Hi,
Hallo - Entschuldigung, dass ich mich einmische… ich bin Lehrer (Experte?). Und etliche eurer Beiträge haben mich ganz schön getroffen. Manche waren weltfremd und naiv, andere sind Volltreffer… Ich habe alle in eine Datei kopiert und beantworte Teile davon:
a) Warum empfinden Lehrer ihre Arbeit als so hart? Wie wir weiter unten lesen können, haben sie ja eigentlich viel Freizeit und Urlaub.
Antwort: Ich kenne keinen Kollegen, der den Beruf als hart empfindet. Er ist aber auch kein Zuckerschlecken. Ich habe in den letzten beiden Jahre Buch geführt und komme auf einen Schnitt von 50 - 55 Stunden pro Woche. Wochenweise - gerade während der Ferien, weil da das Unterrichten nicht stört - waren es 10 h/Tag Vorbereitung. Aber ich beklage mich ja auch nicht.
b) In kaum einem anderen Beruf werden Menschen aus gesundheitlichen oder psychischen Gründen so vielzählig frühzeitig in den Ruhestand versetzt, weil sie einfach nicht mehr können. Was läuft da schief? Ich denke, es ist der ewige Kampf, der gegen den Schüler gekämpft wird. Und warum ist es Kampf? Weil die Lehrpläne und Unterrichtsmethoden so was von veraltet sind, dass Schüler in den meisten Dingen, die sie lernen sollen, gar keinen Sinn mehr sehen.
A: Kampf schon - aber der hat nix mit Lehrplänen zu tun! Es ist ganz einfach die Passivität der Schüler. Man bereitet vor, sammelt Beispiele, weist immer auf konkrete Anwendungen hin, sucht den aktuellen Bezug und dann sitzen die Kerle gelangweilt da, null Bock auf Mitarbeit und warten auf das Pausensignal. Wenn man einen Berg Steine von links nach rechts trägt, sieht man hinterher wenigstens den Erfolg. Beim Lehrer: Nix! Null! Bestenfalls Gemotze. DAS macht krank!
c) Zudem fällt es Lehrern schwer, die wirkliche eigene Meinung von Schülern gelten zu lassen.
A: ?? Kein Schüler sagt was, viele sind geistig abwesend und werden unwirsch, wenn sie etwas sagen sollen. Viele Schüler geben deutlich Signale, dass sie in Ruhe gelassen werden und trotzdem gute Noten haben wollen. Bei mir (Mathe+Physik) kommt dazu, dass es da wenig zu diskutieren gibt: entweder ist die Lösung richtig oder falsch. Kann man das per „eigene Meinung“ ändern? Das mag in „Dünnbrett-Bohrer-Fächern“ anders sein, wo es mehr um Glauben gilt.
d) So kämpfen sie ständig damit, die Schüler auch zu unterdrücken.
A: Pardon - so ein Schmarrn! Eines ist sicher: Junge Lehrer haben in ihrer Schulzeit auch schlechte Lehrer erlebt und wollen selbstverständlich alles besser machen. Sie werden dann aber leider schnell durch Bürokratie + Vorgesetzte + unverschämte Eltern ernüchtert und MÜSSEN sich Hornhaut und Abwehrmechanismen zulegen, um überleben zu können. Es gibt mit Sicherheit keinen einzigen Junglehrer, der sich vornimmt, „es“ den Kindern mal so richtig zu zeigen.
e) Wenn eine Antwort nicht in ihr Schema passt, ist sie eben falsch. Und wenn sie nicht im Lehrerhandbuch steht, dann oftmals auch.
A: Das gibt es, das ist eine echte Berufskrankheit: Die Schüler können fachlich wohl nie mithalten und kein Kollege wird etwas mitbekommen und korrigieren. Bei einigen bremst nichts den wachsenden Größenwahn und nach 20 Berufsjahren steht fest, dass man selbst der Größte und Beste ist. Daran ändert auch keine Fortbildung etwas. Sinnvoller wäre, wenn sich die Lehrer gegenseitig ihre Korrekturen vorlegen würden. Das ist aber untersagt! Ich muss mir als Fachbetreuer die Prüfungsarbeiten von Kollegen ansehen - das haut mich gelegentlich vom Hocker. Da sind wirklich manche (wenige) darunter, die in der Wirtschaft wegen ihres mangelhaften Fachwissens gefeuert würden. Im Schulbetrieb macht das aber nix. Davon darf ich nur dem Vorgesetzten erzählen. Der interessiert sich aber nicht dafür, weil er fachlich nichts davon versteht und sich keinen Ärger mit dem betreffenden Kollegen aufladen will. Dieses System ist immun gegen Änderungen.
