Hallo Torsten!
Bitte laß uns mal in Gedanken einen ganz und gar unwahrscheinlichen Fall durchspielen. Nein, der Papst heiratet nicht. Viel unwahrscheinlicher! Ich meine auch nicht, daß Hans Eichel einen Haushalt ohne Neuverschuldung präsentiert. Viel unwahrscheinlicher: Du machst Dich selbständig! Du wirst Unternehmer, genauer: Fuhrunternehmer. Ja, ich weiß, eher wird die Erde zur Scheibe, aber laß uns trotzdem mal überlegen.
Du fängst klein an und kaufst einen gaaaanz billigen 38t-Zug, sagen wir für 100 T€. Bleiben wir bei runden Zahlen: Dafür hast Du jährlich 10 T€ Zinsen an der Backe. Du findest einen billigen Fahrer, der einschließlich AG-Teilen zur Sozialversicherung und BG-Beiträgen 30 T€ p. a. kostet. Du kümmerst Dich zu Hause um das Büro, hältst den Kontakt zum Fahrer, erledigst die Buchhaltung und kümmerst Dich um Aufträge, die ja schließlich nicht von alleine kommen. Deine Büromiete kostet 1.000 €, Du brauchst ein Fahrzeug, Kommunikationsmittel und allerlei Kleinkram für noch einmal 1.000 € und leben willst Du auch noch. Als bescheidener Mensch reichen Dir 2.000 € brutto im Monat. Wenn ich richtig gerechnet habe, sind wir bei Jahreskosten von 88 T€ angelangt. Aber dabei ist der LKW noch nicht versichert, hat noch keinen Tropfen Treibstoff, kein Cent für Wartung ist eingerechnet und Du darfst im Büro noch nicht einmal aufs Klo gehen, weil noch nichts für Wasser und Abwasser berechnet wurde. Du kannst also getrost von 100.000 € jährlich ausgehen, wenn Du den Laden von außen abschließt. Sobald Aufträge kommen, schießen die Kosten augenblicklich in die Höhe.
Wenn Du 100.000 € zu erwirtschaften hast, andernfalls samt Deiner Familie in den Ruin gehst, glaubst Du, Du wirst Deinen Fahrer anweisen, möglichst langsam mit einem Schnitt von bestenfalls 50 km pro Stunde über Landstraßen zu zuckeln? Glaubst Du, in solcher Situation unbedingt scharf darauf zu sein, Ladung und Termine zu gefährden?
Gut, das Beispiel ist schlecht gewählt, denn Dir traue ich sogar wirtschaftlichen Selbstmord zu, nur damit die Ideologie paßt. Aber ein richtiger Fuhrunternehmer wird alles daran setzen, Termine zu halten. Er wird versuchen, daß sich Termine (jeder einzelne mit saftiger Strafe bei Nichteinhaltung verbunden) möglichst nahtlos aneinander reihen, weil er sich Stillstand nicht leisten kann und nur die heil und pünktlich am Zielort abgelieferte Ladung Geld bringt.
Nebenbei: Ein LKW kann Ladung von stolzem Wert durch die Gegend transportieren. Die kutschieren nicht alle nur leere Obstkisten, das können 6- und mehrstellige Werte sein, wobei es Auftraggeber und Empfänger keineswegs egal ist, in welchem Zustand, mit welchen Risiken und wann die Ladung ankommt. Wenn sich ein litauischer Fuhrbetrieb mit unterbezahltem Fahrer und 30 Jahre altem Lkw um den Auftrag bewirbt, die sündhaft teure Maschine von A nach B zu bringen und dabei mit einem Trinkgeld Preisvorteil wegen Landstraßenbenutzung wirbt, wird solches Vorhaben zur aussichtslosen Lachnummer.
Mein Bruder betreibt einen Stahlhandel. Lager in einem Hamburger Vorort und mit einer kleinen Lkw-Flotte werden Kunden vorwiegend innerhalb eines Radius von 50 km beliefert. Jeweils am Vorabend werden alle Lkw beladen. Das hat in bestimmter Reihenfolge zu geschehen, damit die 12 Meter langen Träger nicht erst erreichbar sind, nachdem zuvor der halbe Lkw entladen wurde. Am Liefertag sind Termine zu halten. Wenn dem Kunden 10.30 Uhr zugesagt wurde, ist nicht Mittag gemeint, sondern Punkt 10.30 Uhr. Die Tour wird im Detail vorgegeben und dabei ist es völlig ***egal, ob die Autobahn Maut kostet oder nicht. Niemand käme je auf die Idee, sich wegen ein paar Euro Maut mit dem Langzug durch enge Ortschaften zu quälen, wo schon ein einziger bescheuerter Parker oder eine mal eben mit Gewichtsbeschränkung versehene Brücke Termine platzen läßt. Das interessiert nämlich den Kunden alles nicht. Der will seine Ware und keiner hat Lust auf Kindergarten, weil jemand Beträge in der Größenordnung der Briefmarke auf der Rechnung sparen will.
Man unterhält sich bei der Maut über 1 Cent pro 1.000 kg Ladung und pro km. Alle anderen Kosten liegen um ganze Größenordnungen darüber. Allein die Treibstoffkosten betragen ein Mehrfaches. Die Diskussion ist deshalb lächerlich!
Gruß
Wolfgang