Nu mach mal halblang. Offensichtlich hast Du es bisher tapfer vermieden, in die von mir genannten Links auch nur hineinzuschauen, sonst würdest Du hier nicht olle Kamellen aufwärmen. Also noch einmal extra für Dich:
Sueto, erwähnte einen Vorfall während der Regierung des Klaudius (41-54 AD): „Weil die Juden in Rom fortwährend aufgrund eines Chrestus Aufruhr verursachten, hat er (Klaudius) sie aus der Stadt ausgewiesen“.
Also - der Mann heisst Gaius Suetonius Tranquillus, auf Deutsch idR Sueto n genannt. In seiner Vita Claudii 25,4 schreibt er (und mehr schreibt er zu unserem Thema hier nicht):
„Iudaeos impulsore Chresto assidue tumultuantes Roma expulit“ - auf Deutsch: Die Juden, die von Chrestos aufgehetzt / auf Antrieb von Chrestos wiederholt randalierten, vertrieb er [Claudius] aus Rom.
Diese Vertreibung wird in etwa auf das Jahr 50 u.Z. datiert; ein Parallelbeleg findet sich in Apg 18, 1-2 wo Paulus in Korinth das eben aufgrund dieses Befehls aus Rom ausgewiesene jüdische Ehepaar Aquila und Priscilla trifft. Der Rabbi Yeschu, genannt Christus, war zu diesem Zeitpunkt schon lange nicht mehr in der Lage, Juden aufzuhetzen, schon gar nicht in Rom. Das war ihm noch nicht einmal zu Lebzeiten gelungen.
Nehmen wir doch einfach mal ernst, was da steht. Da ist nämlich von einem ‚Chrestos‘ die Rede, nicht von einem ‚Christus‘. ‚Chrestos‘ (= ‚der Nützliche‘) war ein unter Sklaven und Freigelassenen durchaus üblicher Name, epigraphisch (also durch Inschriften) mehrfach belegt.
Also nochmals - was können wir aus dem Sätzchen bei Suetonius entnehmen? Dass um das Jahr 50 u.Z. in Rom eine jüdische Gruppe unter Führung eines Mannes namens Chrestos Unruhe stiftete und deswegen aus Rom ausgewiesen wurden. Punkt. Mehr ist da nicht. Alles andere ist unbelegbare Spekulation.
Und Tacitus schreibt; „Der Mann, von dem sich dieser Name herleitet, Christus, war unter der Herrschaft des Tiberius auf Veranlassung des Prokurators Pontius Pilatus hingerichtet worden.“
„Auctor nominis eius Christus Tiberio imperitante per procuratorem Pontium Pilatum supplicio adfectus erat“
Was sagt uns das? Dass Tacitus diese Information nur vom Hörensagen hatte, vermutlich aus Aussagen von Christen selbst. Recherchiert - etwa in Prozessakten - hat er diese Information mit Sicherheit nicht, sonst hätte er, Historiker und als hoher Beamter der römischen Provinzialverwaltung durchaus sachkundig, nicht den groben anachronistischen Schnitzer begangen, den Praefecten Pontius Pilatus fälschlich als Procurator zu bezeichnen. Ebenfalls zeigt uns das Zitat, dass diese ‚Hintergrundinformation‘ - von wem auch immer Tacitus sie hatte - frühestens aus der zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts stammen kann - erst seit dieser Zeit gab es nämlich in Palästina einen Procurator.
Tacitus hatte keinen Grund, die Information, dass sich die ‚Christianos‘ im Rom des Jahres 64 u.Z. auf einen als Verbrecher Hingerichteten als Gründer beriefen, zu bezweifeln und auf ihren Wahrheitsgehalt zu checken. Insbesondere dann nicht, wenn diese Information aus christlicher Quelle stammte - schließlich war sie für die Christen in römischen Augen alles andere als schmeichelhaft und passte zu Tacitus’ Einschätzung der christlichen Sekte als einer der „Scheußlichkeiten und Abscheulichkeiten“, mit denen Rom geschlagen war.
