen oder eben beides haben können. Endlich haben sie die Wahlfreiheiten.
Auf der anderen Seite kann ich Deine Einstellung schon verstehen. Da stehen offensichtlich Wohlstand gegen materiellen Einschränkungen, die oft mit dem Großziehen der Nachkommen einhergehen. Aber das sind die Endeffekte. Aber bevor die Frauen die Entscheidung getroffen haben, haben sie mit Sicherheit einige Lebensideale in ihre Waagschalen geworfen. Lieber den bisherigen Weg, der sich so gut anläßt, weitergehen, oder das Risiko eingehen, und Mutter werden, mit allem Wohl und Wehe. Das sind höchstpersönliche Überlegungen, die niemanden etwas angehen.
Und mir geht es um noch etwas anderes, das Du bisher in meinem vorangegangenen Posting ignoriert hast.
Es ist mir bei der Restaurant-Geschichte um ein Beispiel von vielen gegangen. Ich erlebe oft genug, dass Familien nicht so gerne in der Nähe von Kinderlosen ertragen werden. Diese verständnislose Haltung der Eltern „klar, wer keine Kinder hat, ist eben Kinderfeindlich“ verhärtet die Fronten, und vereinfacht ein vielschichtiges Problem (verzogene Kinder gehorchen nicht, Restaurants sind nicht auf Kinder eingestellt…)
Außerdem:
Manche Eltern mit Kindern sollten aus den Kindern nicht mehr machen als sie sind. Denn genau diese Kinder werden vorgeführt, wie manche mit ihrer Karriere prahlen. Ausstaffiert mit allem was Papi finanzieren mag, personifizierter Materialismus, meilenweit vorbei an ein Kinderleben mit der Aussicht auf ein gesundes Erwachsenendasein. Das finde ich beinahe noch perverser. Wenn schon Kinder, dann (verzeih mir die Ausdrucksweise) in artgerechter menschwürdiger Haltung. Wer Kinder hat, garantiert unserer Gesellschaft noch lange nicht, dass eines Tages Normale auf uns alle losgelassen werden.
Mein Wunsch ist, dass unsere Gesellschaft sich wieder auf ein normales Kinderbild besinnt, weil es kleine Menschen sind, die irgendwann einmal groß werden, nicht mehr und nicht weniger. Wer warum Kinder bekommt oder nicht, ist eine ganz andere Angelegenheit, was aber meiner Ansicht nach nichts mit ihrer Umgangsweise mit Kindern zu tun hat. Und da müssen wir Erwachsenen uns zusammen tun, und uns nicht gegenseitig erniedrigen.
viele Grüße
Claudia