Hallo!
Deine Beschreibung lässt in mir den Verdacht aufkommen, dass
Glaube an einen Gott in etwa gleichzusetzen ist mit der
Begeisterung für einen Fussballverein. Oder mit der Hingabe zu
einem Hobby wie dem Restaurieren von alten Autos. Oder der
Leidenschaft für das Sammeln von Briefmarken.
Naja, man kann das nicht ganz vergleichen. Erstens ist ein Glaube mit einer bestimmten Moralvorstellung verknüpft, die es so bei Hobbys natürlich nicht gibt. Zweitens erfüllt der Glaube nicht nur die Freizeit, sondern alle Phasen des Lebens. Und Drittens handelt es sich bei dem „Glaubensgegenstand“ im weitesten Sinne um eine Person, d. h. der Glaubende geht davon aus, dass die Beziehung zu seiner Gottheit interaktiv ist. Auch das ist bei Hobbys nicht so.
Jetzt wirst du wahrscheinlich sagen, dass diese Beispiele sich
nicht mit dem Glauben an Gott vergleichen lassen. Du wirst es
vielleicht sogar als beleidigend empfinden, dass ich diese
profanen Hobbys mit dem Glauben an einen Gott gleichgesetzt
habe.
Nein, beleidigend nicht, nur falsch (aus den oben angeführten Gründen).
Und wenn es für einen Gläubigen garnicht so wichtig ist ob
Gott wirklich existiert oder nicht, …
Das habe ich nicht gesagt! Einem Gläubigen ist es natürlich sehr wichtig, dass es denjenigen, an den er glaubt gibt. Nur ist sein praktizierter Glaube an Gott genügend Beweis für die Existenz Gottes. Selbst wenn alle Vernunftargumente gegen die Existenz Gottes sprechen würden und selbst wenn der Gläubige alle diese Argumente kennen und einsehen würde, dann hätte er immer noch seinen Glauben und seine Gebete, die für ihn subjektiv keinen Zweifel daran lassen, dass es denjenigen, mit dem er in seinen Gebeten spricht, tatsächlich gibt.
Ein Mann steht am Grab seiner Frau und spricht mit ihr. Er
weiß, dass sie tot ist und er weiß auch, dass sie ihn nicht
hören kann (egal ob er an ein Leben nach dem Tod glaubt oder
nicht) - und er spricht dennoch mit ihr. Man wird als
Außenstehender sein Verhalten vollkommen zurecht für
irrational halten, aber er hat die Gewissheit, das für ihn
Richtige zu tun.
Ich weiss nicht, ob das Beispiel so gut ist. Denn manche
Menschen, die vor dem Grab ihrer Angehörigen zu ihnen
sprechen, gehen wohl davon aus, dass sie tatsächlich gehört
werden. Sie glauben, dass ihr Angehöriger oder dessen Seele im
Himmel oder irgendwo sonst noch existiert.
Diese Menschen gibt es, aber ich habe sie in meinem Beispiel jetzt nicht gemeint.
Wenn ein Atheist
vor dem Grab seiner Frau mit ihr spricht, dann tut er das
wahrscheinlich nur um seine Trauer besser verarbeiten zu
können. Vielleicht spricht er garnicht wirklich mit ihr,
sondern er will nur Dinge aussprechen die er sonst niemandem
sagen kann. Er will seine Gedanken loswerden. Oder vielleicht
gibt er sich für einen kurzen Moment dem Wahn hin, dass er mit
seiner Frau redet.
Und damit hast Du sehr gut zusammengefasst, was ich für die wahre Basis des Glaubens halte. Um mein Argument zu verstehen, musst Du nur noch das Kunststück fertig bringen, Dich in den Kopf dieses Atheisten zu versetzen: Für ihn ist das Gespräch mit seiner verstorbenen Frau subjektiv so real, dass die Frage danach, ob das rational ist, was er tut, völlig in den Hintergrund tritt. Es geht nicht um die Rationalität sondern um das subjektive Erleben.