Was ist also dieser Quelle zu entnehmen? Dass es 64 u.Z. in Rom ‚christianos‘ gab, die der Brandstiftung beschuldigt wurden und sich auch sonst eines äußerst üblen Leumunds erfreuten. Dass sich diese Gruppe wiederum auf auf einen ‚Christus‘ als Gründer berief, der angeblich unter Pontius Pilatus hingerichtet wurde. Wobei aus dem Text Tacitus’ durchaus nicht eindeutig hervorgeht, dass dieser Gründungsmythos schon 64 in dieser Form existierte - Tacitus’ Quelle ist wahrscheinlich eher ein Zeitgenosse von ihm, mithin wäre diese Information über den Glauben dieser ‚Christianos‘ mit Vorsicht erst auf den Beginn des 2. Jahrhunderts (die Abfassungszeit der Annales) zu datieren, nicht schon auf 64.
Über den Flavius mag ich nicht noch einmal schreiben, an dem sog. ‚testimonium flavianum‘ ist derart dreist herumgefälscht worden (gerne beschönigend von Theologen als ‚Anwachsungen‘ bezeichnet), dass überhaupt nicht mehr feststellbar ist, was Flavius Josephus da selbst einmal geschrieben hat. Diese Quelle ist spätestens seit dem Ende des 3. Jahrhunderts gründlich verdorben und damit für die Frage der Historizität Jesu wertlos. Da als Fälscher eigentlich nur christliche Apologeten in Frage kommen, kann man sich aber durchaus vorstellen, was da in Antiquitates Judaicae XVIII 3,3 und XX, 9.1 über den Messiasprätendenten Yeschu einmal gestanden hat. Im günstigsten Fall nichts, was den Anspruch, er sei der Messias gewesen, stützt. Im weniger günstigen Fall gar nichts. Im ungünstigsten Fall (immer aus Sicht der Apologeten, versteht sich) etwas seinem Ruf Schädliches.
Um nun auch noch auf den von Dir genannten Talmud (das Ding schreibt sich nicht Talmu n d, btw. handelt es sich um den in Persien entstandenen Talmud Bavli, nicht den in Palästina entstandenen Talmud Jeruschalmi) einzugehen - vermutlich hast Du Sanhedrin 43a nie gelesen.
Also: Richtig ist, dass da von einem ‚Yeschu‘ berichtet wird, der am Vorabend des Pessach wegen Zauberei und Anstiftung zur Apostasie gehängt wurde. Richtig ist aber auch, dass da steht, dass der Hinrichtung zunächst eine vierzigtägige Frist voranging, in der ein Ausrufer öffentlich die Bevölkerung auffordete, ggf. entlastende Aussagen vorzubringen. Richtig ist auch, dass dort berichtet wird, dieser Yeschu habe fünf Schüler namens Matthai, Nakai, Nezer, Buni und Todah gehabt, die ebenfalls hingerichtet wurden. Auch wird dort berichtet, dieser Yeschu habe Beziehungen zur Regierung gehabt. Richtig ist vor allem, dass wir keinerlei Anhalt für eine Datierung dieses im Talmud berichteten Ereignisses haben.
Also - wenn der Zauberer Yeschu und der Messias Jesus tatsächlich dieselben Personen sein sollten, dann gibt es da aber eine Menge nicht wegzuerklärender Widersprüche. Was sagt uns das? Entweder sind dann die Passionsberichte der Evangelien als Quelle völlig unzuverlässig oder aber eben dieser Talmudbericht. Oder beide, diese Möglichkeit sollten wir auch nicht außer Acht lassen. Oder es handelt sich eben doch um einen völlig anderen Yeschu.
Abschließend auch für Dich den Hinweis - wenn man einen Hammer hat, dann schaut einem alles wie ein Nagel aus. Deswegen gibt’s in der Geschichtswissenschaft die Quellenkritik.
Freundliche Grüße,
Ralf