Was gegen das ‚schwedische Modell‘ spricht…
Hallo बिल्ली,
Und gerne das „schwedische Modell“ der Bestrafung
ausschließlich der Freier gerne auch in Deutschland eingeführt
sehen möchten.
Was spräche denn deiner Ansicht nach dagegen?
Dagegen spricht vielerlei. Ein paar „braingestormte“ Gedanken dazu meinerseits:
Nehmen wir z.B. die Homo-Szene. Dort gibt es beides: sogenannten „Klappensex“, wo homosexuelle Männer auf öffentlichen Toiletten, in Parks, auf Autobahnparkplätze in gegenseitigem Einvernehmen „einfach so“, ohne dass Geld eine Rolle spielt, Sex miteinander haben. Und dann gibt es auch männliche Prostituierte, sogenannte „Strichjungs“ oder „Stricher“, die mit Männern das Gleiche tun, aber eben vorher Geld dafür nehmen. Wenn da jetzt, wie in Schweden, Zivilpolizisten durch die Büsche streifen um eventuelle Kunden von Strichjungs „auf frischer Tat“ zu „ertappen“ - wie soll dann nachgewiesen werden, ob es nun tatsächlich Prostitution oder einfach nur „Klappensex“ war?
Aber kehren wir zurück zur Heteroszene: Wenn es o.k. ist, „einfach so“ einen „One-Night-Stand“ zu haben (was es ja zuweilen auch bei Hetero-Frauen gibt), warum soll es plötzlich eine „Straftat“ sein, wenn exakt das Gleiche, nämlich einvernehmlicher Sex, gegen Geld stattfindet?
Konstruieren wir uns mal folgenden fiktiven Fall: Manuel Rodrigues, 25, ursprünglich aus Argentinien stammend, arbeitet als Tanzlehrer in Berlin. Er hat wildes, schulterlanges Haar, geheimnisvolle dunkle Glutaugen, und kann natürlich, da er selber Tanzlehrer ist, „tanzen wie ein junger Gott“, insbesondere Tango, Salsa und Samba, und hat also kein Problem damit, eine Frau „einfach so“ für einen „One-Night-Stand“ zu kriegen.
Auf der anderen Seite ist da der ebenfalls in Berlin lebende Deutsche Manfred Kabiefke, 55, Frührentner, geschieden, allein lebend, mit Glatze, dicker Hornbrille, Übergewicht und hat außerdem nie tanzen gelernt (und würde der Tanzpartnerin vermutlich auch andauernd auf die Füße treten). Der wiederum geht in ein Bordell, in erster Linie, um Sex zu haben, klar, aber auch, weil er sich nach ein wenig menschlicher Wärme sehnt.
Manuel Rodrigues gilt als „toller Hecht“, wenn er eine Frau für einen ONS „erobert“, Manfred Kabiefke als „armes Schwein“, weil er für Sex mit einer Frau zahlt - demnächst aber sogar, nach dem Willen von Alice Schwarzer und Lea Ackermann, sogar als „Krimineller“ - so, wie in Schweden.
Dabei hat Manfred Kabiefke genau das Gleiche getan wie Manuel Rodrigues, nämlich mit einer Frau einvernehmlichen Sex zu haben. Nur mit dem einen Unterschied, dass Manfred Kabiefke dafür bezahlt hat, Manuel Rodrigues aber nicht.
Oder nehmen wir Matrosen: Wie soll ein Matrose mit ein paar Tagen Landurlaub in irgendeinem Hafen einen ONS, geschweige denn eine Freundin oder Geliebte finden?
Will man wirklich einen Matrosen, der nach sechs Wochen auf See bei einem kurzen Landurlaub eine Prostituierte aufsucht, zum „Kriminellen“ erklären?
Oder einen Lastwagenfahrer, der nach mehrwöchiger Fahrt irgendwo in der südeuropäischen Pampa eine Pause macht? Ist der zum „Zölibat“ (bzw. zur Masturbation) verurteilt?
Außerdem wird es auch bei Heterosex Abgrenzungsprobleme geben: Würden z.B. auch Ehen von deutschen Männern mit Frauen aus Fernost automatisch als „Prostitution“ gewertet werden? Warum? Weil der Mann älter ist? Weil die Frau aus einem Drittwelt-Land stammt? Was ist dann mit Frauen, die z.B. im Urlaub einen jüngeren Afrikaner oder Araber heiraten und den dann mit nach Deutschland bringen?
Was ist denn, wenn z.B. ein Mann eine Frau zu einem richtig schönen, teuren Essen einlädt, und sie dann anschließend mit ihm ins Bett geht? Wäre das (für den Mann) verbotene Prostitution oder ein erlaubter One-Night-Stand?
Grundsätzlich ist es doch so, dass sich in der Nach-68er-Zeit mit ihren z.T. widerlichen Auswüchsen wie dem Erlauben von Sex mit Kindern sich alles in allem ein Grundkonsens herusgebildet hat, dass Sex immer dann legitim ist, wenn er freiwillig und einvernehmlich zwischen Erwachsenen stattfindet.
D.h. bis 1997 war z.B. Vergewaltigung in der Ehe straffrei, und Konservative haben auch dafür plädiert, dass das sie das auch bleibt, weil sie es als das „Recht“ des Ehemanns sahen, Sex mit seiner Ehefrau zu haben - bzw. als die „Pflicht“ der Ehefrau, mit dem Mann Sex zu haben.
Seitdem aber ist Vergewaltigung in der Ehe strafbar, was ich vollkommen richtig finde, denn: Sexuelle Selbstbestimmung ist sexuelle Selbstbestimmung.
Andererseits ist es aber auch sexuelle Selbstbestimmung, wenn eine Frau (oder manchmal auch ein Mann) bereit ist, gegen Geld Sex zu haben.
Genauso wie es, wie gesagt, zur sexuellen Selbstbestimmung dazugehört, wenn sie als Striptease-Tänzerin auftritt, oder in einem Pornofilm mitspielt. Oder sich für den „Playboy“ nackt fotografieren lässt. Oder, oder, oder…
Und, anderes Beispiel, gibt es Frauen, die masochistisch veranlagt sind und in einem gewissen spielerischen Rahmen Spaß daran haben, wenn ihnen von einem Mann Schmerzen zugefügt werden:
http://woman.brigitte.de/leben-lieben/liebe-sex/sado…
Mein Ding wäre es bestimmt nicht, auch nicht als der „dominante Mann“, aber wenn ein Mann und eine Frau einvernehmlich diese Spielart der Sexualität praktizieren, greift das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung - und geht niemanden mehr was an.
Und genauso ist es, wenn ein Mann und eine Frau bezahlten Sex haben: Sexuelle Selbstbestimmung ist sexuelle Selbstbestimmung. Ist die Selbstbestimmung von beiden (oder mehr) Beteiligten gegeben, geht es keinen weiteren Menschen mehr was an, nicht Lea Ackermann, nicht „Femen“, nicht Alice Schwarzer und nicht den Staat.
Und, um den Kreis zu schließen, wenn die Schweizer Muslima Nora Illi nicht nur mit Kopftuch sondern sogar mit vollem Gesichtsschleier freiwillig in der Öffentlichkeit auftritt:
http://www.youtube.com/watch?v=kkiKpkC0B0A
…dann ist das ebenfalls letzten Endes ihre Sache und wird ja auch akzeptiert.
Gruß Jasper