Hallo Karin,
welch erfreulicher Zufall: Gerade vorgestern beschäftigt sich die Süddeutsche und zwar Katajun Amirpur mit der Sache. Im Gegensatz zu uns beiden kann sie Farsi.
Auch sie sieht Memri durchaus kritisch.
Zitat aus http://www.sueddeutsche.de/kultur/artikel/858/165387/)
„Memri wertet arabische und persische Medien aus und übersetzt deren Beiträge. Das Institut, gegründet von einem ehemaligen Offizier des israelischen Militärgeheimdienstes und gewiss keiner pro-iranischen Haltung verdächtig, wird regelmäßig wegen angeblicher Entstellung persischer oder arabischer Zitate angegriffen.“
Allerdings hält auch sie die Memri-Übersetzung im Großen und Ganzen für zutreffend (gleiche Quelle):
_"In diesem Fall ist die Übersetzung von Memri jedoch weit akkurater als die der Nachrichtenagenturen. Die auf dem Farsi-Text beruhende, von der offiziellen iranischen Nachrichtenagentur Isna veröffentlichte und von Memri herausgegebene Version der Rede vom 26.10.2005 lautet: „This regime that is occupying Qods must be eliminated from the pages of history.“ Qods – die Heilige – ist der arabische und auch persische Name für Jerusalem.
Die Memri-Übersetzung ist nur ungenau, weil sie das transitive Verb „eliminieren” statt des intransitiven „verschwinden“ verwendet – also ein zielgerichtetes, aktives Handeln statt einer ungezielten, passiven Entwicklung. Im Persischen ist mahv shodan jedoch ein intransitives Verb, im Gegensatz zum transitiven eliminieren."_
Ich halte also fest, Ahmadinedschad hat, zumindest damals am 26.10.2005 nicht explizit damit gedroht, irgendetwas Militärisches gegen Israel zu unternehmen. Nein, seine Aussagen waren interpretierbar. Kann man daraus schließen und sich also darauf verlassen, dass vom Iran keine Bedrohung für Israel ausgeht? Nein, mitnichten.
Ungern zitiere ich eine Passage einer Rede Hitlers und zwar vom 1. September 1939 vor dem Reichstag (das Datum ist bekannt, setze ich voraus):
„Meine Friedensliebe und meine endlose Langmut soll man nicht mit Schwäche oder gar mit Feigheit verwechseln! …
Was will man von uns mehr? Ich habe es feierlich versichert, und ich wiederhole es, dass wir von diesen Weststaaten nichts fordern und nie etwas fordern werden. Ich habe es versichert, dass die Grenze zwischen Frankreich und Deutschland eine endgültige ist. …
Die neutralen Staaten, sie haben uns ihre Neutralität an sich versichert, genau so wie wir sie ihnen schon vorher garantieren. Es ist uns heilig ernst mit dieser Versicherung. …“
Genug der unerträglichen Heuchelei, es ging mir um die Darstellung, wie wenig man manchen Politkern in öffentlichen Reden glauben darf.
Natürlich ist ein Ahmadinedschad kein Hitler. Trotzdem halte ich ihn für einen Demagogen, bei dessen Worten, sofern sie mehrdeutig sind, man die ungünstige Variante auch immer in Betracht ziehen muss. Warum, frage ich dich, hat Ahmadinedschad nicht auf die Fehlinterpretation der westlichen Medien reagiert? Warum hat er nicht dementiert? Wo und wann findet sich eine Aussage Ahmadinedschads, mit Israel auch zu einer friedlichen Übereinkunft und Koexistenz kommen zu können? Ich finde sie nicht. Zuhauf allerdings Äußerungen, die als Aufruf zur Gewalt gelten können und auch als solche von den Massen verstanden werden. Leute wie Ahmadinedschad, die derartige Auswirkungen ihrer Vorträge tolerieren, ohne dem entgegenzutreten, zu dementieren oder richtig zu stellen, denen darf man durchaus unterstellen, das zu wollen, was von der Masse verstanden wird.
Die Warnung Merkels war nicht unberechtigt. Selbst wenn Ahmadinedschad gegenwärtig nicht die Macht hat, Israel zu schaden und der Iran nicht das Potential, ist doch zu einer besorgten Beobachtung der Entwicklung durchaus Anlass gegeben. Denn wer dachte 1933 schon ernsthaft daran, dass aus dem arg machtbeschränkten deutschen Reichskanzler Hitler einmal der unumschränkte Führer eines ausartenden Dritten Reiches würde?
Gruß und schönes Wochenende
Hardey