In Deiner Ursprungsfrage hast Du gefragt, ob Gläubige Dir rational erklären können, warum sie an Gott glauben, und das ist genau der Knackpunkt: Man kann es nicht rational erklären, weil es nicht um die Rationalität geht.
Wenn ein Mensch sich als Christ bezeichnet, dann muss er doch
die Bibel als einzigen vorhandenen Quell für die Grundlage
seines Glaubens anerkennen. In der Bibel wird definiert was er
glaubt.
Ich versuchte Dir zu erklären, dass das Glauben nicht eine Sache des Kopfes sondern des Bauches ist. Die Bibel spricht aber den Kopf an. Sie entscheidet nicht darüber, ob jemand gläubig (also: religiös) ist oder nicht, sondern wie das, woran er glaubt aussieht.
Wenn er sagt, die Bibel sei nicht so wichtig und es sei egal
ob da was Falsches drin steht, dann kann er kein Christ sein.
Das ist schon richtig, aber ich hatte versucht, die Frage allgemein, unabhängig vom Christentum zu beantworten. Ich dachte, es ginge Dir um die Frage, warum ein Mensch überhaupt religiös ist.
Ob nun ein Mensch Jude, Christ oder Muslim wird, ist
in den meisten Fällen keine Frage der bewussten Entscheidung,
sondern eine Frage der Erziehung.
Dann ist es wohl auch eine Frage der Erziehung ob ein Mensch
überhaupt glaubt oder nicht.
Das ist gut möglich.
Ich habe mal den Text eines
Indianers gelesen (es war nicht Häuptling Seattle, aber sowas
ähnliches), der eine ganz pragmatische Erklärung für die
verschiedenen Religionen hatte: Es gibt nur einen Großen
Geist, aber er spricht zu den Menschen jeweils in der Sprache,
die sie am besten verstehen. Deswegen erscheint er den
Christen als der Gott der Christen und den Indianern eben als
der Große Geist.
Dann hat Gott auch zu den antiken Griechen gesprochen und
ihnen von Zeus, Poseidon, Demeter usw erzählt? Und den
Ägyptern hat er in ihrer Sprache von Ra, Hathor, Re und Osiris
erzählt, weil sie eine eindeutige Beschreibung eines einzigen
Gottes nicht verstanden hätten.
Ja - so wäre die religiöse Erklärung dafür. Die atheistische Erklärung wäre die, dass sich in unterschiedlichen Kulturen unterschiedliche Gottesvorstellungen ausgebildet haben. Ich persönlich meine, dass es zwischen diesen beiden Sichtweisen gar keine so großen Unterschiede gibt, denn wenn es tatsächlich einen Gott gibt, dann sind es dennoch Menschen mit menschlicher Sprache, die die Bibel niederschreiben. Folglich wird Gottes Botschaft immer durch die Augen der Menschen gesehen.
Man kann nun fragen: Wenn schon das Gottesbild von den
Menschen entworfen ist, könnte dann nicht auch die Idee, dass
es überhaupt einen Gott gibt, von Menschen gemacht sein? Ja,
schon, aber diese Frage ist für den Gläubigen selbst
irrelevant, denn er glaubt ja an Gott - und damit gibt es
diesen Gott (für ihn, subjektiv) auch.
Tut mir leid aber da komm ich nicht mit. Wie kann es egal
sein, ob Religionen und Götter nur eine Erfindung der Menschen
sind? Dann könnte man genauso gut an die Pokemons glauben.
Ich sagte nicht „egal“, sondern „irrelevant“. Das sollte zum Ausdruck bringen, dass sich ein Gläubiger gar nicht mit der Frage beschäftigen muss, weil er für sich subjektiv schon die Entscheidung getroffen hat, dass es Gott gibt und dass es nicht nur ein bloßes Hirngespinst ist.
Michael