f) Da werden Leute nach jahrelangem Pauken an der Uni plötzlich vor eine Schulklasse gestellt und merken dann, dass Lehrer sein auch eine soziale Komponente enthält. Ich kann mich an so manchen Refrendar erinnern, wo jeder sofort wusste: Das wird nichts. Das selbe gilt für einige meiner Lehrer: Wieso kam es dazu, dass diese Leute Lehrer sind?
A: Weil sie systembedingt gebraucht werden. Wenn man für je 30 Schüler einen Lehrer braucht, muss man mitunter nehmen, was kommt. Wenn die Schule einen neuen Leiter braucht und ein einziger bewirbt sich, darf der beliebig miserabel sein und sich alles erlauben - er wird gebraucht. Dieses System wird so bestehen bleiben - auch deshalb, weil Lehrer so ein miserables Image haben, dass sich kein vernünfiger Uni-absolvent darum reisst. Es gehört schon ein sehr dickes Fell dazu, 30 Lehrer-Berufsjahre lang das „wissende“ Lächeln zu ertragen: Ach ja, Lehrer. Auch so einer. Wäre ich bei meinem ersten Beruf (Elektronik-Ingenieur) geblieben, hätte man wahrscheinlich 30 Jahre lang mit Hochachtung erwähnt: Oh, Ingenieur bei Siemens!
g) Wenn es also wirklich so ist, dass fachliche Noten ausschlaggebend sind um Lehrer zu werden, dann erklärt dies viel.
Es ist tatsächlich seltsam: Das 1. Staatexamen ist zwar deutlich einfacher als die Diplomprüfung, aber nicht ganz ohne. Auf die soziale/praktische Komponente wird an der Uni nicht der geringste Wert gelegt. Und wenn einer nach 5 Jahren Studium und 2 Jahren Referendar merkt, dass ihm der Umgang mit Kindern nicht liegt, soll er alles hinwerfen? Was soll er denn machen?
h) Meiner Meinung ist es nicht schwer einzuschätzen, ob jemand mit Schülern klarkommt oder nicht
A: Wann soll ein Gym-Lehrer diesen Test machen? Vor dem Studium ohne Fachkenntnis? Den machen die (gleich alten) Schüler fertig. Der wird sicher kein Lehrer mehr werden wollen. Ausserdem: Nur 5 bis 10 Stunden unterrichten, weder Prüfungen noch disziplinarische Aufgaben (leider auch nötig!) durchführen müssen, also keinerlei Alltagsarbeit - das ergibt ein extreme schräges Bild von dem, was da kommen wird! Das soll Entscheidungsgrundlage sein?
j) Die Ausbildung am eigenen Ich, der Wille sich zu behaupten, Erfolge zu haben, muß erzwungen werden. Es gibt unterschiedliche Zwänge. Ein Zwang wäre zum Beispiel: wenn ich die Aufgabe nicht gut packe, sitze ich im Arbeitsamt.
A: Wie misst(!) man die Qualität eines Lehrers? Gute Noten = guter Lehrer? Ich kann die Noten beliebig „verbessern“, wenn ich sicher bin, diese Klasse im Folgejahr nicht nochmal zu bekommen. Mein Nachfolger wird um so „schlechter“ dastehen und verzweifeln. Wie will der nachweisen, dass ich Vorgänger schuld war? Das ist eine echte Todesspirale. Wenn ich aber damit rechnen muss, diese Schüler nochmal unterrichten zu müssen, werde ich mich bemühen, ein gewisses Mindestniveau nicht zu unterschreiten.
Oder ist der soziale Lehrer „gut“, der dreimal wöchentlich mit den Schülern am Lagerfeuer bruzelt und mit allen auf du ist? Fachwissen vermitteln? Wozu? Gemeinsam singen und Papierflieger bauen macht viel mehr Spass. Beliebtheit garantiert keine Ausbildungsqualität.
k) Wer sagt im Schuldienst: Mein lieber Pädagoge, trotz mehrfacher Tritte in den Allerwertesten machen sie keine Anstalten sich zu bemühen ihre Aufgaben in der entsprechenden Qualität zu erfüllen… Auf nimmer Wiedersehen?
A: Niemand, weil man pro 30 Kinder einen Lehrer BRAUCHT! In DL gibt es Lehrermangel, der sich sehr schnell verschärfen wird, wenn die ersten rausgeworfen werden. Welcher 19-jährige wird Lehrer werden wollen, wenn er weiss, dass er sieben Jahre später auf den Schleudersitz kommt? Der wird jeden anderen Beruf vorziehen, der ein wenig mehr Sicherheit verspricht. 99% aller Lehrer haben nun mal einen einzigen Arbeitgeber - den Staat. Da kann man nicht wechseln, da ist das Leben verpfuscht, wenn man entlassen wird. Dafür jahrelang studieren? Schön blöd!
m) Super Beitrag! Ich denke, da ist ganz viel der Nagel auf den Kopf getroffen. Ich denke, ein ganz großes Problem ist das Beamtentum. Ein Lehrer, einmal verbeamtet, kann sich gemütlich zurücklehnen und sagen, was soll ich mich anstrengen. Mir kann ja nichts mehr passieren. Jetzt sitze ich die Zeit ab bis zu meiner Pension und dann geht es mir gut. Das sollte mal einer in der freien Wirtschaft tun. Der wäre sofort draußen.
A: Tja, ich bin seit 27 Jahren Beamter - und habe während dieser Zeit einen einzigen (von etwa 400) gekannt, auf den die obige Vermutung zutraf. Alle anderen sind deutlich anders. Woher weisst du als Nicht-Lehrer, dass deine Verallgemeinerung zutrifft? Geraten oder bösartige Zweckbehauptung?
n) Also weg mit dem Beamtentum!!! Dann sollten Eltern, Schüler und Kollegen am Ende eines Schuljahres gemeinsam entscheiden, ob ein Lehrer an der Schule bleibt oder ob man sich jemand anderen holt. In den USA kriegt man häufig nur Jahresverträge. Warum nicht auch hier. Zumindest vielleicht die ersten 10 Jahre.
A: Die „englischen Fräulein“ (und andere) sind Privatschulen mit angestellten Lehrern - die könnten das machen. Frage mal dort nach, wieso die NICHT dein Rezept befolgen Ich habe auch noch nie vernommen, dass an diesen Privatschulen bessere Ausbildungsqualität erreicht wird, obwohl in jeder Klasse deutlich weniger Schüler sitzen. Seltsam, seltsam…
o) Und dann denke ich, bekommen deutsche Lehrer ein viel zu hohes Gehalt. Auch das sollte gesenkt werden. Dann wollen auch nicht mehr alle Lehrer werden.
A: …mit daraus folgendem Lehrermangel. Deshalb werden dann z.B. 70 Schüler in einer Klasse sitzen oder die Schule nach der 6. Klasse verlassen müssen. Wenn Papi aber genügend Euros hinblättert, übernehmen Privatschulen die weitere Ausbildung - siehe USA und England. Dort ist das öffentliche Schulwesen „unter aller Sau“ und nur der wird schlecht bezahlter Lehrer, der keine andere Arbeitsstelle findet (Seiteneinsteiger).
p) Komische Lehrer hat es auch zu meiner Zeit gegeben. Aber diese „wie-hättet-ihr-es-gerne“ Methode ist an unserer Schule ziemlich verbreitet.
A: Die würde stark zunehmen, wenn die Lehrer am jedem Jahresende um Vertragsverlängerung betteln müssten. Erziehen ist alles andere als Friede-Freude-Eierkuchen, dazu hört leider auch Konfrontation. Frauen (Pardon!) scheuen genau davor zurück, wie ein aktuelles Beispiel meiner Schule zeigt: Da haben drei jüngere Lehrerinnen beantragt, dass sie (am liebsten anonym) in eine Liste im Lehrerzimmer die bösen Schüler eintragen, die bestraft werden müssen. Dass soll ein Mann machen, denn sie wollen nicht als „böse Lehrerinnen“ da stehen. Die werden wohl nicht mehr lange unterrichten…
hoffentlich habe ich niemanden zu sehr verärgert
Herbert